Wie Karl Lauterbach für Chaos in der Gesundheitspolitik sorgt

Lauterbach. Bild: Heinrich-Böll-Stiftung, CC BY-SA 2.0

Themen des Tages: Der Ethikrat übt sich in Selbstkritik. Von der Leyen will Putin ans Portemonnaie. Und Karl Lauterbach ist überfordert.

Liebe Leserinnen und Leser,

1. Kinder gehören zu den großen Verlierern der Pandemiepolitik. Wirklich. Keine Schwurbelei!

2. Ursula von der Leyen will Rechnungen nach Moskau schicken.

3. Und Karl Lauterbach bekommt seinen Laden nicht in den Griff.

Doch der Reihe nach.

Hatten die Maßnahmenkritiker (teilweise) recht?

Die Coronapandemie neigt sich dem Ende zu, so Telepolis-Autor Bernd Müller heute. Einiges spreche dafür, nicht zuletzt die jüngsten Aussagen von Christian Drosten. Der Berliner Virologe sagte gegenüber der Wochenzeitung Die Zeit, die Dynamik der Infektionswellen in diesem Jahr sei "das Zeichen für das kommende Ende der Pandemie". Für das Virus werde die Lage prekär. Müller weiter:

Spätestens mit dem Ende der Pandemie wäre eigentlich der Moment gekommen, mit der Aufarbeitung der letzten zweieinhalb Jahre zu beginnen. Wichtige Fragen gilt es, zu klären: Welche Maßnahmen waren gerechtfertigt? Sind wir als Gesellschaft bereit, auch ihre negativen Folgen zu akzeptieren? Wer trägt die Verantwortung, wenn Grenzen überschritten wurden?

Muss Russland zahlen?

In scharfen Worten hat EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen den russischen Angriffskrieg in der Ukraine verurteilt, so Telepolis-Redakteur Thomas Pany.

Die Invasion habe zu "Tod, Zerstörung und unsagbarem Leid geführt", Russland müsse nun "für seine schrecklichen Verbrechen zahlen, auch für sein Verbrechen der Aggression gegen einen souveränen Staat", heiße es gleich zu Beginn ihrer Erklärung zur Rechenschaftspflicht Russlands und zur Verwendung eingefrorener russischer Vermögenswerte.

Der Titel kündigt bereits an, dass es um mehr als eine verbale Verurteilung geht. Von der Leyen will, dass Taten folgen: Russland müsse zahlen. Vor einem internationalen Gericht, einem Sondergericht, das erst noch geschaffen werden soll, und Russland müsse für die Kriegsschäden in der Ukraine aufkommen – mit Geld, das über Sanktionen eingefroren wurde.

Thomas Pany

Wird Lützerath geräumt?

In Nordrhein-Westfalen scheint die dortige schwarz-grüne Landesregierung fest entschlossen, noch in diesem Winter den Ort Lützerath zu räumen, so Telepolis-Autor Wolfgang Pomrehn.

Die kleine, zur Stadt Erkelenz gehörende Siedlung stehe dem rheinländischen Tagebau Garzweiler II im Wege und sei inzwischen zu einem Protestdorf aus Zelten, Baumhäusern und besetzten Wohngebäuden geworden.

Einige Wohnungen waren vom letzten Bauern des Dorfes vermietet worden, der nach jahrelangen Prozessen, wie berichtet, dem Druck RWEs nachgegeben und verkauft hatte, um einer Enteignung zuvorzukommen.

Karl Lauterbach, der Bundestwitterminister

Die Gesundheitspolitik hat viele Baustellen: Der Pflegenotstand etwa dauert ungemindert an, die Lage von Kinderkliniken und ambulanten Kinder- und Jugendarztpraxen ist dramatisch und die Corona-Pandemie ist noch nicht überwunden. (Abgesehen davon, dass die Maßnahmen die Menschen im Land gespalten haben.) Viel zu tun also für den Gesundheitsminister.

Doch Karl Lauterbach (SPD) scheint von den Herausforderungen seines Hauses zunehmend überfordert. Er wird damit auch für Bundeskanzler Olaf Scholz zum Problem. Der aber schaut weg. Ein wenig wohl aus Solidarität mit seinem Genossen. Ein wenig aber auch in Ermangelung einer Alternative für die Leitung des Gesundheitsressorts.

Lauterbach und sein Ministerium haben im vergangenen Jahr oft für Verwirrung, aber selten für die notwendige Transparenz und Aufklärung gesorgt.

"Eine von 5.000 Personen ist von einer schweren Nebenwirkung nach einer Covid19-#Impfung betroffen", lautete ein grundfalscher Tweet des Ministeriums, der tags drauf gelöscht wurde.

Einer Frau, die auf der Facebook-Seite des Ministeriums verzweifelt um Hilfe bittend von ihren schweren Impfnebenwirkungen berichtete, antwortete man: "Bitte unterlassen Sie Falschaussagen wie diese."

Und zuletzt verkündete Lauterbach: "Die Impfung schützt nicht mehr vor der Ansteckung" – wenige Wochen, nachdem er die Menschen im Land dazu aufgerufen hatte, sich massenhaft alte und wohl wenig wirksame Impfstoffe verabreichen zu lassen.

Es sind nicht nur fachliche Fehler, es ist vor allem die Kommunikation, an der es hapert. Lauterbach ist ein Jahr nach Amtsantritt berüchtigt dafür, dass er Aussagen zum sensiblen Thema der Pandemiepolitik an einem Tag tätigt, um sie wenig später en passant zu revidieren, gerne in Talkshows.

Dadurch ist es ihm gelungen, seine Glaubwürdigkeit in der kurzen Amtszeit weitgehend zu verspielen. Nicht wenige meinen, dass der amtierende Minister ein schlechteres Bild abgibt als sein Vorgänger Jens Spahn. Das muss man erst einmal schaffen!

Die mangelnde Seriosität und Professionalität in Arbeit und Kommunikation des Bundesgesundheitsministers und seines Hauses sind verheerend. Denn gerade in der Pandemie wäre es notwendig gewesen, dass es von dieser Seite verlässliche und transparente Vorgaben gibt. Stattdessen: Chaos allerorts.

Das zeigt sich im Großen wie im Kleinen. So investierte das Ministerium Millionengelder, um Faktenblätter zur Corona-Politik in der Tagespresse landesweit zu veröffentlichen. Die Zusammenstellungen aber waren derart dilettantisch, dass schon der zweite so genannte Fakten-Booster zurückgezogen werden musste.

Minister Lauterbach scheint aus der Kommunikationskatastrophe wenig gelernt zu haben. Vor wenigen Tagen veröffentlichte er einen Tweet, in dem er den Nutzernamen eines beteiligten Wissenschaftlers einfügen wollte, versehentlich aber den ähnlich lautenden Seitennamen einer Mode- und Erotikseite eingab. Es hagelte Hohn, Lauterbach korrigierte den Fauxpas stillschweigend.

Das könnte amüsant sein, wenn die gleiche Zerstreutheit nicht auch die Arbeit des Ressorts belasten würde. Vor wenigen Wochen gab es daher sogar einen kleinen Aufstand der Mitarbeiter im Ministerium: Es gebe zu viel Stress und zu wenig Kommunikation, hieß es auf einer Betriebsversammlung. Geändert hat sich seither wenig.

Aber Probleme fantasiert Karl Lauterbach einfach weg. So wie den Pflegenotstand. "Wir haben ja nicht zu wenig Pflegekräfte gemessen an der Bevölkerung, wir setzen sie sehr wenig effizient ein", sagte er und erntete in der gesamten Branchen Kopfschütteln. Denn tatsächlich fehlen 30.000 Pflegerinnen und Pfleger. Trotz aller großspurig angekündigten Regierungsinitiativen.

Ein Jahr nach Amtsantritt darf es im Gesundheitswesen kein "Weiter so" geben. Gesundheitsminister Lauterbach könnte ja mal sein Twitter-Account abschalten und sich endlich der Lösung der zahlreichen Krisen widmen.

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