Wie weit darf Kritik an der Nato gehen?

Sorgt für Debatten: Solidaritätsbekundung mit Angreifer, mitten im Krieg. Bild: @JFDA_eV

Und wie sollte sich die Friedensbewegung zu Russland positionieren? Ein Kongress in Berlin wirft Fragen auf. Veranstalter wollen Stellung nehmen, eine Universität will Konsequenzen prüfen

Eine Nato-kritische Konferenz an der Humboldt-Universität Berlin hat heftige Debatten provoziert. Die Veranstaltung war von Aktivist:innen der Friedensbewegung organisiert worden und sollte die Rolle des Nordatlantikpaktes beim Krieg Russlands gegen die Ukraine kritisch beleuchten. Nun ist die Humboldt-Universität auf Distanz zu dem Event gegangen – und hat damit – ebenso wie die Veranstalter – Fragen aufgeworfen.

Am 21. Mai hatte der Kongress "Ohne Nato leben – Ideen zum Frieden" im Hauptgebäude der Humboldt-Universität stattgefunden. Ausgerichtet wurde die Veranstaltung unter anderem vom Verein "Aktiv für den Frieden – Stopp Ramstein e.V.". Die Aktivisten hatten zu diesem Zweck einen Hörsaal angemietet.

Einige Tage später nun erklärte die Humboldt-Universität Berlin, der Kongress habe zu "hoher medialer Aufmerksamkeit und Unmut über dort von Kongressteilnehmer:innen und Redner:innen gemachten Aussagen" geführt. Das Präsidium der Humboldt-Universität stelle daher im Nachgang klar, dass sich die Humboldt-Universität von diesen Aussagen distanziert, heißt es in einer Erklärung der Hochschule. Konkrete Aussagen werden in dem Text jedoch nicht genannt.

Auf Nachfrage von Telepolis erklärte Universitätssprecher Hans-Christoph Keller, man habe von Besuchern des Kongresses eine Aufstellung kritischer Aussagen erhalten, könne diese aber nicht selbst verifizieren. Zuschriften habe es unter anderem von dem in Berlin ansässigen Verein Jüdisches Forum für Demokratie und gegen Antisemitismus gegeben.

Auf Twitter hate dieser Verein das Programmposter des Kongresses und ein Bild von zwei Personen, die in der Eingangshalle der Berliner Humboldt-Universität ein Transparent mit der Aufschrift "Hands off Russia – Hände weg von Russland" hochhalten. Das Bild soll am Rande des Kongresses aufgenommen worden sein.

Die Reden seien "geprägt durch Antiamerikanismus, Geschichtsrevisionismus & antisemitische Verschwörungsideologien", schreibt der Verein auf Twitter. Teilnehmende "posieren mit Transparent im Foyer, das Russland als Opfer darstellt".

Aufgrund solcher Postings und Zuschriften hieß es in der Erklärung der Universität, ihr Präsidium weise "ausdrücklich darauf hin, dass die Veranstaltung nicht im Rahmen einer Kooperation mit der HU stattfand". Die Organisator:innen und Redner:innen des Kongresses "vertreten in keinster Weise die Position der Humboldt-Universität zum russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine".

Die Humboldt-Universität verurteilt den Angriff Russlands auf die Ukraine und "steht fest an der Seite aller Ukraininer:innen":

In den vergangenen Wochen haben erste aus der Ukraine geflohene Studierende und Forschende bereits an unserer Universität eine neue akademische Heimat gefunden. Weitere werden folgen. Allen stehen umfassende Hilfsangebote und gemeinsam mit anderen Wissenschaftseinrichtungen organisierte Unterstützungs- und Studienangebote zur Verfügung.

Erklärung der HU Berlin

Nato-Konferenz in Berlin: Was sagen die Veranstalter?

Unklar war zunächst, wie sich die Organisatoren zu den konkreten Vorwürfen verhalten. In dem Aufruf zum Kongress hatte man zunächst jedenfalls keine Parteinahme erkennen lassen. Darin hieß es:

Es herrscht wieder Krieg in Europa. Der Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine ist völkerrechtswidrig und, wie jeglicher Krieg, nicht gerechtfertigt. Der Einmarsch russischer Truppen und die Bombardements verursachen großes Leid unter der Zivilbevölkerung. Die Folgen auf die internationalen Beziehungen sind dramatisch. Noch nie nach dem II. war der III. Weltkrieg so nah. Es gibt nur einen Weg zum Frieden: Sofortiger Waffenstillstand, verhandeln statt schießen! Kompromisse ohne Gesichtsverlust für jede der beiden Seiten!

Aufruf zum Kongress "Ohne Nato leben – Ideen zum Frieden"

Auf Telepolis-Anfrage erklärte Mitorganisator Karl-Heinz Peil, man finde sich nach der HU-Erklärung "in der internen Abklärung".

In dem Entwirf einer Replik, der Telepolis vorliegt, heißt es, weder die Veranstalter noch die Redebeiträge hätten eine feste Position zum Ukrainekrieg eingenommen.

Vielmehr war die Veranstaltung darauf angelegt, wie auch aus dem Titel ersichtlich, auf wissenschaftlich fundierte Weise im offenen und vielschichtigen Diskurs Lösungswege für eine schnelle Beendigung des Ukrainekrieges und eine langfristige Friedenssicherung für Europa darzustellen. Träger der Veranstaltung war die Initiative Frieden-Links, die diese auch beworben hat und die dort erfolgten Einzelbeiträge sowie die begleitende Debatte auch auf ihrer Homepage dokumentiert. Da diese Initiative keine festen organisatorischen Strukturen hat, wurde die Veranstaltung von dem Verein "Aktiv für den Frieden - Stopp Ramstein e.V." unterstützt, der personell auch in der Initiative Frieden-Links vertreten ist.

Auf die Frage hin, ob die HU ähnlichen Veranstaltungen künftig Raum geben werde, verwies Universitätssprecher Keller auf den letzten Satz der Erklärung. Dort heißt es: "Aufgrund der Erfahrungen mit dieser Veranstaltung wird die Humboldt-Universität die Vergabekriterien für externe Veranstaltungen noch einmal überprüfen."