"Von einer Krise wird heute nicht gesprochen"

Münchner Medientage 2004: Heiße Hunde und kalte Kriege

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Es geht zwar nach wie vor drunter und drüber in den Medien, aber zumindest in München ist die Welt wieder in Ordnung

Der bayrische Ministerpräsident Dr. Edmund Stoiber kann gut lachen dieser Tage: Premiere bleibt nun doch in München und wird sogar die noch über Deutschland verstreuten Konzernteile nachholen, obwohl andere Städte dem Pay-TV-Konzern attraktive Angebote für einen Umzug gemacht hatten – "und zwar aus dem von Bayern gezahlten Länderausgleich", wie Stoiber zur Elefantenrunde zur Eröffnung der Münchner Medientage 2004 gleich ergänzte. Auch sonst entwickle sich der Medienstandort München positiv: Die Münchner Hochschule für Film und Fernsehen bekommt nicht nur einen neuen Webserver, sondern auch einen Neubau gegenüber der Pinakothek zusammen mit dem staatlichen Museum ägyptischer Kunst.

Das Digitalradio DAB ist seit 10 Jahren da – und das digitale Fernsehen DVB-T kommt am 31. Mai 2005 nach Bayern (Bild: W.D. Roth)

Wenn es nicht um Gebäude, sondern Technik geht, wird es dagegen schon kniffliger: Weil Stoiber ein Gegner der ursprünglich geplanten Rundfunkgebührenerhöhung von mehr als zwei Euro ist und der Intendant des bayrischen Rundfunks Dr. Thomas Gruber ihn dabei ungehörigerweise durch Überprüfen auf Sparmaßnahmen im eigenen Haus unterstützt habe, rächten sich Südwestrundfunk und westdeutscher Rundfunk dadurch, dass sie in Kürze aus dem gemeinsam finanzierten Institut für Rundfunktechnik in München-Freimann ausstiegen. Dann hätte wieder jede öffentlich-rechtliche Landesrundfunkanstalt ihr eigenes Forschungsinstitut, was zwar im Endeffekt weit mehr Geld kosten würde – aber zunächst einmal Arbeitsplätze der ungehorsamen Bayern. Doch während ZDF-Intendant Prof. Markus Schächter meinte, man trete nun in eine heiße Phase des kalten Krieges, korrigierte Focus-Chefredakteur Helmut Markwort

Fritz Pleitgen und Peter Voss sind heiße Burschen, da gibt es keinen kalten, sondern einen heißen Krieg!

Mit der Digitalisierung klappt es auch nicht überall wie gewünscht: Während Premiere seit einigen Jahren nur noch digital sendet und nun auch DVB-T kommen soll, gehe beim Radio nichts voran: In Großbritannien waren Ende 2003 500.000 DAB-Empfänger verkauft, bis Ende diesen Jahres soll es eine Million werden, bei uns wolle die ARD dagegen den mit der neuen Technik möglichen Wettbewerb verhindern, so Stoiber. In dem Punkt hat sich in drei Jahren also nichts wirklich verändert, denn schon 2001 stand der damalige ARD-Vorsitzende Fritz Pleitgen auf dem Standpunkt, DAB sei schlecht für die ARD, da es Sendeenergie und somit Kosten spare, die ARD sich jedoch weiter die 100-Kilowatt-UKW-Sender leisten könne und Kostenersparnisse somit nur den privaten Sendern entgegenkämen.

Ministerpräsident Stoiber hatte sich – im Gegensatz zu früheren Fernsehauftritten – offensichtlich medial freigeschwommen: Kein "Äh" und keine Unsicherheit war mehr vorhanden. Und auch wenn er sich ausdrücklich für das duale Rundfunksystem (öffentlich-rechtliche und private Sender) aussprach, betonte er "die Finanzierungsgarantie ist kein Blankoscheck". Kritikpunkte der Gebührenverschwendung im öffentlich-rechtlichen Rundfunk seien beispielsweise die Altersversorgung, durch die mancher Rundfunkpensionär eine höhere Rente bekäme, als er zu seiner aktiven Zeit als Gehalt bezogen habe. Auch werde Sport in den öffentlich-rechtlichen Sendern an manchen Tagen von morgens bis abends gesendet – Kinderprogramm, Dokumentationen und Spielfilme würden dafür ersatzlos gestrichen. Doch gerade die Sportsendungen verursachten nach Auskunft der KEF die meisten Erstsendungsminuten und die höchsten Programmkosten. Dafür wolle die ARD – wenn auch nicht das ZDF – nun politische und kulturelle Magazine in die Nacht oder auf Spartenkanäle verdrängen, was RTL mit Spiegel TV dagegen nicht vorhabe. Bei Premiere gingen übrigens auch 42 Prozent der Ausgaben an die Bundesliga, wusste Dr.Kofler zu berichten.

Die BBC wolle die Fixkosten um 4 Prozent senken, ARD und ZDF verkaufen dagegen die kommende Erhöhung wie eine Senkung, wie Jürgen Doetz, Vorsitzender des VPRT anmerkte, obwohl ihre Kosten weit höher lägen als die der BBC. Da die BBC aber sogar mehr Mitarbeiter habe, gingen die Sparmaßnahmen dort also nicht auf Kosten der Mitarbeiter, zitierte Stoiber die bekannte Studie von Screen Digest und Goldmedia. 60 öffentlich-rechtliche Radioprogramme und 22 öffentlich-rechtliche Fernsehprogramme seien Über- und nicht Grundversorgung.

Saß nicht mehr steif vor der Kamera: Edmund Stoiber (Bild: W.D. Roth)

Auch die Schleichwerbung im öffentlich-rechtlichen Rundfunk müsse eingedämmt werden. Thomas Gottschalk argumentiere zwar, sechsstellige Stargagen seien nicht mehr aus Rundfunkgebühren finanzierbar, doch sei es nicht einzusehen, warum der öffentlich-rechtliche Rundfunk überhaupt solche Gagen zahlen solle, nur damit diese Künstler ihr neues Buch oder ihre neue Platte im Fernsehen präsentieren können.

Die bislang eher kritisierte KJM und ihr Vorsitzender Dr. Wolf-Dieter Ring wurden dagegen erstmals gelobt, weil sie ihre Aktivitäten nun deutlich mehr dem Fernsehprogramm widme. Grund für diesen Stimmungswandel waren die aktuellen Vorfälle im Big-Brother-Container und Dr. Ring, der bereits einen Ruf als Oberzensor bekommen hatte, musste sich nun im Gegenteil verteidigen, warum er die Sendung nicht gleich komplett verboten habe:

Wir halten die Spielregeln ein; nicht jeder Verstoß ist ein Versagen der KJM. Wir müssen aufpassen, dass wir in einem Rechtsstaat mit freier Rundfunklandschaft nicht überziehen!

Daraufhin drehte sich die Diskussion eine Weile um dieses Thema und Edmund Stoiber fragte:

Gibt es denn bei den privaten Sendern keine kreativen Köpfe, die mehr drauf haben, als Leute in ein Camp zu sperren, mit der Kamera drauf zu halten und zu sehen, was passiert?

Dabei seien diese strittigen Formate nicht einmal der große kommerzielle Erfolg, da sie trotz guter Zuschauerquote werbetechnisch nur zu 30 Prozent gebucht würden, so Dr. Herbert Kloiber von Tele 5. Dr. Georg Kofler platzte schließlich mit den Worten "Schluss mit der Debatte, wir wollen nun keine Gutmenschendiskussion führen!" der Kragen, die für die Sendung der Entgleisungen verantwortlichen Redakteure seien ja schließlich gefeuert, die Sendezeit um 2.30 nachts gewesen und die Sendung zudem Tag und Nacht mit einer Jugendschutz-Vorsperre versehen gewesen.

Da Stoiber seinen früheren Fauxpas nicht mehr aussprach, dass ARD und ZDF ausgerechnet die Kulturkanäle Arte und 3sat zusammenführen solle, also hier einen Kanal streichen sollte, bekam er donnernden Applaus – nur ein einsamer Kritiker brüllte "Buuuuh – Demagoge!!!" Der Intendant des norddeutschen Rundfunks und ARD-Versitzende Jobst Plog war dem Mediengipfel dagegen dieses Jahr ferngeblieben, ihm waren die neun Minuten Redezeit pro Teilnehmer zu wenig und die Tiere des Elefantengipfels nicht mehr groß genug. Es wäre aber ohnehin sein letzter Auftritt gewesen, denn Intendant Gruber vom bayrischen Rundfunk wird zum 1. Januar 2005 den ARD-Vorsitz übernehmen. Auch Gerhard Zeiler ist übrigens nur noch 11 Tage RTL-Chef. Prof. Markus Schächter, nun seit 2 1/2 Jahren ZDF-Intendant, schimpfte:

Viele der privaten Programmierer haben noch nicht gerafft, dass wir nicht mehr in einer Spaßgesellschaft leben und wieder mehr Information gefragt ist.

Verleger Dr. Hubert Burda sprach sich für Spartenprogramme aus:

General Interest bekommt keine Werbung mehr und wird dem Weg von Karstadt und Opel folgen.

doch dann spielte er mangels technischer Detailkenntnisse dem Gegner in die Hände, der nur zu gern den Internet-Zugang rundfunkgebührenpflichtig machen will, als er verkündete, der neue Aldi-Notebook könne über WLAN alle Satellitenprogramme empfangen…

Zur Diskussion, ob nun DVB-S (digitaler Satellitenempfang), DVB-C (digitaler Kabelempfang) oder DVB-T (digitaler Empfang über Antenne) die Technik der Zukunft sei, war Dr. Kofler schon einmal klar gegen DVB-T, da es subventioniert werde und kein Premiere übertragen werde. Markus Schächter schloss dagegen logisch:

Satellit ist die Erfolgsstory, da Kabel unter der Erde liegt, als sei es schon eine Leiche.