Vom Lob der Eigenverantwortung

Die Ideologie der Gewinner?

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Um so weiter wir in der Geschichte voranschreiten, desto eher bemerken wir, daß die Komplexität der Welt mit den besseren und weitreichenderen Techniken und den umfassenderen und weiter in die Tiefe gehenden wissenschaftlichen Erkenntnissen zunimmt.1 Nicht mehr die klassische Mechanik ist daher, wie einst in den Anfängen moderner Rationalität und Fortschrittsgläubigkeit, die Grundlage unserer Orientierung, sondern die Wissenschaften von komplexen, nicht-linearen und dynamischen Systemen, die Theorien vom Chaos und der Evolution. Unvorhersagbarkeit, unsicheres Wissen, Einwirkung des Zufalls, Wahrscheinlichkeit von Verläufen, Chancen und Risiken, Kontextabhängigkeit und einmalige, geschichtliche Konstellationen beherrschen jetzt das Weltbild, das früher ideologisch vom rationalen Subjekt als Souverän, von Determination und prinzipiell überschaubaren Kausalbeziehungen bestimmt wurde, die weitreichende Planungen und viele Sicherheiten zu gewährleisten schienen. Das Vordringen der Evolutions-, Risiko- und Chaostheorie, die Dominanz des alternativenlosen Modells des freien kapitalistischen Marktes, das Schwinden sozialstaatlicher Absicherungen und der Zusammenbruch der kommunistischen Planwirtschaften, die ein Projekt des Vernunftzeitalters waren und von der Steuerbarkeit komplexer Systeme ausgingen, markieren wohl am prägnantesten den Bruch.

Das alles hängt vermutlich mit der Konjunktur der Eigenverantwortung oder der immer lauter erhobenen Forderung von verzweifelten Politikern nach einer "neuen Kultur der Selbständigkeit" zusammen, die jetzt oberflächlich und dialektisch, wie man sagen könnte, wollte man sich einer alten Terminologie bedienen, der Verpflichtung auf gesellschaftliche oder gar globale Solidarität und Verantwortung entgegengesetzt wird. Selbst die SPD betont in ihrem Leitantrag Aufbruch in die Informationsgesellschaft , daß Arbeit in Zukunft mehr und mehr selbständige Arbeit heiße und man sich vom Arbeitnehmer verabschieden müsse, der künftig zum Auftragnehmer eines Auftraggebers mutiere: "Wir wollen dazu beitragen, ein gesellschaftliches Bewußtsein zu erzeugen, das in der beruflichen Selbständigkeit zuerst die Chance und nicht das Risiko erblickt." Gefördert soll vor allem die Vermehrung von Telearbeitsplätzen werden, wobei für die "Auftraggeber-/Auftragnehmerbeziehungen" arbeits- und tarifrechtliche Probleme sowie Vorkehrungen zur sozialen Absicherung geschaffen werden müßten, über deren Einzelheiten man sich allerdings nicht ausläßt . Der neue Wundermann der SPD für die Wirtschaft, Jost Stollmann, stößt natürlich, als Kind der "digitalen Revolution", ins selbe Horn (siehe auch Im freien Fall - Selbstangestellte).

Was die einen anpreisen, macht anderen - und oft denselben - gleichzeitig Angst. Eigenverantwortung wird zwar wirtschaftlich und gesellschaftlich eher eingefordert als wirklich ermöglicht, aber das steigende Risiko in einer ganz konsequent zerfallenden Integrationskraft der sozialen Bindungen führt andererseits ebenso zu wachsenden Ansprüchen, daß die eigene Sicherheit gewahrt wird. Zumindest ist auffällig, daß mit der Wucht der Globalisierung nach dem Kalten Krieg eine ebenso entschiedene Aufrüstung des Staates gegen den "inneren Feind" erfolgt ist. Und es sind dieselben Techniken, die einerseits den Aufbruch der sozialen Bindungen, also die Erwartung an Eigenverantwortung, bewirken und andererseits zur politischen und sozialen Kontrolle eingesetzt werden.

Wer in Deutschland an die Macht will, darf offenbar nicht mehr liberal im staatsbürgerlichen Sinne sein, sondern muß im Namen der Sicherheit Zug um Zug die bürgerlichen Freiheiten abbauen. Man mag das vielleicht als die letzten Reflexe staatlicher Souveränität erklären, durch die ihre Einbußen kompensiert werden sollen, gleichwohl scheint diese Entwicklung auch darauf hinzudeuten, daß die Propaganda der Eigenverantwortung als Problemlöser nicht stimmig ist. Und natürlich ist sie die bequemste Lösung: Was man nicht gemeinsam über die Egoismen und Antagonismen lösen kann, das soll halt jeder selber machen und sehen, wie weit er kommt. So formuliert, entlarvt sich der Zynismus hinter der Rhetorik, die sich als die der Sieger zu erkennen gibt, die vermeintlich nur verlieren, wenn Eigenverantwortung etwa auch hieße, Verantwortung für andere zu übernehmen, um ihnen diese allererst im selben Sinne zu ermöglichen.

Der Zenith der ideologischen Aufrüstung, die das neoliberale Wirtschaftsparadigma ebenso verführerisch wie blendend mit dem Individualismus verbunden hatte, scheint freilich bereits überschritten zu sein. Immer lauter werden die Stimmen, die ein Überborden individualistischer Freiheiten und den Terror der Ökonomie (Vivianne Forrester) durch eine stärkere gesellschaftliche Verpflichtung oder durch eine Verantwortung für die Gemeinschaft im Sinne der Kommunitaristen begrenzen wollen. Pflichten aber sind stets eine Einschränkung der Freiheit und der Eigenverantwortung. Den Menschenrechten soll ergänzend ein Katalog der Menschenpflichten beigeordnet werden, wie dies etwa der vom Altbundeskanzler Helmut Schmidt präsidierte InterAction Council im Sinne der Schadensbegrenzung vorschlägt. Auf der anderen Seite werden wieder alte Strategien zur Aufrechterhaltung der inneren Sicherheit aufgewärmt, die keineswegs auf Liberalisierung und Eigenverantwortung setzen, sondern den starken Staat favorisieren, der mit seiner Polizei überall präsent sein, hart durchgreifen und für Ordnung sorgen soll, auch wenn diejenigen, die es sich leisten können, sich in geschützten Wohnanlagen einbunkern und die privaten Sicherheitsdienste, ganz im Sinne der Eigenverantwortung, zu einer boomenden Branche werden.

Gleichwohl bleibt es bei der Aufwertung der Eigenverantwortung, was auch immer die Zuschreibung des Risikos auf den einzelnen meint, da ein starker und die soziale Ungleichheit kompensierender (Wohlfahrts)Staat, wie ihn manche der reichen westlichen Industriegesellschaften konstruiert hatten, nicht mehr zu bezahlen und scheinbar zu unflexibel ist, um sich den schnell verändernden Bedingungen anzupassen. Ein Grund dafür ist die durch Transport-, Informations- und Kommunikationsmittel zusammenrückende Welt und die allmähliche Auswanderung vieler Funktionen, einschließlich des Kapitals, das sich von der realen Wirtschaftsleistung immer mehr löst, in den neuen Raum des Cyberspace, in dem oft noch andere Regeln als gelten. Sein Ausbau machte erst möglich, daß sich Organisationen auf den gesamten Globus zerstreuen und doch in Echtzeit gesteuert und koordiniert werden können. Informations-, Finanz- und Warenströme konnten so freigesetzt werden und um den Globus zirkulieren, aber auch die Menschen lösen sich aus ihren Orten und werden immer mobiler - oder in die Mobilität und Flexibilität gezwungen.

Da sich die transnationalen Unternehmen und die Eliten der Informationsgesellschaft ihren Standort durch die Virtualisierung und Telekoordination leichter auswählen können, wird es ihnen auch möglich, die Standorte und die in ihnen befindlichen Menschen etwa durch Entzug von Investitionen, Steuerzahlungen oder Arbeitsplätzen zu erpressen. Die Staaten und Regierungen, die Regionen und Städte, damit auch die demokratischen Systeme, Rechtsordnungen, sozialen Strukturen und Nationalwirtschaften treten selbst in einen Markt ein, in dem sie nach ihrer Glaubwürdigkeit, Flexibilität, Sicherheit für Eigentum und anderen investitionsfreundlichen Kriterien beurteilt und gehandelt werden und sich selbst in effektive Dienstleistungsunternehmen unter dem Primat der Ökonomie verwandeln müssen. Die noch immer in Nationalstaaten verankerten und damit in Territorien eingesperrten demokratischen Instanzen sind keine Souveräne mehr, die ihre Legitimation - idealerweise - aus der Souveränität aller Bürger als Gemeinwesen erhalten, sondern sie werden zu Vermittlungsinstanzen des globalen Marktes und der dahinterstehenden Interessen degradiert, die zudem all das lösen sollen, was der freie Markt nicht aus sich heraus bewältigt.

Die Akteure des freien globalen Marktes mögen zwar eigenverantwortlich Risiken auf sich nehmen und mit hohen Einsätzen Wetten abschließen, die den eigenen Profit mehren, aber sie sind gesellschaftlich nicht mehr zur Verantwortung zu ziehen, agieren jedoch weiterhin in einem Raum, der von den Staaten und ihren Rechtssystemen letztlich bis zum Einsatz von Gewalt geschützt wird. Solange es keine weltweiten Abkommen gibt oder ein weltweit verbindliches Rechtssystem existiert, sind die mobilen kapitalistischen Unternehmen und Finanzdienstleister sowie die sie tragenden Eliten von jeder Verantwortung befreit, zumal auf einzelne zurechenbare Verantwortlichkeit überdies in den komplexen Organisationsformen verschwindet. Schon längst entschuldigt sich jeder an führender Stelle, nur aufgrund von Sachzwängen gehandelt zu haben, also ebenso wie alle anderen dem Schicksal der "unsichtbaren Hand" des Marktes ausgeliefert zu sein, die gnadenlos und unbeeinflußbar das Geschehen regiert, solange er nicht gewinnt. Und es sind vor allem die Gewinner, die das Lob der Eigenverantwortung verkünden.

Die Akteure des freien globalen Marktes mögen zwar eigenverantwortlich Risiken auf sich nehmen und mit hohen Einsätzen Wetten abschließen, die den eigenen Profit mehren, aber sie sind gesellschaftlich nicht mehr zur Verantwortung zu ziehen, agieren jedoch weiterhin in einem Raum, der von den Staaten und ihren Rechtssystemen letztlich bis zum Einsatz von Gewalt geschützt wird. Solange es keine weltweiten Abkommen gibt oder ein weltweit verbindliches Rechtssystem existiert, sind die mobilen kapitalistischen Unternehmen und Finanzdienstleister sowie die sie tragenden Eliten von jeder Verantwortung befreit, zumal auf einzelne zurechenbare Verantwortlichkeit überdies in den komplexen Organisationsformen verschwindet. Schon längst entschuldigt sich jeder an führender Stelle, nur aufgrund von Sachzwängen gehandelt zu haben, also ebenso wie alle anderen dem Schicksal der "unsichtbaren Hand" des Marktes ausgeliefert zu sein, die gnadenlos und unbeeinflußbar das Geschehen regiert.

Die damit einhergehenden Probleme zeigen sich mehr und mehr unter der Normativität des Marktes nicht bei den großen Mächtigen, Bösen, Egoisten und Betrügern, die natürlich gerne komplexitätsreduzierend herausgestellt werden, als könne man noch von autonomen Subjekten mit einem freien Willen, die für ihre Taten als einzelne Verursacher verantwortlich gemacht werden könnten. Wen könnte man beispielsweise wirklich für die Rodung der Tropenländer, die Klimaerwärmung, die Verseuchung mit Antibiotika, die Globalisierung, den Schwund nationalstaatlicher Souveränität oder die Rinderseuche verantwortlich machen? Wer ist in einer Wirtschaft noch wirklich verantwortlich, in der mehr und mehr Menschen zu Aktienhaltern werden und kurzfristig steigende Gewinne erwarten, die andererseits zum Downsizing der Unternehmen und zur Unterbietungskonkurrenz auf dem globalen Arbeitsmarkt führen, wobei die Arbeitnehmer oder Auftragnehmer sich also selbst gewissermaßen unter Druck setzen, arbeitslos machen, den Staat als demokratisches Gemeinwesen schwächen und die Umwelt zur Profitvermehrung weiter belasten? Sind es die Manager, die Unternehmensberater, die Trendforscher, die Verwalter der Aktien- und Rentenfonds, die einzelnen Shareholder?

Natürlich wird der globale Markt auch von einzelnen Akteuren in Gang gehalten und gesteuert, aber die Dynamik läßt sich offenbar nur noch einem System zurechnen. Die politische Veränderung beschreibt Saskia Sassen als Verlust der regulierenden Macht des Staates: "Die internationalen Finanzmärkte sind nicht nur Institutionen, die große Macht über Regierungen und einen gewaltigen Einfluß auf sie haben, sondern sie haben aus ihrer Logik eine gewisse Normativität herausgebildet, mittels derer Regierungen dieser Logik unterworfen werden können. Auf unterschiedlichen Weisen sehen sich viele Regierungen einem großen Druck der internationalen Finanzmärkte ausgesetzt, manche Aspekte ihrer Wirtschaftspolitik der Logik des Kapitalmarktes anzupassen. ... Es handelt sich um ein ganzes Konzept, das vorschreibt, was es bedeutet, eine gute Wirtschaftspolitik zu betreiben und was eine vernünftige Regierungspolitik ist."

Bei der Konjunktur der Eigenverantwortung handelt es sich vornehmlich auf individueller, institutioneller und sozialer Ebene um ein Outsourcen, also um die Delegation des Risikos an die jeweils anderen, wie es in der Wirtschaft üblich geworden ist und was als Verselbständigung der einzelnen verkauft wird. Man dürfe nicht mehr erwarten, einen sicheren Job fürs Leben zu haben und auf den Staat als institutionalisierten Repräsentanten des Gemeinwesens vertrauen, der in Notlagen, bei Krankheit oder im Alter einspringt. Das Problem heute scheint zu sein, daß der Staat nicht mehr als institutioneller Ausdruck des Gemeinwesens begriffen wird, sondern daß er unter dem Primat der Ökonomie und der neuen supranationalen Akteure zu einem Dienstleistungsunternehmen degradiert wird, der sich einerseits den ökonomischen Zwängen anzupassen hat und andererseits die schlimmsten Auswirkungen der "unsichtbaren Hand" kompensieren soll. Daher soll auch er weitgehend privatisiert, verschlankt und auf die effiziente Erfüllung bestimmer Aufgaben zugeschnitten werden, um zwischen der globalen Ökonomie und den nationalen Rechtssystemen sowie den örtlich gebundenen Menschen und Institutionen zu vermitteln. Demokratie und sozialer Ausgleich sind nicht primäre Aufgaben mehr, sondern nur noch Bedingungen, die den Standort sichern und, wie es der Bericht Rethinking the State der Weltbank formuliert, dessen "Glaubwürdigkeit" im Hinblick auf die privaten Investoren garantieren. Die Bürger werden ebenso wie demokratische Legitimität zur Nebensache.

Das Modell für die Menschen ist der Unternehmensgründer oder Manager, nicht mehr der Bürger mit seinen Rechten und Pflichten, die vor allem noch als Attraktivität von Standorten und im Sinne der Rechtssicherheit für den homo oeconomicus vorkommen, der Eigentum, Verträge und sein Leben natürlich nicht der Eigenverantwortung in einer vollkommen freien Welt überlassen möchte. Die neuen, vielleicht telearbeitenden freien Auftragnehmer handeln jeweils als einzelne, und ihnen wird von Psychologen und anderen psychosozialen Dienstleistern versichert, daß der - natürlich individuelle - Erfolg in ihren Händen liege und sie Zumutungen von anderen abwehren müssen, um ihre Bastelbiographien ohne soziales Netz bewältigen zu können. Flexibilität, die Hauptforderung an die Eigenverantwortlichen, heißt eben auch, weder Erwartungen an Kontinuität zu hegen noch sich solchen zu unterwerfen. Die Versingelung, das Zappen durch Beziehungen und, zur Not, das Kaufen von entsprechenden Dienstleitungen, ist die natürliche Konsequenz. Ins Belieben der einzelnen wird die soziale Verantwortung gestellt. Optimisten gehen davon aus, daß sich durchaus ein System freiwilliger sozialer Verantwortlichkeit im Sinne eines "altruistischen Individualismus", der mit der Maxime funktioniert: "Wer für sich lebt, muß sozial leben."2 Auch wenn in den USA 45 Prozent der Bürger sich freiwillig für soziale Belange engagieren und Menschen wie Ted Turner und viele andere Reiche gelegentlich sich mit großen Beträgen für soziale Belange engagieren, sind das einzelne Entscheidungen, die keine Verpflichtungen in sich bergen, auf die man sich berufen oder die man gar einklagen könnte

Eigenverantwortung heißt im aktuellen Kontext, Rechte aufzugeben oder gar nicht erst fordern zu können - und möglichst niemand anderem oder gar einer Gemeinschaft zur Last zu fallen oder Pflichten einzufordern. Normalerweise wird von Eigenverantwortung vor allem im Hinblick auf Individualisierung in einem wachsenden Raum von Optionen und Entscheidungsnotwendigkeiten gesprochen, weniger aber davon, wie dieser Raum durch soziale Regeln und Sanktionen geschaffen und aufrechterhalten wird, die die Eigenverantwortung natürlich beschränken. Natürlich eröffnet die Verselbständigung auch gleichzeitig mehr Freiheiten, wenn auch nur in einem Raum, der wirkliche und ergreifbare Entscheidungsoptionen enthält, die nicht für jedermann gleich sind. Man muß diese Platitüde explizit aussprechen, weil die große Freiheit und die Chance der Selbstverantwortung nicht gleich verteilt und abhängig von Kontexten und Herkünften sind. Das unterscheidet die wirkliche Welt noch immer vom idealen Spiel der freien Marktkräfte, die theoretisch jedem, bei gleichen Ausgangspositionen und gerechten Regeln auch eine gleiche Gewinnchance einräumen. Doch selbst wenn das Spiel von gleichen Ausgangsbedingungen aus begonnen werden würde, wird und muß es Verlierer geben, die dann selbstverantwortet, wenn sie freiwillig ihren Einsatz gemacht haben, zurückbleiben, was allerdings meist der nicht der Fall ist, denn Menschen werden in Spiele, deren Regeln sie nicht mit gesetzt haben, hineingeboren und finden sich ihnen vor.

Eigenverantwortung könnte zwar auch heißen, sich verantwortlich für andere und künftige Generationen zu machen, heutzutage hat die Rede von Eigenverantwortung jedoch eher die Färbung, niemand anderen für irgend etwas belangen oder sich auf andere verlassen zu können. Verdünnt auf den Abbau des Sozialstaates mit seinen Sicherheitssystemen und seinem idealen Solidaritätsprinzip unter der Devise des "schlanken Staates" meint die Forderung nach Eigenverantwortung denn auch meist letztlich, soweit für sich selbst um Sicherheiten Sorge zu tragen, daß man in Notfällen oder am Ende des Lebens Hilfe von anderen "eigenverantwortlichen" Institutionen, Unternehmen und Menschen kaufen kann, da die sozialen Netze zerbrechen.

Zum Thema der Eigenverantwortung ist gerade ein Sammelband erschienen, der versucht, deren unterschiedliche Aspekte abzuklopfen und in dem auch dieser Artikel in veränderter Form erschienen ist: Eigenverantwirtung. Positionen und Perspektiven. Herausgegeben von Bernd Neubauer. Licet Verlag. Autoren und Gesprächspartner u.a.: Gretchen Dutschke, Günter Harig, Heiner Keupp, Julian Nuda-Rümelin, Hans-Ulrich Reck, Alphons Silbermann, Konstantin Wecker.