Vermögenssteuer für Superreiche bringt über zwei Billionen US-Dollar

Symbolbild Ungleichheit

Eine aktuelle Studie zeigt das beeindruckende Potenzial einer zu wenig diskutierten Lösung gegen gefährliche Ungleichheit. (Teil 2 und Schluss)

Im ersten Teil des Artikels wurde thematisiert, dass eine Fokussierung auf den Kampf gegen Armut, die nicht auch zugleich das zentrale Thema der sozialen Ungleichheit mit seinen zahllosen negativen Konsequenzen für Menschen und Gesellschaft angeht, kaum zu einer wirklichen Lösung des Problems führen kann. Diese existiert jedoch.

Ein Meilenstein der G20-Konferenz

Ende Juli diesen Jahres einigten sich die G20-Finanzminister in Rio de Janeiro auf eine Abschlusserklärung, die an Deutlichkeit wenig zu wünschen übrig lässt:

Es ist wichtig, dass alle Steuerzahler, einschließlich jener mit extrem hohem Vermögen, ihren gerechten Anteil an Steuern leisten. Aggressive Steuervermeidung oder Steuerhinterziehung durch Personen mit extrem hohem Vermögen kann die Fairness der Steuersysteme untergraben (...).

Die Förderung einer wirksamen, fairen und progressiven Steuerpolitik bleibt eine große Herausforderung, zu deren Bewältigung die internationale Zusammenarbeit in Steuerfragen und gezielte nationale Reformen beitragen könnten.

Der Wirtschaftswissenschaftler Gabriel Zucman betont:

Erstmals seit Gründung der G20 im Jahr 1999 sind sich alle Mitglieder einig, dass die Art, wie die Superreichen besteuert werden, korrigiert werden muss.

Man darf hier durchaus von einem Meilenstein sprechen ‒ wenn auch mit gebührender Zurückhaltung, da selbstverständlich entscheidend ist, welche konkreten Taten dieser Erklärung folgen.

Besteuert uns!

Während die weltweite Anzahl an Milliardären und Superreichen deutlich zunimmt, wird auch die breite Zustimmung für eine Reduzierung der Ungleichheit immer größer. Laut einer Ipsos-Umfrage in den G20-Ländern sind gut zwei Drittel der Menschen der Ansicht, die wirtschaftliche Ungleichheit sei zu groß, und 70 Prozent stimmen dem Grundsatz zu, Reiche sollten Menschen höhere Einkommenssteuersätze zahlen.

Sogar von den direkt "Betroffenen" kommt nicht nur ‒ die zu erwartende ‒ Ablehnung, sondern auch bemerkenswert viel Zustimmung. Im Herbst 2023 richteten rund 300 Millionäre, darunter die Erbin Abigail Disney, Politiker wie Bernie Sanders, ehemalige Staats- und Regierungschefs, politische Vertreter und Wirtschaftswissenschaftler wie Thomas Piketty einen gemeinsamen Aufruf an die Staats- und Regierungschefs der G-20-Staaten. Dort heißt es:

Die Anhäufung von extremem Reichtum durch die reichsten Menschen der Welt ist zu einer wirtschaftlichen, ökologischen und menschenrechtlichen Katastrophe geworden, die die politische Stabilität in Ländern auf der ganzen Welt bedroht. Ein derartig hohes Maß an Ungleichheit untergräbt die Stärke praktisch aller unserer globalen Systeme und muss daher direkt angegangen werden.

Jahrzehntelange Steuersenkungen für die Reichsten, die auf dem falschen Versprechen beruht haben, der Reichtum an der Spitze würde uns allen zugutekommen, haben zum Anstieg extremer Ungleichheit beigetragen.

Unsere politischen Entscheidungen ermöglichen es den Superreichen, weiterhin Steuervergünstigungen zu nutzen und eine Vorzugsbehandlung zu genießen, die dazu führt, dass sie in den meisten Ländern der Welt niedrigere Steuersätze zahlen als normale Menschen.

Erstaunlicher aber noch ist, dass sogar fast drei Viertel der in den G20-Ländern befragten Millionäre höhere Vermögenssteuern befürworten, und mehr als die Hälfte von ihnen hält extremen Reichtum für eine "Bedrohung der Demokratie".

Ausgesetzt, aber nicht abgeschafft

Im Sommer 1995 hatte das Bundesverfassungsgericht die konkrete Erhebung der Vermögenssteuer in Deutschland als nicht mit der Verfassung vereinbar bezeichnet. Seit 1997 ist die Vermögenssteuer hierzulande ausgesetzt.

In seinem Sondervotum als Bundesverfassungsrichter warnte Ernst-Wolfgang Böckenförde: Die Ungleichheit "darf ein gewisses Maß nicht überschreiten, sonst geht sie über in Unfreiheit." Weise Worte. Gerade angesichts der Worte des Grundgesetzes: "Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohl der Allgemeinheit dienen."

Die Frage muss also gerade in Anbetracht der explodierenden Zahl an Superreichen der letzten Jahre gestellt werden: Inwiefern dienen die gigantischen Vermögensgewinne heute dem Wohl der Allgemeinheit?

Vielversprechendes Ergebnis einer Studie

Eine aktuelle Studie des Tax Justice Network untersuchte die Frage, welche Steuererträge eine Vermögenssteuer einbringt, die sich an der neuen spanischen Variante derselben orientiert, die die reichsten 0,5 Prozent der Bevölkerung betrifft. Bei der modellierten Vermögensteuer wurde ein progressiver Vermögenssatz verwendet, der die Menschen umso stärker besteuert, je reicher sie relativ gesehen sind.

Angenommen wurde ein Steuersatz von 1,7 Prozent auf ein Vermögen oberhalb des Schwellenwerts von 0,5 Prozent; ein Satz von 2,1 Prozent auf Vermögen oberhalb der 0,1-Prozent-Schwelle und eine Vermögenssteuer von 3,5 Prozent auf Vermögen oberhalb der 0,05-Prozent-Schwelle. Global gesehen würde die Vermögenssteuer für 0,003 Prozent der Weltbevölkerung gelten.

Das Ergebnis: Weltweit würden 2,1 Billionen US-Dollar zusätzlich in die Staatskassen gespült werden. Jedes Land würde im Durchschnitt mehr als sieben Prozent an zusätzlichen Einnahmen erzielen.

Weitere positive Ergebnisse

Die Studie betont zugleich, dass die Gefahr einer Flucht der Superreichen unbegründet ist. Nur 0,01 Prozent der reichsten Haushalte zogen um, nachdem in Norwegen, Schweden und Dänemark Vermögenssteuerreformen für die reichsten Haushalte eingeführt worden waren.

Ein Rückgang von Investitionen wäre ebenfalls nicht zu befürchten. Im Gegenteil. Untersuchungen zeigen, dass der große Vermögenszuwachs bei dem reichsten Prozent der US-Bevölkerung in den letzten 40 Jahren nicht zu mehr Investitionen geführt hat. Eine andere Studie belegt vielmehr, dass Vermögenssteuern zu mehr Investitionen führen.

Und nicht zuletzt: Es hat sich gezeigt, dass die Vermögensungleichheit so extrem ist, dass eine progressive Vermögensumverteilung die Lebenserwartung der US-Bevölkerung insgesamt um 2,2 Jahre erhöhen könnte.

Milliardärssteuer

Ein weiterer Vorschlag, mithilfe von Vermögenssteuern die soziale Ungleichheit abzufedern, stammt von dem bereits erwähnten Leiter der europäischen Steuerbeobachtungsstelle der EU Gabriel Zucman. In seinem Bericht A Blueprint for a Coordinated Minimum Effective Taxation Standard for Ultra-High-Net-Worth Individuals ("Ein Entwurf für einen koordinierten Standard für eine effektive Mindestbesteuerung von Personen mit extrem hohem Vermögen") schlägt er eine koordinierte Mindeststeuer von zwei Prozent auf das Vermögen von Milliardären vor.

Dadurch sollen in der EU nicht nur etwa 200 bis 250 Milliarden Dollar jährlich eingenommen werden (380 Milliarden, wenn Superreiche, also Menschen mit einem Vermögen über 100 Millionen, berücksichtigt würden). Die Steuer würde auch strukturelle Ungerechtigkeit heutiger Steuersysteme korrigieren, aufgrund derer die effektiven Steuersätze für Milliardäre geringer sind als die der Mittelschicht.

Gute Voraussetzungen - und der politische Wille?

Zucman ist optimistisch, dass diese Ideen auch in absehbarer Zeit das Licht des Tages sehen werden. Seine Begründung:

In den letzten rund zehn Jahren hat sich die internationale Zusammenarbeit in Steuerfragen deutlich verbessert. Die Einführung des automatischen Austauschs von Bankdaten etwa hat die Möglichkeiten zur Steuervermeidung stark eingeschränkt. Wir verfügen bereits über die notwendigen Instrumente, um die Milliardäre der Welt zu zwingen, ihren gerechten Anteil an Steuern zu zahlen. Jetzt ist es an den Regierungen, schnell und effektiv zu handeln.

Gute Vorschläge, gute Belege über Umsetzbarkeit und zu erwartende Gewinne sind sicherlich vielversprechend und geben Anlass zur Hoffnung. Inwiefern aber nun endlich auch der politische Wille besteht, die soziale Ungleichheit zu bekämpfen, anstatt den politischen Fokus auf mutmaßlich nicht arbeitswillige Bürgergeldler zu legen, muss abgewartet werden.

Bis zu einer konkreten Handlung, die wirklich versucht, eine Antwort auf die drängende soziale Frage zu finden, sollte die Regierung vielleicht an die eigenen Worte erinnert werden. Noch im Sommer letzten Jahres versprach die Bundesregierung mit der Agenda 2030

Die Überwindung von Armut ist die größte Herausforderung der Gegenwart. Armut gibt es in vielen Ausprägungen. Absolute Armut, die mitunter existenzbedrohend ist, ist nicht vergleichbar mit der Situation von Menschen mit niedrigem Einkommen in Deutschland. Beide Formen der Armut müssen jedoch bekämpft werden.

Der Titel dieses Eintrags zur Agenda 2030 lautet: "Armut in jeder Form und überall beenden."

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