Warum zahlen auch Atheisten Millionen für Kirchen in Deutschland?
In Deutschland fließen Steuermillionen an Kirchen – und auch Atheisten müssen zahlen. Der Grund sind die Staatsleistungen. Wann werden sie abgeschafft?
Auch in diesem Jahr können sich die Kirchen in Deutschland über einen Geldsegen freuen. Über 618 Millionen Euro erhalten sie aus Steuermitteln – nicht nur von den Gläubigen, sondern von allen Steuerzahlern, auch von denen, die in den Kirchen vielleicht nur ein Relikt aus dem Mittelalter sehen.
Kirchen in Deutschland: Ein Geldsegen aus Steuermitteln
Grund dafür sind die Staatsleistungen, die die Bundesländer sowohl an die evangelische als auch an die katholische Kirche zahlen. Erstere erhält in diesem Jahr rund 364 Millionen Euro, letztere 254 Millionen Euro. Die Zahlen stammen von der Humanistischen Union (HU), die die Haushaltspläne der Bundesländer ausgewertet hat.
Bis auf Hamburg und Bremen haben sich alle Bundesländer verpflichtet, die Kirchen auf diese Weise zu alimentieren. Die ostdeutschen Länder zahlen erst seit dem Beitritt zur Bundesrepublik – und das, obwohl die Kirchen dort besonders wenige Mitglieder haben.
Die Finanzierung: Wie werden die Staatsleistungen berechnet?
Die Staatsleistungen werden aus dem Steueraufkommen finanziert und steigen jährlich. In diesem Jahr sind es rund 2,7 Prozent, wie die HU errechnet hat. Der Anstieg hängt mit der regelmäßigen Erhöhung der Beamtengehälter zusammen und ist unabhängig von den stetig sinkenden Mitgliederzahlen der Kirchen.
Zum Vergleich: 1970 wurden nach HU-Angaben lediglich 122 Millionen Euro an die beiden Kirchen gezahlt. Damals waren noch rund 91 Prozent der Westdeutschen Kirchenmitglieder. Heute erhalten die Kirchen etwa das Fünffache bei einer Mitgliederquote von nur noch 47 Prozent. Seit 1949 haben die Kirchen damit rund 21,3 Milliarden Euro erhalten.
Die Humanistische Union erklärt dazu:
Diese Summe ist nicht zweckgebunden und unabhängig von der Kirchensteuer sowie zusätzlichen Finanzmitteln aus staatlichen Zuwendungen an die Kirchen für soziale und karitative Zwecke.
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Die Staatsleistungen beruhen auf alten Rechtstiteln, die bisher von niemandem, auch nicht von den Kirchen, genauer benannt und beziffert wurden. Die deutschen Verfassungen fordern seit 105 Jahren die Ablösung der Zahlungen.
Verfassungsauftrag: Ablösung der Staatsleistungen
Sowohl die Weimarer Reichsverfassung von 1919 als auch das Grundgesetz von 1949 sehen die Ablösung der Staatsleistungen vor. Doch dieser Verfassungsauftrag wurde bisher von den Regierungen und Parlamenten in Bund und Ländern ignoriert.
Die Ampelkoalition hat zwar im Koalitionsvertrag 2021 versprochen, einen fairen Rahmen für die Ablösung der Staatsleistungen zu schaffen. Bisher gibt es aber weder einen Gesetzentwurf noch sind Überlegungen der Bundesregierung bekannt, wie dieses Versprechen umgesetzt werden soll.
Die Ministerpräsidentinnen und -präsidenten der zahlungspflichtigen Länder haben schon vor einem Jahr einmütig ihre Absicht bekundet, sich einer Ablösung der Staatsleistungen auch weiterhin zu widersetzen. Es sieht also danach aus, dass die Bürgerinnen und Bürger damit zu rechnen haben, auch weiterhin die Kirchen – entgegen dem Verfassungsauftrag – alimentieren zu müssen.
Humanistische Union
Historischer Hintergrund: Warum gibt es Staatsleistungen?
Die Staatsleistungen an die Kirchen in Deutschland gehen auf die Säkularisation und Mediatisierung zu Beginn des 19. Damals wurden viele kirchliche Territorien und Besitztümer enteignet und aufgehoben, wodurch die Kirche einen großen Teil ihres Vermögens verlor.
Zum Ausgleich verpflichtete sich der Staat zu dauerhaften Zahlungen an die Kirchen. Umfang und Art der Staatsleistungen sind von Bundesland zu Bundesland unterschiedlich und können sowohl Geld- als auch Sachleistungen umfassen.
Kontroverse: Sollten die Staatsleistungen abgeschafft werden?
Zunehmend wird die Abschaffung der Staatsleistungen diskutiert. Kritiker sehen darin einen Verstoß gegen das Prinzip der Trennung von Staat und Kirche. Befürworter betonen hingegen, dass sie einen wichtigen Beitrag zur Finanzierung kirchlicher Aktivitäten in Bereichen wie Bildung und Soziales leisten.
Trotz all dieser Zahlungen nimmt die Bedeutung der Kirchen in Deutschland weiter ab. Der Mitgliederschwund hat sogar dazu geführt, dass Katholiken und Protestanten enger zusammenarbeiten wollen, berichtet die Deutsche Presse-Agentur (dpa). Warum aber Atheisten dieses Treiben mit ihren Steuergeldern finanzieren müssen, bleibt ein Rätsel.
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