Von Rassentheorie zu Reformpädagogik: Montessoris umkämpfter Weg

Seite 3: Der Montessori-Film: "wertige" Bilder, bekannte Darsteller

Wie Montessori wurde, was sie war, zeigt nun auch der italienisch-französische Spielfilm "Maria Montessori" von der Französin Lea Todorov.

Der Film ist eine klassische Filmbiographie und in seinem Stil mainstreamig im guten Sinn: Er ist leicht zugänglich, eingängig erzählt, oft mit Musik untermalt; mit edler Lichtsetzung und sorgfältig gestalteten Einstellungen entstehen "wertige" Bilder.

Filmbild: © Neue Visionen Filmverleih

Es gibt viele in ihren Heimatländern bekannte Darsteller, allen voran die hierzulande immer noch unterschätzte Italienerin Jasmine Trinca ("La Storia") in der Titelrolle.

Neben der Konzentration auf das berufliche Leben Maria Montessoris gibt es auch nicht zu wenig Romantik in dem Sinn, dass es hier immer wieder auch um die Liebesbeziehungen von Maria Montessori geht.

Zudem dreht sich ein Erzählstrang um ihren unehelichen Sohn – das war zu dieser Zeit ein durchaus handfestes Problem.

Der Film verbindet die reale Geschichte Montessoris mit der fiktiven von Lili d’Alengy (Leïla Bekhti), einer Pariser Edel-Kurtisane. Beide Frauen haben viel gemeinsam. Sie sind progressiv und revolutionär in den Zeiten viktorianischer (und katholischer) Gesellschaftsmoral.

Lili hat eine geistig behinderte Tochter. Sie schämt sich für sie und bringt sie in Montessoris ein Heim für behinderte Kinder. So wird Lili stellvertretend für uns zur Zeugin für Montessoris Methoden.

Eine Feministin

Aber in allererster Linie dreht sich der Film um die allgemeinen wie subjektiven Aspekte im Leben einer Frau dieser Epoche, der Zeit um 1900. Es geht also um die Emanzipation der Frau.

Gerade dieser Aspekt, dass Montessori auch eine Vorreiterin in vieler Hinsicht war – die erste Frau, die es durchsetzte, in Italien Medizin studieren zu dürfen – ist heute ein bisschen unterbelichtet. Davon habe ich bislang jedenfalls nichts gelesen.

Und dann erzählt der Film von Montessoris besonderer Zuwendung zu Behinderten und lernbeschränkten Kindern.

Der Film spielt hauptsächlich in der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg, bevor die Frau die berühmte Maria Montessori war, und ihre Pädagogik entwickelte; man darf dabei aber nicht vergessen, dass sie später auch vom Faschismus bereits sehr früh ins Exil getrieben wurde.

Dies ist vor allem wichtig, und sollte nicht vergessen werden, wenn jetzt manche – vor allem aus jenen erzkatholischen und stockkonservativen Kreisen, die schon immer gegen Reformpädagogik gewesen sind – darauf aufmerksam machen, dass Montessori auch vom Rassedenken und eugenischem Gedankengut ihrer Zeit beeinflusst war.

Denn dann ist festzuhalten, dass die Faschisten, die ja Rassisten waren, mit Montessori offenbar nicht viel anfangen konnten. Dies auch weil Montessori ja eben Behinderte und eingeschränkte oder lernbehinderte Menschen gleich behandelt hat, Menschen, die nach dem Rassedenken "lebensunwertes Leben" waren.

Kein Dokumentarfilm

Lea Todorovs Film ist kein Dokumentarfilm. Zugleich ist es so – soweit der Rezensent (mit abgeschlossenem Geschichtsstudium, aber klarerweise kein Montessori-Experte) dies in den wenigen Tagen, die zur Vorbereitung einer solchen Filmkritik bleiben, überprüfen konnte – dass hier alles auf belegbaren Tatsachen fußt.

Der Film ist erstaunlich nüchtern, insofern er die Fakten einordnet und in einen historischen Zusammenhang stellt. Todorov versucht, Maria Montessori aus ihrer Zeit zu verstehen, nicht aus unserer Gegenwart.

Die Regisseurin interessiert sich ganz offensichtlich in erster Linie für die historische Figur, und auch für Montessoris neuen Ansatz der Kinder-Pädagogik – es geht Todorov dabei gar nicht darum, nur eine strahlende Heldinengeschichte zu erzählen. Sie erzählt auch die Schattenseiten.

Aber dies ist schon ein Film, der einem breiten Publikum eine ungewöhnliche und auch etwas vergessene Frau nahe bringen will und dafür alle filmischen Register zieht.