Von der Lust, vernetzt zu sein

Seite 4: Strange Days oder Reality-VR

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Die Phantasie ist natürlich immer einen Schritt voraus, um die Zukunft vorwegzunehmen und sich darauf einzustellen. Derzeit schaut sie nicht nur gebannt auf die Jahrtausendwende und auf die Auflösungserscheinungen der Industriegesellschaft, sondern auch auf den Übertritt ins postbiologische Zeitalter, auf die Verwandlung der Menschen in Cyborgs und auf neue Schnittstellen der Computersysteme mit dem Körper. Nur Science Fiction ist das bereits nicht mehr.

Überall auf der Welt forschen Wissenschaftler derzeit über Möglichkeiten, wie sich eine dauerhafte Kopplung des Gehirns mit dem Computer realisieren läßt. Es geht zunächst um die Ersetzung von geschädigten kognitive Funktionen, um Neurochips wie Hör- oder Sehprothesen oder um die Abnahme und Interpretation von Hirnwellen. Damit lassen sich die Aktivität bestimmter Hirnareale bei bestimmten Tätigkeiten analysieren und visualisieren. Wenn sie hinreichend genau differenziert und interpretiert werden, dann lassen sich auch allein durch die Auslösung bestimmter Hirnwellen, die man durch Feedback-Verfahren erlernen kann, Befehle an den Computer geben. Bislang kann man mit seinen Hirnwellen nur schlecht und recht einen Cursor über einen Bildschirm steuern oder es lassen sich Aktivitätszustände des Gehirns oder bestimmter Areale aufzeichnen. Gleichwohl ist die Schnittstelle Gehirn-Computer eine der zentralen Herausforderungen der Computertechnologie.

Haben Sie nicht Lust, mal richtig die Sau rauszulassen? Alles das, wovon Sie bisher nur geträumt haben ... wie's wohl sein mag, in der Haut eines anderen zu stecken, und sei's nur für zwanzig Minuten? In der Haut eines Typen, der mit der Magnum in der Hand den Schnapsladen ausräumt, das Adrenalin in seinen Adern zu spüren, den Nervenkitzel, die wahnsinnige Angst - zu fühlen, wie es einem heiß und kalt den Rücken runterläuft. Oder in der Hut des Typen mit der heißen Philippina als Freundin, zwanzig Minuten lang ... die richtigen zwanzig Minuten, versteht sich.

James Cameron

Ein neuer Einfall ist es also bestimmt nicht, den James Cameron, der Drehbuchautor von "Terminator", ins Zentrum seines neuen, von Kathryn Bigelow verfilmten Buchs "Strange Days" stellte, weswegen er in seinem Vorwort vielleicht nachdrücklich darauf hinweisen mußte, daß er ihn schon Mitte der 80er Jahre hatte. Aber sei's drum: die Verbindung der VR- mit der Neurotechnologie wird von ihm gleichwohl bis ins Extrem durchgespielt. Den Charme des Buches macht wohl auch aus, daß seine Handlung nicht irgendwann spielt, sondern in naher Zukunft. Genauer gesagt, es beginnt am 30.12.1999, kurz vor Ende des Jahrtausends, in Los Angeles, der Modellstadt der Zukunft, deren Ordnung auseinanderfällt, in der Gewalt, ein Bürgerkrieg von jedem gegen jeden herrscht, fast jeder jeden verrät und die Branche der Sicherheitsdienste in voller Blüte steht. Wer es kann, verbarrikadiert sich in seinen Häusern und Wohnvierteln, während eine neue High-Tech-Droge, natürlich ursprünglich aus dem James-Bond-Arsenal der Geheimdienste stammend und wie einst VR nun auch für Unterhaltungszwecke vermarktet, für das notwendige Stimulans im Hotel am Abgrund sorgt.

Man muß es einfach erlebt haben. Darauf kommt es an im Leben. Dabeisein ist alles. Genau darum geht's. Man ist dabei. Man ist selbst aktiv, man sieht, hört ... fühlt.

James Cameron

Mit einem SQUID (Supercomputing QUantum Interference Device) ist es möglich, die Erlebnisse einer Person mit ihrer individuellen Wahrnehmung und Emotionen detailgetreu aufzunehmen und diese "kortikalen Mitschnitte" dann wieder in das Gehirn eines anderen Menschen einzuspeisen, der sie nun als die seinen erlebt. Störungen aus der realen Umwelt können das Eintauchen in die Erlebniswelt eines anderen natürlich stören, weswegen sie tunlichst ausgeblendet werden müssen. So müssen diejenigen, die den SQUID zur Aufnahme tragen, beispielsweise möglichst vermeiden, sich in einem Spiegel zu verdoppeln. Denn dann wird der Nacherlebende jäh aus der Simulation gerissen, weil er merkt, daß es nicht er ist, der sich vor dem Spiegel befindet.

Der mit dem SQUID in die Virtuelle Realität einziehende Realismus ist nicht nur ein Ersatz für fehlende Erlebnisse - endlos trauert beispielsweise Lenny immer wieder den Erlebnissen mit seiner Freundin nach, die in verlassen hat -, sondern er unterliegt auch dem medienimmanenten Zwang zur Steigerung der Sensationen, in die man mitgerissen und hineingezogen wird. Erfahrungen der Gewalt, der sexuellen Enthemmung, des Todes sind wie bei allen Medien die Renner der Reality-VR, die man durch die Wiedergabe der Aufzeichnungen eines beteiligten Zeugen nacherlebt.

Iris sieht sich selbst mit den Augen des Trägers ... ihre aufgerissenen Augen, ihre bleichen Lippen, ihr verheultes Gesicht. Sie ist ihm hilflos ausgeliefert, fühlt dasselbe wie er.

James Cameron

Wegen der gar nicht beabsichtigten Aufzeichnung der Ermordung eines bekannten schwarzen Rapsängers durch Polizisten - Rodney King läßt grüßen - kommt die reichlich blutrünstige und ziemlich banale Geschichte in Gang. Der heruntergekommene ehemalige Polizist und jetzige High-Tech-Drogendealer Lenny wird allmählich zum strahlenden Helden, der zusammen mit einer Bekannten und der sich parallel mit ihr entwickelnden kitschigen Romanze das Verbrechen aufdeckt und die Bösen jagt, deren einer natürlich derjenige ist, an den er seine große Liebe verloren hat. Bei Anbruch des Jahres 2000 gibt es natürlich hollywoodgemäß für Lenny und seine Freundin ein Happy End, nachdem die Verwendung des SQUID einen Höhepunkt erreicht hat. Die Zeugin des Mordes wird nämlich schließlich von dem Bösen, der seine Tat mit einem SQUID aufzeichnet und der ein vermeintlich naher Freund Lennys ist, überfallen. Nachdem er sie in seiner Gewalt hat, zieht er ihr ebenfalls eine mit seinem SQUID verbundene Sensorkappe über, so daß sie ihre Vergewaltigung und anschließende Ermordung gleichzeitig mit ihrer Demütigung und Angst aus dessen Perspektive, aus seiner Lust und seinem Orgasmus heraus erleben muß. Und die Aufzeichnung dieser Tat wird natürlich wieder von jedem aus der Ich-Perspektive erfahren, der dadurch zum virtuellen Vergewaltiger und Mörder wird. Eine monströse Szene, die das Prinzip der Reproduktion genial ausspielt, aber in der oberflächlichen, nur aus Stereotypen bestehenden Geschichte und ihrem seltsamen Gemisch aus erhobenem Zeigefinger gegenüber den verderblichen, in die Realität umschlagenden Konsequenzen einer solchen Technik und der Faszination an ihr verschenkt wird. "Strange Days" beschäftigt sich zwar mit der Schnittstelle zwischen dem Realen und Simulierten, doch das Simulierte ist nur ein Abbild, eine Art Film oder Reality-TV und derjenige, der die Simulation erlebt als wäre sie seine Erfahrung, ein Einsamer, in seiner Höhle Eingesperrter, von der Umwelt Abgeschlossener.

Virtuelle Realität oder Telepräsenz geht zwar einher mit dem Ausschluß der Nahumgebung, denn das Eintauchen in die virtuelle Welt setzt normalerweise die Ausblendung des Raums voraus, in dem sich der Angeschlossene mit seinem Körper befindet. Von der Überblendung beider Räume wollen wir hier nicht sprechen, denn diese dient, wie bei einem Jetpiloten, meist nur als Mittel, sich in einem unbekannten oder von den menschlichen Wahrnehmungsorganen nicht erfaßbaren Raum zu orientieren.

Bislang jedenfalls gleichen die Schnittstellen mit dem virtuellen Raum eher Ritterrüstungen, die man sich überzieht und die das Gefühl der Immersion nur dann erzeugen können, wenn beide Räume sich nicht überschneiden, auch wenn Wahrnehmung und Restkörper dissoziiert sind, man sich also gleichwohl gleichzeitig in zwei Räumen aufhält. Wenn man an Erotik oder gar Sexualität im Televirtuellen denkt, dann spielt eine große Rolle, wie weit man seinen Körper in den virtuellen Raum hineinbringen kann, wie weit also die herkömmliche Erfahrung des Imaginären als Einweg-Fenster, durch das man sieht und hört, sich in eine Tür verwandelt, durch die man eintreten kann. Aber die simulierte Welt, in die man eintritt, ist eben nicht nur eine Reproduktion oder Verdopplung der ersten Welt, denn hier hat man die Chance, gleichzeitig eine körperliche Intimität in Echtzeit mit einem anderen zu realisieren und als ein anderer aufzutreten, als eine Maske, die nicht gelüftet werden kann - absolute Fremdheit und Intimität, folgenloser Sex, der ganz zum Spiel wird, reine Verführung und ein masturbatorischer Orgasmus mit einem anderem, der möglicherweise auch gar kein Mensch mehr sein muß, sondern nur noch ein virtueller Agent: eine virtuelle Marylin Monroe oder Klaudia Schiffer oder einfach ein Programm, das sich auf die individuellen Wünsche einstellt.