Wenn Grüne doch noch "rote Linien" ziehen

Beziehungsstatus: Es ist kompliziert. Symbolbild: Greg Montani auf Pixabay (Public Domain)

Nach anfänglicher Honeymoon-Stimmung könnten sich die "Königsmacher" einer "rot-grün-gelben" Koalition doch verhaken. "Jamaika" gibt der CSU-Chef kaum noch Chancen

Es war CSU-Chef Markus Söder, der am Mittwoch die Möglichkeit einer "Ampel-Koalition" als "klare Nummer eins" bezeichnete, als wolle er die Kanzlerträume seines Schwesterparteichefs Armin Laschet (CDU) endgültig im Staub zertreten. "Es gibt keine Hängepartie mehr", befand Söder auf einer Pressekonferenz. Die Sondierungsgespräche der Grünen und der FDP mit der SPD am heutigen Donnerstag seien bereits eine Vorentscheidung, eine "De-facto-Absage an 'Jamaika'".

Ein "schwarz-grün-gelbes" Regierungsbündnis gilt daher als unwahrscheinlich. "Wir bleiben zwar gesprächsbereit, aber nicht in einer Art Dauer-Lauerstellung", betonte Söder. Der gesellschaftliche Auftrag gehe, wenn man die Umfragen betrachte, auch eher an die "Ampel".

Zwischen den "Königsmachern" von Grünen und FDP, die sich zwei Tage nach der Bundestagswahl zu Vorsondierungen getroffen hatten und auf einem vielbeachteten Selfie fast penetrant harmonisch wirken, könnte es nun aber doch Knatsch geben.

Grünen-Chef Robert Habeck hat vor den heutigen Dreier-Sondierungen effektiven Klimaschutz als "rote Linie" seiner Partei hervorgehoben: "Wenn diese Regierung es nicht schafft, Deutschland auf den Klimaschutzpfad von Paris zu bringen, dann hat sie ihre geschichtliche Aufgabe verfehlt und deswegen können wir dann auch nicht mitmachen dabei", sagte Habeck im ZDF-"Morgenmagazin". Es gebe mit der FDP und der SPD "viele ungelöste Probleme" und keinerlei Garantien, aber "natürlich auch Möglichkeiten, Brücken zu schlagen".

Letzteres ist schwer vorstellbar, wenn die Grünen Wort halten: In ihrem Anfang August vorgestellten "Klimaschutz-Sofortprogramm" haben sie ein Klimaschutzministerium mit Vetorecht gefordert und angekündigt, dies zur Bedingung für eine Koalition zu machen, während die FDP als Anti-Verbotspartei in den Wahlkampf gezogen war.

Auch das Wahlprogramm der Grünen beinhaltet zwar keine ausreichenden Maßnahmen, um einen fairen deutschen Beitrag zum Pariser Klimaschutzziel zu leisten, wie unter anderem die Jugendbewegung Fridays for Future moniert hat. Zumindest werden aber darin konkrete Schritte für diese Wahlperiode genannt - und für weitere lässt es mehr Spielraum als das der FDP, deren Freiheitsbegriff das Profitstreben von Großkonzernen und die Befindlichkeiten von besserverdienenden Autofahrern in den Mittelpunkt stellt.

Exklusiver Freiheitsbegriff

Für FDP-Chef Christian Lindner ist eine "Jamaika-Koalition" mit Unionsparteien und Grünen weiterhin eine Option, wie er am Mittwoch klarstellte. Er will eine "Koalition der Mitte, die den Wert der Freiheit stärkt". Und sein Freiheitsbegriff ist exklusiv: nichts für arme Leute, nichts für Radfahrer und nicht vereinbar mit dem Klimaschutz-Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 24. März.

Darauf berufen sich umweltbewusste junge Menschen, die von den Grünen als Zielgruppe umworben werden. Und aus diesem Urteil geht hervor, dass es heute verbindliche Regeln zur Begrenzung der menschengemachten Erderwärmung auf 1,5 oder zumindest unter zwei Grad braucht, damit die junge Generation nicht in späteren Jahren viel drastischere Einschränkungen hinnehmen muss, damit ihre Lebensgrundlagen überhaupt noch erhalten werden können.

Die FDP negiert diese Gefahr, ohne den menschengemachten Klimawandel als solchen zu leugnen. Sie setzt zur Lösung des Problems neben dem unzureichenden Emissionshandel vor allem auf Erfindungen, die es noch nicht gibt und beschwört den deutschen Innovationsgeist, den sie für so überragend hält, dass man internationale Abkommen ignorieren kann. Ihr Versprechen, auf keinen Fall Steuern zu erhöhen, schon gar nicht den Spitzensteuersatz, schließt hohe staatliche Investitionen in die Energie- und Verkehrswende aus.

FDP und Grüne sind allerdings aufeinander angewiesen, falls sie mitregieren wollen. Die FDP wollte das aber schon einmal nicht um jeden Preis. Nach der Bundestagswahl 2017 stieg sie aus den Verhandlungen über eine Jamaika-Koalition aus. Einer der Hauptgründe war damals Meinungsverschiedenheiten über Schritte zum Ausstieg aus der Kohleverstromung, über die sich Union und Grüne einigen konnten, die der FDP aber zu weit gingen.

SPD bleibt optimistisch

Wenn FDP und Grüne dieses Mal inhaltlich nicht "zusammenkommen", stünde wieder eine Große Koalition im Raum - allerdings mit der SPD als Seniorpartner und Olaf Scholz als Kanzler. Das wäre vor allem für den Unions-Kanzlerkandidaten Armin Laschet schwer vermittelbar und gilt nicht als sehr wahrscheinlich.

Die FDP hätte zwar zunächst eine "schwarz-grün-gelbe" Koalition der Ampel-Variante vorgezogen, ist aber aktuell säuerlich wegen durchgestochener Gesprächsinhalte aus den Sondierungen mit der Union, die kurz darauf in der Bild auftauchten. FDP-Sondierer hätten von den Unionsparteien verlangt, sie müssten jetzt die Grünen "rüberziehen", was die Bild als "Knallhart-Ansage der FDP" titulierte. Von anderen Sondierungstreffen gab es stets nur oberflächlich-diplomatische Zusammenfassungen, ansonsten wurde Vertraulichkeit vereinbart.

SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil gab sich vor den heutigen "Ampel"-Sondierungen jedenfalls optimistisch: "Ich denke gar nicht darüber nach, dass sie nicht klappen könnten", sagte er im "Morgenmagazin".