Was kostet der Irak-Krieg?

Nach Berechnungen ein bis zwei Billionen US-Dollar

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Der Krieg im Irak würde praktisch nichts kosten, hieß es vor dem Einmarsch von der US-Regierung, die mit der von ihr gesammelten Koalition der Willigen sich über alle Bedenken hinwegsetzte und das Recht des Stärkern für sich reklamierte. Schon damals gab es Warnungen, dass ein solcher Krieg Hunderte von Milliarden Dollar, wenn nicht zwei Billionen kosten könnte (Irak-Krieg kann die USA zwischen 100 Milliarden und 1,9 Billionen US-Dollar kosten). Ein Artikel in der New York Times erinnert daran und versucht darauf hinzuweisen, was man hätte stattdessen mit dem Geld machen können – und will damit wohl auch einen Beitrag gegen den Plan des Weißen Hauses leisten, die Truppen im Irak zu verstärken.

Gerade einmal 50 Milliarden sollte der Krieg den amerikanischen Steuerzahler kosten, versuchten das Pentagon und das Weiße Haus im Jahr 2002 den Bürgern ihren durch Lügen und Täuschungen begründeten militärischen Regimewechsel den Bürgern schmackhaft zu machen. Lawrence Lindsey, der Wirtschaftsberater des Weißen Hauses, sprach von 100-200 Milliarden US-Dollar und machte sich durch diese hohe Zahl im Weißen Haus schon unbeliebt (Kriegskosten sind Peanuts).

Nach dem Sturz Husseins würde das geknechtete Volk den Befreiern zujubeln, sich schnell in eine amerikafreundliche Demokratie verwandeln und die ganze Region für den Westen und seine wirtschaftlichen Interessen erschließen. Die Peanuts von 50 Milliarden, so suchte man weiterhin das gegen einen großen Teil der Weltöffentlichkeit durchgesetzte Unternehmen anzupreisen, wären schnell wieder in der Kasse, da Irak ja gewaltige Ölressourcen habe und damit seinen Wiederaufbau, von dem die Unternehmen in den USA und anderen befreundeten Ländern profitieren würden, selbst bezahlen könne. "Bei jedem plausiblen Szenarium ist", so versicherte damals Lawrence Lindsey, "der negative Effekt relativ klein gegenüber den wirtschaftlichen Vorteilen, die von einem erfolgreichen Ausgang des Kriegs ausgehen." Lindse

Der von der Koalition der Willigen unternommene Regimewechsel hat nun nicht nur die ganze Region in Brand gesetzt, sondern überhaupt erst den Terrorismus in der Region angeheizt und führt womöglich zu einer neuen Konfrontation mit dem Iran. Zudem hat der Krieg auch gewaltige Kosten verursacht, von denen natürlich auch Teile der amerikanischen Wirtschaft, vor allem Rüstungskonzerne und Sicherheitsunternehmen, profitiert haben.

Noch vor dem großen "Surge" kostet jeder Tag im Irak nach der Berechnung der mit dem konservativen American Enterprise Institute (AEI) verbundenen Wirtschaftswissenschaftlers Scott Wallsten und Katrina Kosec, 300 Millionen US-Dollar, wenn man den Gehältern der Soldaten und Söldner über der Sprit und den Wiederaufbau bis hin zur Munition und zum Kriegsgerät einberechnet, aber auch die Folgen von Verletzungen, Produktivitätseinbußen durch den Einsatz der Nationalgarde und zudem Einsparungen einberechnet. Bis 2015 könnte so der Krieg sich für die USA – nach einer mittleren Einschätzung - auf 670 Milliarden an direkten Kosten aufsummieren, andererseits rechnen die beiden Wirtschaftswissenschaftler auch mit Einsparungen bzw. vermiedenen Kosten von bis zu 120 Milliarden. Dazu kommen freilich noch die Kosten, die dem Irak, den Koalitionsmitgliedern und der Weltgemeinschaft zukommen, woraus sich die 1,2 Billionen ergeben würden.

Nach einem Bericht des parteiunabhängigen Informationsdienstes des Kongresses hat der "Globale Krieg gegen den Terror", also Einsätze im Irak, in Afghanistan und anderswo, aber auch damit zusammenhängende Ausgaben zur Sicherung von Truppenstützpunkten und Botschaften, Auslandshilfen, Wiederaufbau etc., allein im Haushaltsjahr 2006 437 Milliarden Dollar Steuergelder verschlungen. Über 90 Prozent kommen direkt dem Pentagon zu (Der Irak-Krieg kostet in der Woche zwei Milliarden Dollar).

Natürlich sind solche Zahlen mit großer Vorsicht zu genießen, weil sie von vielen Variablen und manchen Spekulationen abhängen. Die realen Kosten wird man wohl nie wirklich erfassen können (Teurer als der Vietnam-Krieg). Linda Bilmes und Joseph Stiglitz kamen mit der Berücksichtung anderer Kosten in einem Bericht von Ende 2006 – ohne Berücksichtung von Zinszahlungen – schon auf 2,2 Billionen Dollar bis 2016 – nur für die USA. Direkte Kosten für den US-Steuerzahlen würden hier bei 1,4 Billionen liegen. Wären bis 2010 alle Soldaten abgezogen, bei einer Billion. Einberechnet wurden zu den Kosten, die über die direkten Haushaltskosten hinausgehen, etwa auch die ökonomischen Verluste für die US-Gesellschaft, die durch den Tod oder durch Verletzung der US-Soldaten entstehen. Für den Irak müsste man zudem, wie Bilmes und Stiglitz sagen, eigentlich auch die Zehntausenden von Irakern hinzurechnen, die seit 2003 getötet wurden. Und dazu kommen die makroökonomischen Kosten beispielsweise durch den gestiegenen Ölpreis (Ätzende Abrechnung mit dem Irakkrieg).

Man kann sich natürlich fragen, was solche Kostenberechnungen auf unsicherem Grund mit äußerst vagem Ergebnis eigentlich aussagen – oder aussagen sollen. Die Bush-Regierung hatte allerdings den Krieg auch ökonomisch gerechtfertigt – und die Kosten für die von der Regierung zu verantwortende Entscheidung müssen alle US-Bürger (und die ganze Welt) tragen. Den Menschen im Irak ging es unter der Diktatur Husseins, den Zerstörungen durch den von ihm durch den Einmarsch in den Kuwait ausgelösten Krieg und den verhängten Sanktionen sowieso schon schlecht. Jetzt werden 100 Menschen am Tag gewaltsam getötet, noch mehr verletzt oder verstümmelt, liegt die Wirtschaft darnieder und herrschen Angst, Korruption, Gewalt und Arbeitslosigkeit. Lässt sich die Befreiung von Hussein mit den Folgen von dieser gegeneinander aufrechnen?

David Leonhardt von der New York Times hat einen Versuch gemacht, die Kosten für die Amerikaner zu veranschaulichen, was sich auch gut daran zeigen kann, was man mit dem Geld hätte machen können, wenn es nicht in den Krieg geflossen wäre (woran, man muss es wiederholen, nicht wenige Unternehmen und ihre Angestellten auch direkt und indirekt profitieren). Leonhardt geht von den 1,2 Billionen aus, die Wallsten und Kosec für ihre mittlere Schätzung berechnet haben. Mit den 200 Milliarden, die jährlich der Irak-Krieg kostet, hätte man – ebenfalls jährlich berechnet – u.a. die Krebsforschung verdoppeln, alle Amerikaner medizinisch behandeln, eine Vorschule für alle Drei- und Vierjährigen in den USA und eine globale Impfkampagne für Kinder durchführen lassen, die Millionen von Menschenleben gerettet hätte.

"Dieser Krieg", so sagt Wallsten, der den konservativen Kreisen angehört, "hat unser Denken über Ressourcen beeinträchtigt. Im Kontext eines Krieges sind 20 Milliarden nichts." Der von Bush geplante "Surge" im Irak könnte leicht diese Summe kosten, die dann wieder nur militärisch ausgegeben würde und ebenso wie das vielen Milliarden bislang verpuffen könnten, während sich alternativ ganz anderes damit machen ließe. Aber solche Anregungen sind natürlich auch sehr naiv. Investitionen in Rüstung, Krieg und militärische Überlegenheit sind für bestimmte wirtschaftliche und politische Interessen, die insbesondere in der Bush-Regierung Hand in Hand gehen, durchaus ihr Geld wert. Hätte sich die Bush-Regierung ohne den Krieg in eine zweite Amtszeit retten können, wenn sie beispielsweise stattdessen das US-Gesundheitssystem reformiert oder die Armut im Land bekämpft hätte? Der Krieg war ein Medienspektakel, er hat zunächst die Nation vereint, die Regierung gestärkt und die Gewinne für die Rüstungskonzerne sprudeln lassen. Dafür hat er aber auch die Glaubwürdigkeit der US-Regierung und das Image der USA mitsamt ihrer Industrie äußerst beschädigt. Auch das müsste man ebenso wie viele andere Faktoren in Rechnungen einfließen lassen.

Dass solche Kostenrechnungen aber letztlich nicht die Politik wirklich bewegen, würde aber wohl auch heißen, dass die Menschen – abgesehen von den jeweiligen Profiteuren - nicht rational entscheiden, also dass die wirtschaftliche Vernunft im Gegensatz zu dem, was die Ideologen immer erzählen, nicht die Welt regiert, sondern vielleicht doch eine Ökonomie der Verausgabung – bis hin zum eigenen Untergang, was man auch an der Klimadebatte verfolgen könnte.

Telepolis ist Medienpartner der transmediale07, die unter dem Motto "unfinish!" vom 30.1. – 4.2. in Berlin stattfindet. Hingewiesen sei in diesem Zusammenhang auf eine Veranstaltung am 2. Februar zum Thema Die Medienlandschaft im Irak (in Zusammenarbeit mit Media in Cooperation & Transition und der Friedrich-Ebert-Stiftung). Unter der Leitung des Moderators Klaas Glenewinkel diskutieren Saad Saloum, Ismael Zayer, Ali Badr, Susanne Fischer und Anja Wollenberg über die Rolle der Medien im Irak:

"In den Medien wird kommuniziert, kommentiert und reflektiert, durch die Medien werden konkret Meinungen gemacht und Stimmungen mobilisiert. Die Medienlandschaft im Irak ist seit dem Fall des Regimes unkontrolliert in alle Richtungen gewachsen und gewuchert, und die Berichterstattung in den irakischen Medien ist so vielschichtig und komplex wie die Konfliktlage selbst. Das Gespräch mit irakischen Journalisten und Künstlern geht der Frage nach, welche Rolle Medien in der Entwicklung der Konflikte spielen und wie die Gratwanderung zwischen Meinungsfreiheit und Überlebenswille gestaltet wird."