Wurde MH17 versehentlich während einer ukrainischen Militärübung abgeschossen?
Die russische Nachrichtenagentur veröffentlicht die Darstellung eines anonym bleibenden Informanten, die viele im Prinzip nachprüfbare oder widerlegbare Details aufweist
Es ist wohl mittlerweile ziemlich sicher, dass die Passagiermaschine MH17 von einer Rakete abgeschossen wurde. Vermutlich wurde dazu ein russisches Buk-System verwendet. Separatisten hatten behauptet, solche erbeutet zu haben, bestreiten aber jetzt, eines zu besitzen, was im Grunde auch die ukrainische Regierung bestätigt hatte.
Die ukrainischen Streitkräfte haben Buk-Systeme, nach dem russischen Verteidigungsministerium waren einige auch in der Nähe des Absturzortes stationiert, was die ukrainische Seite freilich abstreitet. Ebenso könnte ein solches Flugabwehrsystem aus Russland mit Mannschaft in die Ukraine gebracht und dann schnell wieder nach Russland zurück transportiert worden sein. So sieht es die ukrainische Seite.
Nun gibt es von russischer Seite eine neue Vermutung, die in gewisser Weise auch eine Antwort auf die Darstellung der US-Geheimdienste ist. Anonym auftretende Vertreter der Geheimdienste hatten Journalisten erklärt, dass sie eine Verantwortung ukrainischer Streitkräfte ausschließen. Der Grundbestand in einem Plausibilitätsargument. Die Streitkräfte bräuchten in ihrem Kampf gegen die Separatisten keine Flugabwehrsysteme, da diese über keine Flugzeuge verfügten. Damit wurde aber auch vermieden darüber zu sprechen, ob am 17. Juli Buk-Systeme vor Ort gewesen waren (MH17: Auch die US-Geheimdienste präsentieren Vermutungen). Die Sprecherin des US-Außenministeriums verwies auf das angebliche Eingeständnis eines Separatistenkommandeurs (Hat Rebellenführer Besitz von Buk-Flugabwehr bestätigt?), erklärte gestern erneut, dass es nur Hinweise auf die Separatisten gebe. Zudem habe man Beweise, dass aus Russland schwere Waffen über die Grenzen kämen und von russischem Boden Artillerie Richtung Ukraine feure. Was die beiden abegeschossenen Kampfdflugzeuge betrifft, die nach Angaben von Kiew von Russland aus abgeschossen worden sein könnten, antwortete sie: "We don’t have definitive information about how those Ukrainian jets were brought down." Überhaupt fiel auf, dass die Sprecherin sich weigerte, Beweise zu präsentieren, sondern nur auf Geheimdienstinformationen verwies.1
Gestern hatte ein Ex-Militär erklärt, ukrainische Behörden müssten die Kommunikation zwischen MH17 und den Fluglotsen aufgezeichnet haben. Er forderte diese auf, die Aufzeichnungen zu veröffentlichen. In dem Zusammenhang wurde auch darauf hingewiesen, dass ukrainische Streitkräfte 2001 versehentlich eine russische Passagiermaschine über dem Schwarzen Meer im Rahmen einer Militärübung abgeschossen hatten. Erst einmal wurde von der damaligen Regierung jede Verantwortung abgestritten.
Mit Verweis auf den anonymen Informanten berichtet die Nachrichtenagentur, dass womöglich die ukrainischen Streitkräfte auch dieses Mal eine Übung am 17. Juli abgehalten haben, in der dann versehentlich die verhängnisvolle Rakete abgeschossen worden sein könnte. Suggeriert wird, dass die ukrainischen Soldaten im Umgang nicht geübt gewesen sein könnten, da nach 2001 die Buk-Systeme sicherheitshalber nicht mehr abgefeuert werden durften, sondern die Soldaten nur in der Bedienung trainiert worden seien:
"Dem Chef des 156. Fla-Raketenregiments war befohlen worden, am 17. Juli eine Übung abzuhalten, bei der es um die Deckung der Bodentruppen in einem Vorort von Donezk ging", will der Informant wissen, ohne irgendeinen Beleg dafür zu geben. Trainiert werden sollte angeblich die Beobachtung von Zielen und deren Zerstörung durch eine Buk-M1-Rakete. Ein wirklicher Abschuss sei nicht vorgesehen gewesen, die Offiziere hätten aber die Schlüssel bekommen, um das System feuerbereit zu machen.
In dem Zusammenhang wird auch gleich noch eine Erklärung für die ukrainischen Kampfflugzeuge geliefert, die sich nach Angaben des russischen Verteidigungsministeriums aufgrund von Radardaten in der Nähe der abgeschossenen Passagiermaschine befunden hätten. Es war deswegen auch spekuliert worden, ob die Passagiermaschine möglicherweise von einer Luft-Luft-Rakete abgeschossen worden sein könnte. Nach dem anonymen Informanten, der vielleicht aus Geheimdienstkreisen stammt und die Informationen streuen soll, aber behauptet, nur sene persönliche Meinung wiederzugeben, wird auch dafür eine Erklärung geliefert:
Zur Teilnahme an der Übung wurden zwei Kampfjets des Typs Su-25 vom Luftwaffenstützpunkt der 229. Brigade der taktischen Fliegerkräfte Kulbakino in Nikolajew nach Dnepropetrowsk geschickt. Ihnen wurde die Aufgabe gestellt, eine Luftaufklärung durchzuführen und als Kontrollziele im Raum der Konzentration der Gruppierung der Antiterrortruppen westlich von Donezk zu dienen. Als eines dieser Flugzeuge in den Erfassungsbereich des Fla-Raketensystems Buk kam, wurde es von der Batterie in der Nähe des Ortes Sarostschenskoje unter Kontrolle genommen. Der tragische Zufall könnte dazu geführt haben, dass die Flugrouten der malaysischen Boeing und der Su-25, die sich auf unterschiedlichen Höhen befanden, sich überkreuzten und auf dem Bildschirm als ein großer Punkt erschienen, was für die Zivilmaschine fatal wurde, weil sich das Beobachtungssystem in dem Fall automatisch auf das größere Ziel umstellt.
Da der Informant eine ganze Reihe von konkreten Angaben gemacht hat, sollte es der ukrainischen Seite nicht schwer fallen, die Darstellung zu widerlegen, wenn sie nicht zutrifft. Gefordert wären auch die US-Geheimdienste, mehr Klarheit herzustellen, als sie dies bislang getan haben. Gestern hatte Wladimir Groisman mitgeteilt, die MH17 sei entgegen den Behauptungen des russischen Verteidigungsminsteriums im vorgesehenen Korridor geflogen. Das habe sich nach Auswertung der Daten ergeben.
Auf die Veröffentlichung in Ria Novosti reagierte das ukrainische Verteidigungsministerium mit einem Dementi. MH17 sei nicht während einer Übung abgeschossen worden, es seien im Bereich der ATO (Antiterroroperation) am 17. Juli keine Buk-Systeme verwendet worden.