Ukraine: Frieden über einen Pyrrhus-Sieg?

Seite 2: Die Rolle der Großmachtkonkurrenz

Er erfüllt damit allerhöchstens die Interessen der USA, denen es im Rahmen der Großmachtkonkurrenz um die globale Vormacht geht, wie es der 2017 verstorbene US-Stratege Zbigniew Brzeziński in seinem Buch Die einzige Weltmacht vor einem Vierteljahrhundert darlegte.

Hubert Kleinert wendet den Tunnelblick auf die unmittelbare Situation von Angriff und Verteidigung an, ohne auf die Einbettung des Krieges und seiner konfliktreichen Vorgeschichte in das globale Weltgeschehen einzugehen:

…dem Opfer muss man helfen, weil die brutale Logik der Gewalt sich nicht durchsetzen darf und es sonst womöglich bald weitere Opfer eben wird. … Die Grünen haben lange gebraucht, um zu begreifen, dass es mit dem Ende des Kalten Krieges nicht den immerwährenden Frieden gibt.

Zur Vorgeschichte gehört vor allem die Nato-Osterweiterung, vor der viele renommierte Strategen aus Nato-Staaten seit ihrem Beginn gewarnt hatten, so etwa George F. Kennan, der am 5. Februar 1997 in der New York Times einen Text dazu unter dem Titel "Ein schicksalhafter Irrtum" – "A Fateful Error" – veröffentlichte.

Hubert Kleinert stellt demgegenüber den Pazifismus als Träumerei dar, dessen Anhänger sich nach 1990 der Illusion hingegeben hätten, nun käme es zu einem "immerwährenden Frieden".

Mit diesem Zerrbild erweckt er zwischen den Zeilen den Eindruck, Pazifisten und damit die Friedensbewegung seien durch ihre Realitätsverweigerung und Beschwichtigung der Öffentlichkeit in der heutigen von Militarisierung geprägten Welt fahrlässig und damit gefährlich, da sie der Gewalt nichts entgegensetzen, statt mit Härte – und nur das sei zu verantworten – dagegenzuhalten. Sein Parteikollege Winfried Kretschmann greift Pazifisten direkter an und spricht von der "die verlogene(n) Seite des Pazifismus".

Diese Angriffe ermöglichen es Spitzenkräften ihrer einst aus der Friedensbewegung entstandenen Partei, nun unter Verweis auf den Ukraine-Krieg auch noch die atomaren Arsenale als Bestandteil der Strategie von Bundeswehr und Nato zu unterstützen, wie das Joschka Fischer und die Grünen-nahe Heinrich-Böll-Stiftung (HBS) bereits im 2020 taten. Die HBS empfahl:

Die Grünen sollten im Hinblick auf die nukleare Abschreckung fordern, dass sich Frankreich und Großbritannien explizit zur erweiterten Abschreckung bekennen, … ein Beharren auf atomarer Abrüstung in Frankreich und Großbritannien … wäre verfrüht und kontraproduktiv.

Die nukleare Gefahr spielt im aktuellen Diskurs über die Frage der Lieferung auch schwerer Waffen an die Ukraine keine Rolle, obwohl diese Eskalationsgefahr den Konflikt mit der Atommacht Russland auf eine vielfältige Weise begleitet. Es geht hier nicht alleine um die Gefahr, die von einem Nuklearkrieg ausgeht, sondern auch um die Gefahren, die von Atomkraftwerken im Krieg ausgehen.

In der Ukraine sind 15 Reaktoren am Netz. Wenn einer davon kriegsbedingt nicht mehr gekühlt wird oder durch Zerstörung des Reaktorschutzes havariert, mutiert die Anlage zur Atombombe. Dieses unkalkulierbare Risiko gehen die ein, die schwere Waffen in dieses besonders stark nuklearisierte Land liefern.