Dexia und der Schuldenschnitt in Griechenland

Das Wahrzeichen der europäischen Finanzkrise wird verstaatlicht und zerschlagen

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Frankreich, Belgien und Luxemburg mussten schon 2008 die Dexia-Bank mit einer Geldspritze von 6,4 Milliarden Euro und Garantien in einer Höhe von 150 Milliarden vor dem Absturz bewahren. Geholfen hat es nichts, nun muss die Großbank zerschlagen werden und kostet die Steuerzahler erneut viel Geld. Wie damals ist das Institut eine Art Krisenindikator, denn mit Dexia wurde einst klar, dass die Finanzkrise definitiv in Europa angekommen ist. Die Zerschlagung und Verstaatlichung weisen darauf hin, dass nun der definitive Schuldenschnitt Griechenlands vorbereitet wird, wo die Bank stark engagiert ist.

Hätte es noch eines Beweises bedurft, wie stressfrei auch der zweite sogenannte Banken-Stresstest kürzlich war, dann hat man ihn nun. Schließlich konnte der Stresstest wegen seiner politischen Vorgaben den Absturz der Großbank nicht einmal andeuten. So hat der parlamentarische Geschäftsführer der FDP-Bundestagsfraktion darauf hingewiesen, dass Dexia bei dem Test sogar gut abgeschnitten habe. Schließlich hatte Dexias Kernkapitalquote in dem getesteten "Stressszenario" noch über 10% gelegen. Sie lag also mehr als doppelt so hoch, als die geforderte Mindestquote von 5%. Deshalb, so stellt Otto Fricke fest, "hat das etwas damit zu tun, dass wir uns an vielen Stellen dann etwas vormachen". Ist das eine späte Einsicht oder müsste es nicht eher heißen, dass die Verantwortlichen in der Regierung angesichts der Realität den Bürgern kaum noch etwas vormachen können?

Jedenfalls ist nun klar, dass diese erst kürzlich so gut getestete Bank zerschlagen werden muss, was den Steuerzahler erneut Milliarden kostet, ohne dass das Krisenszenario überhaupt eingetreten ist. Die Steuermilliarden aus der ersten Rettungsaktion sind jedenfalls weg. Der Verwaltungsrat der Bank hat am Montag den neuen Rettungsplänen von Belgien, Frankreich und Luxemburg zugestimmt. Demnach werden die (Un-)Wertpapiere der Bank in eine Abwicklungsanstalt ausgelagert. Es wird also eine neue Bad Bank gegründet.

Belgien wird den nationalen Ableger des Instituts für vier Milliarden Euro teilweise verstaatlichen und damit wird seine enorme Staatsverschuldung weiter vergrößern (Nun rücken Italien und Belgien ins Visier). Lag sie schon Ende 2010 bei 96,8% wird sie nun definitiv die bedeutsame Marke von 100% im Verhältnis zum Bruttosozialprodukt überschreiten. Zieht also erneut eine marode Bank ein Euroland in die Pleite wie zuvor in Irland?

Insgesamt werden die drei beteiligten Länder Finanzierungsgarantien für 90 Milliarden Euro zur Verfügung stellen. Belgien übernimmt mit mehr als 60,5% den Löwenanteil, Frankreich ist mit 36,5% dabei und das kleine Luxemburg haftet für die restlichen 3%. Da Dexia eine wichtige Finanzquelle für französische Kommunen ist, wird dieser Teil abgespalten. Die französischen Staatsbank Caisse des Depots und die Postbank Banque Postale fangen diesen Teil auf. Für den luxemburgischen Teil und für die türkische Tochter Deniz-Bank werden jetzt Käufer gesucht. Während die Deniz-Bank als einigermaßen stabil gilt, soll die Dexia Kommunalbank Deutschland in einer schweren Krise stecken. Sie ist der deutschen Finanzaufsicht Bafin in den vergangenen Jahren schon mehrfach negativ aufgefallen und musste zuletzt im Juni das Kapital um 300 Millionen Euro erhöhen.

Schuldenschnitt von mehr als 60 Prozent?

Die Mutter und die deutsche Tochter haben viel Geld in griechischen Anleihen stecken. Inzwischen ist eigentlich allen klar, dass diese bestenfalls nur noch die Hälfte des Geldes wert sind, das einst dafür ausgegeben wurde. Denn dass Griechenland an einem Schuldenschnitt (Haircut) vorbeikommen könnte, glaubt eigentlich längst niemand mehr ernsthaft.

Nun hat die Debatte ganz offen der Chef der Eurogruppe angestoßen. Jean-Claude Juncker hat sogar einen Haircut von mehr als 60 Prozent als mögliche Lösung ins Gespräch gebracht. "Wir reden über mehr", sagte Juncker dem österreichischen Fernsehsender ORF auf die Frage, ob über einen Schuldenschnitt von 50 bis 60 Prozent debattiert werde. Das allein reiche aber nicht aus, erklärte Juncker. Vor allem müsste die Ansteckungsgefahren in der Euro-Zone begegnet werden. "Mit aller Gewalt" müsse verhindert werden, dass ein Staat der Euro-Zone den Bankrott erklärt.

Ohne die Bremser in Berlin und Paris zu benennen, gab der luxemburgische Regierungschef zu, dass die politische Führung in der Krise "nicht optimal" gewesen sei: " Wir waren nicht schnell genug.“ Erstaunt es eigentlich noch jemanden, dass man nun genau über die Zahlen debattiert wird, über die schon im Frühjahr gesprochen wurde, als spätestens allen klar war, dass an einer Entschuldung kein Weg vorbeiführen wird (Pläne für die Umschuldung Griechenlands reifen)? Genau deshalb hatte Juncker schon im Mai hektisch zu einem Geheimtreffen geladen Wer ständig lügt, dem glaubt man nicht. Doch statt Maßnahmen zu ergreifen, ging danach der gesamte Zirkus auf einer neuen Bühne los, mit der erneut versucht wurde Zeit zu gewinnen. (Griechenland-Zirkus auf neuer Bühne).

Das führte voraussehbar in die Sackgasse. Nun lenkt auch die Bundeskanzlerin Angela Merkel ein. Nach der unsäglichen Debatte vor den Wahlen in Berlin drängt sogar Merkel den französischen Präsidenten Nicolas Sarkozy dazu, dem Schuldenschnitt in Griechenland zuzustimmen. Das hatte die Financial Times Deutschland (FTD) berichtet und ein wirkliches Dementi war aus der Regierung nicht zu vernehmen. Unter Berufung auf hohe Regierungskreise zitierte die FTD: "Wir setzen uns dafür ein", allerdings stehe Frankreich dem Schuldenschnitt noch skeptisch gegenüber, weil französische Banken noch stärker in Griechenland engagiert sind.

Die hatten sich an die Abmachungen von einst gehalten. Dexia-Chef Pierre Mariani offenbarte, dass es massiven politischen Druck auf die Bank gegeben habe, sich nicht aus Griechenland-Staatsanleihen zurückzuziehen. "Es war vielleicht unsere Naivität, den Forderungen der Regierungen zu einfach nachzugeben", erklärte Pierre Mariani . Deutsche Banken, Versicherungen und Rentenfonds haben gegen die Übereinkunft ihr Engagement in Griechenland verringert , weshalb sie nun von einem Schuldenschnitt nicht mehr so hart betroffen wären.

Ratlosigkeit und Hektik

Bei ihrem neuen bilateralen Treffen am Sonntag in Berlin, hatten sich Merkel und Sarkozy aber darauf geeinigt, dass man erneut kapitalschwache Banken mit Steuergeldern unterstützen werde. Details wurden keine genannt. Wie die neue Bankenrettung aussehen könnte und wer alles gerettet werden soll, wissen Merkel und Sarkozy wohl selber noch nicht. Die beiden Staatschefs, die sich quasi als EU-Regierung aufspielen, sonderten vor allem erneut heiße Luft ab.

Angesichts des Dexia-Debakels zeigt sich aber, dass ihre Politik grandios versagt hat. Dass man den EU-Gipfel, der für das kommende Wochenende geplant war, nun um eine Woche verschiebt, zeigt deutlich die Ratlosigkeit in Berlin und Paris angesichts der Lage an, in die vor allem diese beiden Regierungschef die Eurozone geführt haben. Merkel und Sarkozy versuchen erneut Zeit zu gewinnen. Man darf gespannt sein, ob angesichts ihres Scherbenhaufens die notwendigen und schmerzlichen Schritte gegangen werden, die bisher sehr teuer für die Steuerzahler vertagt wurden. Dexia macht auch klar, dass wohl kaum der Weg weiter gegangen werden kann, in ein Fass ohne Boden immer mehr Geld zu versenken, weil man praktisch alle Banken mit dem Stempel "systemische Bank" versieht.

Wieder einmal wird es nach dem heißen Euro-Sommer nun im Herbst erwartungsgemäß hektisch. EU-Ratspräsident Herman van Rompuy hat mitgeteilt, dass bis zum Gipfel weitere Elemente erarbeitet werden müssten. Er sprach die Probleme Griechenlands, die geplante Bankenkapitalisierung und die Effizienz des Euro-Rettungsfonds EFSF an. Damit weist alles darauf hin, dass nun real der Schuldenschnitt Griechenlands auf die Tagesordnung rückt. Denn viele Institute brauchen dann frisches Kapital, wenn sie mindestens 60% der Griechenland-Anleihen abschreiben müssen. Man muss zudem kein Wahrsager sein, dass ein Schuldenschnitt auch für andere Euroländer nötig sein wird, um ihnen eine Chance zu geben, überhaupt wieder auf die Beine kommen zu können.