"Verletzung des zwischen Staaten geltenden Interventionsverbots"

Seite 5: 4. Anerkennung der "Volksrepubliken" im Donbas

Die staatliche Anerkennung der sog. Volksrepubliken Luhansk und Donezk durch die Russische Föderation stellt eine Einmischung in innere Angelegenheiten der Ukraine und somit eine Verletzung des zwischen Staaten geltenden Interventionsverbots nach Art. 2 Ziff. 1 VN-Charta gegenüber der Ukraine dar.40 Darüber hinaus ist die Anerkennung von Staaten nach einhelliger Ansicht sowie etablierter Staatenpraxis lediglich deklaratorischer Natur.41 Die Anerkennung ist also für die Bejahung formeller Staatlichkeit weder zwingend notwendig noch kann durch sie allein ein Staat im Sinne des Völkerrechts entstehen. Vielmehr wird die Anerkennung eines Gebildes als Staat als ein einseitiger politischer Akt gesehen.

Für die Beantwortung der Frage, ob ein Staat im völkerrechtlichen Sinne entstanden ist, sind währenddessen andere, konstitutive Voraussetzungen entscheidend. Diese sind anerkanntermaßen das Vorliegen eines Staatsgebiets, eines Staatsvolkes sowie einer effektiven Staatsgewalt.42 Für die Gebiete Luhansk und Donezk kann keine dieser Voraussetzungen bejaht werden, sodass die Gebiete nach wie vor als Teil der Ukraine angesehen werden müssen.43

Schon das Vorliegen eines eigenen, abgrenzbaren Staatsgebiets muss hier verneint werden. Zum einen wird die tatsächliche Kontrolle der lokalen Autoritäten über das gesamte von ihnen proklamierte und durch die russische Föderation anerkannte Gebiet angezweifelt, sodass womöglich zwar einzelne kleinere Regionen tatsächlich beherrscht werden, dies jedoch nicht bezüglich des gesamten Gebiets der Fall ist.44 Zum anderen wird vertreten, dass diese Bewertung auf der Tatsache beruhe, dass die Gebiete lediglich durch sog. Kontaktlinien abgrenzbar seien, die ausschließlich zu dem Zweck errichtet wurden, aktive Kampfhandlungen zwischen den Parteien zu unterbinden und somit keine äußeren Staatsgrenzen darstellen können.45 russische Anerkennung der beiden Gebiete muss darüber hinaus schon allein aufgrund des Umstands, dass zwischen den Gebieten und der Ukraine noch ein bewaffneter Konflikt stattfand, als völkerrechtswidrig bezeichnet werden. Denn Anerkennungen von Gebietsänderungen während noch andauernder Kampfhandlungen ( durante bello ) sind grundsätzlich untersagt46

Zudem stellen die Bevölkerungen der beiden sog. "Volksrepubliken" wohl auch keine Staatsvölker dar. Seit den Unabhängigkeitserklärungen der Gebiete wurden durch die Russische Föderation vielmehr systematisch russische Pässe an die dort lebende Bevölkerung ausgegeben, was allein schon gegen die Existenz eines eigenständigen – also weder ukrainischen noch russischen – Volkes spricht.47

Schließlich wurden die Gebiete der sog. Volksrepubliken zum Zeitpunkt ihrer Anerkennung maßgeblich sowohl finanziell, politisch als auch militärisch durch die Russische Föderation unterstützt, sodass eine unabhängige, effektive Staatsgewalt nicht gegeben war.48 Die Gebiete bestanden nicht aus eigener Kraft heraus. Darüber hinaus ist zu beachten, dass jegliche Form der Herrschaft dieser Gebiete durch die sog. Separatisten auf der militärischen Unterstützung der Russischen Föderation gründete, somit selbst auf einem Völkerrechtsbruch beruhte und die Anerkennung völkerrechtlich schon allein aus diesem Grunde untersagt ist.49