... und gehebelt wird auf 2 Billionen Euro
Mit der Euro-Krise weiten sich auch die Summen aus, die für die Euro-Rettung in die Hand genommen werden sollen
Auch Frankreich wird immer stärker in den Strudel gezogen. Nun sind es nicht mehr nur Gerüchte, die besagen, dass das zweitgrößte Euroland sein Top-Rating verlieren könnte. Die Ratingagagentur Moody's warnt nun offen, dass Frankreich sein "AAA" verlieren könnte. Um den Druck auf die Eurozone aufrecht zu erhalten, hat nun auch Moody's die Bonität Spaniens um weitere zwei Stufen gesenkt. Die Risikoaufschläge für französische Staatsanleihen kletterten auf ein Rekordhoch. Inzwischen hat sich die Lage aber auch für Italien und Spanien wieder etwas entspannt, nachdem bekannt wurde, dass der temporäre Rettungsschirm (EFSF) auf 2 Billionen Euro gehebelt werden soll.
Dass die Lage auch für Frankreich deutlich ernster geworden ist, hat sich in den vergangenen Wochen längst gezeigt. Als Warnung an das Land hatte Moody's erst vor einem Monat die französischen Großbanken herabgestuft. Am Dienstag hat die Ratingagentur nun deutliche Worte in Richtung Paris gesprochen und die zweitgrößte Volkswirtschaft der EU unter Beobachtung gestellt. Schon jetzt sei der Schuldenstand in Frankreich gravierender als in den meisten anderen mit "AAA" benoteten Ländern, meint Moody's. Dabei ist Frankreich noch geringer verschuldet als Deutschland oder die USA, die von Standard & Poors (S&) aber schon herabgestuft wurden. So war Deutschland Ende 2010 mit 83,2% im Verhältnis zu Wirtschaftsleistung verschuldet, Frankreich dagegen mit 81,7%.
Allerdings wird auch die lahmende Wirtschaft im Land gesehen. Frankreich verzeichnete auch kein Konjunkturhoch wie Deutschland und die Wirtschaft stagniert schon wieder. Die Gefahr, dass angesichts der kommenden Sparmaßnahmen die Wirtschaft wieder in die Rezession zurückfällt, ist noch Link auf /8/150618. Inzwischen hat sogar der französische Finanzminister François Baroin eingeräumt, dass die Regierung die Wachstumsprognose von 1,75% für 2012 nach unten revidieren muss. Damit fallen aber Steuereinnahmen niedriger als geplant aus und zudem steigen die Sozialausgaben. So wird es Frankreich wohl nicht einmal schaffen, sein Defizit wie geplant 2011 von 7 auf 5,7% des Bruttoinlandsprodukts (BIP) zu senken. Damit wird der Abstufungsdruck auf das Land weiter steigen. Und dann ist mit Dexia deutlich geworden, dass bei dem erwarteten Schuldenschnitt in Griechenland französische Banken besonders viel Geld brauchen werden.
Dazu kommt, dass ausgerechnet die Ausweitung des EFSF (European Financial Stability Facility) letztlich der Tropfen sein könnte, der das berühmte Fass zum Überlaufen bringt, denn mit der Ausweitung kommen neue Verbindlichkeiten auf Paris zu. Für Frankreich könnte das bedeuten, dass das Land sein Top-Rating verliert und die Refinanzierung des Landes ebenfalls teurer wird. Schon am Dienstag war der Risikoaufschlag gegenüber Bundesanleihen auf 106 Basispunkte gestiegen. Das bedeutet, dass Paris für zehnjährige Anleihen schon mehr als 1% mehr Zinsen bieten muss als Deutschland, womit die Zinslast schon fast 50% höher als in Deutschland ausfällt.
So sehen Experten die Lage in etwa so: Bietet Frankreich weitere Sicherheiten an, wird das Haftungsrisiko größer und damit wird auch das Risiko für das Rating höher. Allerdings wird mittelbar damit auch der Druck auf Deutschland höher. Schließlich wäre Deutschland das einzige große Euroland, das noch über das Top-Rating verfügt. Doch der EFSF erhält nur deshalb ein "AAA", weil große Länder wie Deutschland und Frankreich mit der Bestnote für den Rettungsschirm bürgen. Verliert Frankreich sein Top-Rating, dann könnte auch das Rating des EFSF herabgestuft werden, womit dessen Refinanzierungskosten steigen. Dem könnte aber begegnet werden, indem Deutschland seine Haftungssumme für den Rettungsschirm deutlich ausweitet.
Rettungsschirm ist überfordert
Nach Berechnungen des Centrums für Europäische Politik (CEP) in Freiburg müsste Deutschland dann für 2011 mit 317 Milliarden Euro haften, erklärte CEP-Chef Lüder Gerken im Interview. "Ein Verlust des Triple A-Ratings für Paris hätte zur Folge, dass das gesamte Konstrukt des EFSF in seiner jetzigen Form nicht mehr haltbar ist", warnt Gerken. Damit sinke die Fähigkeit des gerade aufgestockten Rettungsfonds EFSF, AAA-Kredite aufzunehmen. Das CEP rechnet mit einem Verlust von 35% der 440 Milliarden Euro. Damit blieben noch 286 Milliarden Euro übrig.
Auf Deutschland käme eine Ausweitung der Haftungssumme um weitere 106 Milliarden Euro zu. Das sei, so meint Gerken, politisch in Deutschland nicht durchsetzbar. Tatsächlich verlangte Wirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP), die Haftungssumme für Deutschland dürfe die beschlossenen 211 Milliarden Euro nicht überschreiten. Der Streit in der schwarz-gelben Koalition bricht also an dieser Frage wieder voll aus. Der FDP-Chef erklärte, der Bundestag habe diese Obergrenze festgelegt. Alle weiteren Verfahren über dieses Vorhaben müssten vom Bundestag beschlossen werden, doch dort sehe er keine Bereitschaft, nochmals an der Obergrenze etwas zu ändern, warf er seiner Kanzlerin vor dem EU-Gipfel am Sonntag Stöcke in die Beine.
Dabei sind aus dem EFSF ohnehin schon 110 Milliarden Euro an Irland und Portugal geflossen. Dazu kommt die camouflierte Bankenrettung, die schon als zweite Griechenland-Rettung getarnt wurde. Also bleibt ohnehin nur noch ein Teil der 440 Milliarden übrig und davon sollen über den Rettungsschirm demnächst auch Staatsanleihen von Pleiteländern gekauft werden und womöglich sollen demnächst über den EFSF auch noch Banken rekapitalisiert werden.
Damit ist klar, dass der temporäre Rettungsschirm angesichts der sich weiter zuspitzenden Lage völlig überfordert ist. Er wäre nicht einmal in der Lage, das abstürzende Spanien noch aufzufangen, um von Italien nicht zu sprechen. Denn das drittgrößte Euroland hat als Schuldenmeister allein 2 Billionen Euro an Staatsschulden aufgehäuft. Dabei hat Italien, mit seiner Verschuldung von 119% des BIP und einer Dauerregierungskrise, inzwischen Spanien als nächster Top-Absturzkandidat längst abgelöst.
Gerade am Mittwoch hat aber Moody's die Bonität Spaniens erneut um zwei Stufen von "AA2" auf "A1" gesenkt. Damit sieht diese Agentur die Lage noch finsterer als Fitch und Standard & Poors, die ebenfalls von einem negativen Ausblick ausgehen. Dass das von der Krise schwer gebeutelte Land für Marktturbulenzen weiter anfällig ist, wie Moody's schreibt, ist richtig. Richtig ist auch, dass das Land einen großen Finanzierungsbedarf hat, weil die Banken und Konzerne hoch verschuldet sind.
Risiko Spanien und die quasi EU-Regierungschefs
Die stagnierende spanische Wirtschaft wird es wohl ebenfalls unmöglich machen, dass das Land 2011 seine ehrgeizigen Sparziele erreichen kann, weil ständig neue Finanzlöcher auftauchen. Dabei hat die Agentur noch vergessen, dass auch die Familien bis zur Halskrause in Schulden stecken und sie angesichts einer Rekordarbeitslosigkeit von 21,2% immer weniger zurückbezahlen können. Die Kreditausfallquote hat im August erstmals die Marke von 7% durchbrochen. Mit 7,14% lag sie erneut deutlich höher als im Juli, wie gerade mitgeteilt wurde. Auch hier haben Banken, die sogar den laschen Stresstest knapp oder gar nicht bestanden haben, enormen Finanzbedarf.
So ist auch klar, dass nicht einmal das viertgrößte Euroland vom derzeitigen Rettungsschirm aufgefangen werden könnte. Somit erklären sich auch die Berichte darüber, dass man die verbleibende Rettungssumme nun nur noch als eine Art "Versicherung" einsetzen will, um die Gesamtsumme auf bis zu 2 Billionen Euro zu hebeln. Darüber sollen nur 20 oder 30 Prozent der Verluste abgesichert werden, wenn ein Eurostaat seine Schulden nicht mehr bedienen kann, womit aber das Gesamtvolumen durch Beteiligung von Investoren deutlich steigen würde. Hatte man bisher in Berlin stets dementiert, dass man mit diesem Hebel arbeiten wolle, mehren sich die Hinweise darauf, dass damit erneut Zeit erkauft werden soll.
Heute berichtet der britische Guardian, es gäbe Einigkeit zwischen Paris und Berlin darüber, das Rettungsvolumen zu vervielfachen. Ähnliches berichtete auch die Financial Times Deutschland (FTD) heute. Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) habe mit den Abgeordneten von CDU, CSU und FDP erstmals offen über die neue Funktionsweise des EFSF und des geplanten Hebels gesprochen. Nach Angaben der FTD-Informationen habe Schäuble den FDP-Abgeordneten als Zielmarke die Summe von maximal 1 Billion Euro genannt.
Zwar hat aus Brüssel der EU-Kommissionspräsident Jose Manuel Barroso die Übereinkunft dementiert, doch das hat wohl damit zu tun, dass sich Barroso von der Achse Berlin-Paris erneut übergangen fühlt. Denn immer stärker spielen sich Bundeskanzlerin Angela Merkel und Nicolas Sarkozy als quasi EU-Regierungschefs auf. Bekannt wurde auch, dass Frankreichs Staatspräsident noch am Mittwoch nach Deutschland zum Blitzbesuch gereist ist, um sich in Frankfurt mit der Merkel über das weitere Vorgehen in der Schuldenkrise zu beraten. Um die Form zu wahren, sollen an dem Treffen neben Barroso auch der scheidende Chef der Europäischen Zentralbank (EZB) Jean-Claude Trichet, der EU-Ratspräsident Herman van Rompuy und weitere EU-Spitzenpolitiker teilnehmen, berichtet die Nachrichtenagentur Reuters.
Entscheidendes Treffen am Sonntag
Dass es sich vor dem Gipfeltreffen der Staats- und Regierungschefs am Sonntag wohl um das entscheidende Treffen handeln dürfte, macht die Tatsache klar, dass Sarkozy seine Frau allein im Krankenhaus sitzen ließ. Die hochschwangere Carla Bruni wartet dort auf die Geburt des ersten gemeinsamen Kindes. Barroso hatte vor dem Treffen darauf gedrängt, dass auf dem EU-Gipfel konkrete Antworten auf die Schuldenkrise gefunden werden müssten. "Wir befinden uns in einem einschneidenden Augenblick, entscheidend für die Zukunft des Euro und die Zukunft Europas", warnte Barroso.
Die Staats- und Regierungschefs müssten am Wochenende eine "starke Antwort" geben. Offenbar geht auch Barroso längst davon aus, dass Spanien oder Italien abstürzen werden. Denn der EU-Kommissionspräsident wollte nicht ausschließen, dass "auch andere Länder in den Genuss des europäischen Rettungsschirms gelangen, wenn das notwendig werden sollte". Derzeit würden in der Euro-Zone schon Irland, Portugal und Griechenland gestützt, doch "ich kann noch nicht genau sagen, was am Sonntag beschlossen werden wird", machte es Barroso in Brüssel spannend.