Von Kimmichs Weigerung und Pfizers möglichem Foulspiel

Was in der Kimmich-Debatte falsch gelaufen ist, warum Glasgow deprimiert und welche Folgen Chinas Wachstum für die Umwelt hat. Die Telepolis-Wochenrückschau mit Ausblick

Liebe Leserinnen und Leser,

die Debatte um Impfungen hat eine seltsame Schlagseite eingenommen. Einerseits sprechen sich Fachpolitiker parteiübergreifend gegen eine Impfpflicht aus, zugleich aber wird der Gang zum Impfarzt zum moralischen Imperativ erhoben. Die Widersprüche zwischen der rechtlichen Rahmensetzung und der Freiheit des Individuums werden umso offensichtlicher, je näher die nächste Infektionswelle im Herbst und Winter rückt.

Wer nun noch desertiert und sich auf seine Entscheidungsfreiheit beruft, muss sich auf harten Gegenwind einstellen. Zeuge dieses Phänomens wurden wir zuletzt im Fall des Fußball-Nationalspielers, Joshua Kimmich. Telepolis widmete der Kimmich-Kontroverse mehrere Beträge.

Arno Kleinebeckel etwa kritisierte den Verlauf der medialen und politischen Debatte, in der individuelle Bedenken schlicht keine Rolle spielen dürfen, und führt auf Basis des Deutschen Ärzteblattes, der Nachrichtenagentur dpa und Fachinformationen des Paul-Ehrlich-Instituts Bedenken medizinischer Fachleute an. Vom persönlichen Standpunkt aus hatte zuvor die Autorin Daniela Dahn ihre Haltung und Fragen zur Impfkampagne skizziert.

Dass solche Einwürfe ungeachtet von Quellen und Argumenten inzwischen mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit als "Querdenker-Propaganda" oder "Schwurbelei" diffamiert werden, ist eine Folge des moralischen Impetus, mit dem gemeinhin für die Impfung geworben wird.

Und nicht falsch verstehen: In einer Zeit, in der die Intensivstationen mit Covid-Patienten zulaufen und die Johns-Hopkins-Universität im US-amerikanischen Baltimore weltweit mehr als fünf Millionen Corona-Tote zählt, ist die Berechtigung der Immunisierung unbestreitbar.

Telepolis-Autor Stephan Schleim wirft mit Blick auf die Solidaritätsfrage in der Corona-Krise und die Rolle Ungeimpfter gar die Frage nach einer obligatorischen Beteiligung erkrankter Ungeimpfter an den Behandlungskosten auf, "falls sie später wegen Covid-19 ins Krankenhaus müssen und sie sich das finanziell leisten können".

Aber es gibt angesichts der "Teleskopierung" medizinischer Studien zu den Vakzinen auch viele ernstzunehmende Fragen, die nicht bequem und geradezu antiaufklärerisch vom Tisch gewischt werden können. Dass sich die Verantwortlichen für die Corona-Politik dieser Auseinandersetzung zu wenig stellen, wird weiter ein Hemmnis für die deutsche Impfkampagne bleiben.

So bleibt die Debatte skurril: Der Pflegebeauftragte der Bundesregierung, Andreas Westerfellhaus, forderte Beschäftigte in Pflegeberufen Mitte dieser Woche etwa mit harschen Worten zur Corona-Impfung auf und führte eine "moralische Verpflichtung" an. Eine Impfpflicht aber will er nicht. Vielleicht weil sie aufgrund offener Fragen zur Impfkampagne und fehlender Daten, die ja immer wieder die Ständige Impfkommission befassen, rechtlich nur schwer durchsetzbar wäre?

Zwei Wochen Scheitern in Glasgow

So zäh sie die Impfkampagne in Deutschland verläuft, auch die globale Rettung des Klimas. Über unerträgliche zwei Wochen hinweg werden die Verhandlungen über eine internationale Strategie gegen die Erderhitzung – so viel ist jetzt schon klar – scheitern. Ein bisschen Baumschutz hier, einige Abkommen dort - der große Wurf wird wohl ausbleiben.

So bleibt die UN-Klimaschutzrahmenkonvention, die 1992 auf einem UN-Sondergipfel im brasilianischen Rio de Janeiro unterzeichnet worden war, ein zahnloser Tiger. Dabei haben, woran Telepolis-Experte Wolfgang Pomrehn erinnerte, "197 Staaten, also alle UN-Mitglieder und die Europäische Union, ratifiziert". Doch die wenigsten nahmen und nehmen die Pflicht zur Verhinderung gefährlicher Klimaveränderungen hinreichend ernst.

Stattdessen droht der Klimaschutz zu einem neuen Instrument in der Konfrontation der geopolitischen Blöcke zu werden, allen voran den USA und China. Telepolis berichtete in diesem Zusammenhang über ein Papier der US-Geheimdienste zu den Folgen von Klimawandel und Erderhitzung, das diese Phänomene als Gefahr für die nationale Sicherheit der USA bezeichnet.

"Nach unserer Einschätzung wird der Klimawandel die Risiken für die nationalen Sicherheitsinteressen der USA in einem zunehmenden Maße verschärfen", heißt es in dem Papier, das Geheimdienstkoordinatorin Avril Haines unlängst präsentierte und das Chinas Verantwortung hervorhebt.

Differenzierter Blick auf China

Das politische Framing dieser Debatte ist offensichtlich und sorgt für Widerspruch. Telepolis sprach auch darüber mit dem spanischen Journalisten Javier García, nach dessen Meinung westliche Medien voreingenommen über die asiatische Großmacht berichten.

García hatte bis vor ein paar Wochen das Büro der spanischen Nachrichtenagentur EFE in Beijing geleitet und sich aus Unmut über die Berichterstattung aus dem Journalismus verabschiedet, "zumindest vorübergehend", wie er schrieb.

Der Spanier sieht China auch in der Klimadebatte zu Unrecht an den Pranger gestellt. "Eine kürzlich durchgeführte Studie, in der mehrere Varianten berücksichtigt wurden, ergab, dass China insgesamt etwa halb so viel Umweltverschmutzung verursacht wie die USA", sagte er im Telepolis-Interview.

Dennoch birgt das rasante Wachstum Chinas in vielen Fällen erhebliche Umweltrisiken. Seit Jahren kreuzen chinesische Fischfangflotten vor den westafrikanischen Küsten "und holen alles aus dem Wasser, was sich in ihren Netzen verfängt", schreibt die Umweltjournalistin Susanne Aigner Telepolis. Aigner zitiert einen Aktivisten, nach dem alleine aus den drei gambischen Fischmehlfabriken jeden Tag 20 bis 40 Container mit rund 800.000 Kilogramm Fischmehl verladen werden.

Diese Themen werden bei Telepolis in dieser Woche weiter eine zentrale Rolle spielen, vor allem auch die UN-Klimakonferenz in Glasgow. Weiterhin lesen Sie bei Telepolis über einen aktuellen Bericht des Britisch Medical Journal, in dem es um mutmaßliche Manipulationen bei Impfstudien des Pharmakonzerns Pfizer geht.

Am Wochenende dann wird Telepolis-Autor Stefan Schroeter einen Blick auf die Folgen des Kohleausstiegs für Ostdeutschland werfen. Dort müssen die Vorsorgevereinbarungen für die langfristige Rekultivierung angepasst werden, so Schroeter: "Die finanzielle Vorsorge selbst ist noch eine Rechnung mit Unbekannten."

Ich wünsche Ihnen viel Spaß beim Lesen,

bleiben Sie uns gewogen, Ihr

Harald Neuber