Wiederwahl von SWR-Chef Kai Gniffke: Wie Sender ihre Päpste wählen

Bild (2018): Sandro Halank, Wikimedia Commons / CC BY-SA 3.0 Deed

ARD-Vorsitzender war konkurrenzloser Kandidat. Zum Wahlverfahren gibt es harte Kritik. Wie viel Demokratie können die Öffentlich-Rechtlichen? Kommentar.

Dem Deutschlandfunk war die Wiederwahl Kai Gniffkes zum Intendanten des Südwestrundfunks (SWR) lediglich eine kurze Meldung wert. Das ist schade, denn hinter den Kulissen spielte sich eine interessante Auseinandersetzung ab, die ein Licht auf das Demokratieverständnis in den Machtzentralen des öffentlich-rechtlichen Senders werfen.

Die Vorwürfe lauten zugespitzt, dass ein "Einheitskandidat in einem vollkommen intransparenten Verfahren" gewählt wurde. Die Formulierung stammt von Peter Welchering, der selbst jahrelang für öffentlich-rechtliche Sender tätig war und Journalisten ausbildet. Das Gebaren zur Wahl gefiel ihm wenig: Verglichen mit der SWR-Intendantenwahl sei "ein Konklave eine hochtransparente Angelegenheit", legte er nach.

Vatikanische Verhältnisse im SWR? Es wird ein Führungsposten vergeben, der für das Programm verantwortlich ist und dafür derzeit mit rund 393.000 Euro brutto pro Jahr entgolten wird. Die öffentlich-rechtlichen Sender stehen seit längerem in der Kritik, zuletzt wegen einer Beitragserhöhung, die laut einer ersten, vorläufigen Empfehlung des KEF 2025 zu erwarten ist.

Demokratischer Anspruch und Praxis

"Ohne uns ist die Demokratie gefährdet", gerade jetzt sei man wichtiger denn je, lautet das "stereotype" Contra in Festreden und Aufrufen dazu (vgl. Prof. Dr. Hermann Rotermund.) Die politische Praxis bei der Vergabe von Intendantenposten deckt diesen Anspruch nicht.

Kai Gniffke war am Freitag, als er gewählt wurde, der einzige Kandidat. Mit dem richtigen Parteibuch (SPD), wie der FAZ-Medienfachmann Michael Hanfeld schon im Vorfeld herausstellte – "Der parteipolitische Hintergrund ist offensichtlich und spielt bei der Intendantenwahl die größte Rolle".

Der kritische Verweis auf ein SPD-Parteibuch, den ein FAZ-Redakteur akzentuiert, nichts Ungewöhnliches. Aber das ist nur ein Aspekt der Wahl, die das nicht wirklich demokratische Gepräge einer Abmachung hinter verschlossenen Türen trägt. Das zeigt sich in einer exklusiven Machtpolitik:

Dass es für Gniffke leicht würde, war abzusehen. Schließlich stand nur er zur Wahl. Die von Rundfunk- und Verwaltungsrat gebildete Findungskommission hatte nur ihn empfohlen. Zwar gab es mindestens eine weitere ernsthafte Kandidatin – eine leitende Mitarbeiterin des Mitteldeutschen Rundfunks –, doch zog die Findungsgruppe diese nicht für einen Wahlvorschlag in Betracht.

Dass dem so war, wurde bis zum Wahltag unter der Decke gehalten. Die Wahl war zwar sogar öffentlich ausgeschrieben worden, per Stellenanzeige auf swr.de und bei "Zeit Online", doch danach hörte die Öffentlichkeit nichts mehr davon, auf Nachfrage gab es keine Auskunft.

Michael Hanfeld, FAZ

Es habe im Vorfeld eine zweite Kandidatin gegeben – "um wen es sich dabei handelte, daraus machten die Gremien des SWR allerdings ein Geheimnis", wie die Branchenpublikation DWDL.de berichtet. Die Kritik daran kam von CDU-Landtagsabgeordnete Ellen Demuth, die im Rundfunkrat sitzt: "Es sei bei der Kandidatenfindung nicht so transparent zugegangen, wie man sich dies gewünscht hätte."

Der Umgang mit Kritik

Kritik kam auch noch von anderen Rundfunkräten mit CDU-Parteibuch. Daran ist wenig erstaunliches. Bemerkenswert ist jedoch der Umgang mit der Kritik.

Sieben Rundfunkräte hatten nach Informationen des FAZ-Redakteurs Handfeld vor der Wahl eine Anfrage zum Verfahren der Wahl gestellt, die Antwort des Rundfunkratsvorsitzenden Engelbert Günster und des SWR-Verwaltungsratsvorsitzenden Hans-Albert Stechl sei drastisch, wenn nicht gar "hochfahrend" ausgefallen. Hanfeld zitiert aus dem Antwortschreiben:

Was an diesem "demokratischen Votum irritierend sein soll, erschließt sich uns noch nicht einmal im Ansatz". Der Amtsinhaber Gniffke sei "den Mitbewerbern nicht nur weit überlegen" gewesen, er habe auch als Einziger "alle Bewerbungskriterien ausnahmslos erfüllt". Die "beiden anderen Bewerber" jedoch nicht. Die Vorhaltungen weise man zurück.

Michael Hanfeld, FAZ

Hanfeld geht mit seiner Kritik noch weiter. Er bezeichnet den SWR in Mainz als "Streichelzoo", was die journalistische Betrachtung der Landesregierung angehe. Weit entfernt als vom Gebot der Staatsferne.

Übrigens verglich auch SWR-Verwaltungsratsvorsitzender Hans-Albert Stechl die Wahl des Intendanten mit der Papstwahl – als besseres Vorbild: "Das Papst-Prozedere wäre in diesem Fall deutlich besser." Allerdings war das 2019.

Damals wurde Kai Gniffke erstmalig zum Intendanten gewählt. Auch zu diesem Wahlverfahren gab es deutliche Kritik, selbst vom Deutschlandfunk. Auch damals ging es um die Frage, wer überhaupt zur Wahl zugelassen wurde (SZ).

"Weiter so"

Sollte das "Weiter so", das die Machtgremien bei der Verlängerung der Amtszeit des politisch bevorzugten Kandidaten praktizierten, ein Indiz dafür sein, welche Schlüsse man aus der Kritik an öffentlich-rechtlichen Sendern zieht, so bleibt von der Selbstdarstellung als Bastion der Demokratie nur der erste Begriff übrig.

"Gniffkes zweite Amtszeit beginnt am 1. September 2024. Die Wahl musste nach den Vorgaben des SWR-Staatsvertrags mindestens sechs Monate zuvor stattfinden", berichtet das Presseportal. Warum also die Eile?