Ukraine-Krieg: Bittere Realität auf den Kampffeldern

Die militärische Lage in der Ukraine spitzt sich zu. Über das Medienbild, die Kämpfe, neue Waffen und die Rolle der Rüstungsindustrie. Eine Einschätzung des Winterkrieges.

Der Winter hält Einzug über den Kampffeldern der Ukraine, und es könnte der letzte Kriegswinter sein für die Armee Kiews. Die Anzeichen mehren sich, dass der Krieg im Jahre 2024 zu einem Ende kommen könnte.

Denn die Ukraine verliert in hohem Maße Truppen, Ausrüstung, internationale Unterstützung und – und das wiegt vielleicht am schwersten – sie verliert den Glauben an den Sieg.

Medien-Prognosen und Realität in der Ukraine

Nur langsam hält eine realitätsnähere Berichtserstattung Einzug in die oft gebührenfinanzierten Mainstream-Medien. So schrieb etwa die Tagesschau noch im September im fettgedruckten Anreißer:

"Die Angriffe auf der Krim sind verheerend für Russland, erklärt der Militärökonom Keupp im Interview. Die Russen hätten den Angriffen momentan nichts entgegenzusetzen, weil sie logistisch kaum nachkämen."

Im Interview mit Marcus Keupp hieß es weiter:

tagesschau.de: Sie haben bereits im Frühjahr für den Herbst eine entscheidende Wende und gar ein Ende des Krieges prognostiziert. Bleiben sie dabei?

Keupp: Im März hatte ich gesagt, dass der Krieg im Oktober strategisch verloren sein wird für Russland. Damit war nicht gemeint, dass die Kampfhandlungen aufhören, sondern dass Russland in einer Lage ist, wo es logistisch nicht mehr leistungsfähig ist und vor der Wahl steht: entweder es zieht die Truppen zurück oder es wird langsam aufgerieben.

Tagesschau

Das ist so weit weg von der Realität, dass man sich ernstlich Sorgen machen möchte um den Zustand der Schweizer Armee, denn der Experte ist in die Ausbildung von Schweizer Offizieren involviert.

Die Niederlage Russlands ab Oktober: Prognosen und Realität

Marcus Keupp irrlichtert seit Beginn der russischen Intervention in der Ukraine durch die deutschen Medien. Sagte er zu Beginn noch den baldigen wirtschaftlichen Kollaps Russlands voraus, spezialisierte er sich ab etwa Februar dieses Jahres auf die wagemutige Aussage, dass Russland den Krieg ab Oktober verloren haben würde – eine Aussage, die gut ankam, besonders beim ZDF, bei dem er fortan auch die meiste Facetime bekam.

Auch bei Welt, Focus, Deutschlandfunk, Die Zeit oder der Frankfurter Rundschau durfte er seine wilden Thesen unters Volk bringen – die FR wagte in dieser Woche noch ein Keupp-Zitat.

Doch langsam mischen sich realistischere Töne in die halluzinogene Propaganda-Kakophonie, zu groß geworden ist das Delta zwischen dem Geschehen an der Front und den wilden Führerbunkerfantasien.

Ernüchterung: Eine mediale Zeitenwende in der Ukraine-Berichterstattung?

So zeichnete die Tagesschau erst gestern ein realistischeres Bild von der Front "Wir sind am Ende, wir sind müde", auch der Focus berichtet mittlerweile von über 100.000 gefallenen ukrainischen Soldaten allein bei der gescheiterten Frühlingsoffensive.

Das sind Einschätzungen, die man noch vor wenigen Wochen fast vergebens im deutschen Mainstream suchte – eine mediale Zeitenwende?

Die militärische Lage in der Ukraine: Eine Einschätzung

Die militärische Lage zeichnet seit Monaten ein eher düsteres Bild für die Ukraine. Aktuell rückt die russische Armee vor allem in Awdijiwka weiter vor. Dort konnte sie einen signifikanten Erfolg verbuchen: Ein Industriegebiet von etwa einem Kilometer Länge und einer Breite von rund 200 Metern im äußersten Süden der fast eingeschlossenen Stadt konnte eingenommen werden.

Es galt als südliches Bollwerk gegen die angreifenden russischen Soldaten. Auch das stark mit Wehrgräben durchzogene, weitläufige Datschengebiet südlich des Industriegebietes musste von der ukrainischen Armee aufgegeben werden.

Erfolgreich waren die ukrainischen Streitkräfte hingegen im äußersten Norden der Stadt: Hier konnte durch einen Gegenangriff die russischen Angreifer aus dem Dorf Stepove heraus gedrängt werden, diese zogen sich bis zu den Bahngleisen zurück.

Dagegen konnte die russische Armee den Waldstreifen, der sich westlich der Bahngleise am nördlichen Zipfel der Kokerei AKHZ, nun fast vollständig unter seine Kontrolle bringen. Um aber den Sturm gegen die riesige Kokerei beginnen zu können, ist zuerst eine vollständige Flankensicherung vonnöten. Deshalb können die russischen Streitkräfte nicht eher mit dem Angriff auf die AKHZ beginnen, bis nicht Stepove und Berdychi eingenommen und gesichert sind.

Kherson: Schwierige Lage für ukrainische Truppen

In der Region um Kherson, wo es ukrainischen Truppen seit Monaten gelingt, mehrere begrenzte Brückenköpfe über den Dnipro zu halten, verschlechtert sich die Situation für die dort angreifenden ukrainischen Truppen zusehends.

Das einsetzende kalte Wetter wird für die dort in behelfsmäßigen Unterständen lagernden ukrainischen Soldaten zunehmend problematisch. Schneestürme machen zudem die Logistik über den breiten Dnipro-Strom zu einer militärischen Herausforderung.

Konnten Material und frische Truppen noch relativ unbehelligt nachts über den Dnipro zu den Brückenköpfen gebracht werden, machen jetzt offenbar Nachtsicht-Kamikaze-Dronen der ukrainischen Armee das Leben schwer.

Es ist mühselig zu spekulieren, was die ukrainische Führung mit der Kherson-Operation bezweckt. Vielleicht haben die Befehlshaber in Kiew etwas in der Hinterhand, was sich dem Beobachter entzieht. Aus der Ferne betrachtet mutet das Übersetzen über den Dnipro wie eine Verzweiflungstat an:

Die Jahreszeit ist ungünstig gewählt, das Wetter wird für die angreifenden Ukrainer zu einem echten Problem werden.

Logistik als Problem für die Ukraine

Die Logistik über den Dnipro scheint wie ein echter Albtraum. Die Ukraine setzt nur kleine Boote ein. Diese können mit den nachtsichtfähigen Kamikaze-Drohnen immer effektiver bekämpft werden. Die kleinen Boote erlauben nur die Überfahrt einer geringen Tonnage an Menschen und Material.

Das Dnipro-Ufer bildet aber nicht den Beginn der ersten russischen Verteidigungsstellung. Diese müsste erst noch erreicht werden. In Robotyne gelang es einer vergleichsweise gut ausgerüsteten ukrainischen Armee lediglich, in die erste Verteidigungsstellung einzudringen.

Wie ohne eine feste Landbrücke genügend Personal und Wirkmittel an die Front gebracht werden sollen, bleibt ein Rätsel. Hier drängt sich der Gedanke auf, dass die ukrainische Führung einen Scheinerfolg sucht, um die westlichen Geldgeber bei der Stange zu halten.