Adieu spanischer Haushalt - adieu sozialdemokratische Regierung?

Abgeordnetenhaus in Madrid. Bild: Luis García / CC BY-SA 4.0

Die katalanische ERC lehnt wegen Bewegungslosigkeit den Haushalt von Pedro Sánchez ab, womit Spanien immer klarer auf Neuwahlen zuläuft

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Es empört die spanischen Sozialdemokraten (PSOE) ganz besonders, dass die Republikanische Linke Kataloniens (ERC) am Dienstag einen Änderungsantrag zur völligen Ablehnung des Haushalts 2019 eingelegt hat. Hatten die Sozialdemokraten (PSOE) von Regierungschef Pedro Sánchez doch stets geglaubt, die pragmatischer argumentierende Unabhängigkeitspartei werde die Behandlung Haushalts im Parlament ermöglichen. Gehofft hatten sie auch darauf, die ERC werde letztlich zustimmen, um Neuwahlen zu verhindern.

Der ERC reißt die Hutschnur

Die Ansicht verstärkte sich, nachdem die rechtsradikale VOX erstmals in ein Regionalparlament eingezogen ist und die PSOE ihre Hochburg Andalusien an ein von VOX geduldetes Bündnis verlor. Die Angst davor, das könnte sich in ganz Spanien wiederholen, sollte die ERC zur Zustimmung treiben. Und, so hoffte man in Madrid, damit könnte zudem einen Spaltungskeil in die Unabhängigkeitsbewegung getrieben und die Widersprüche verstärkt werden.

Schließlich hatte die Katalanische Europäische Demokratische Partei (PDeCat) von Carles Puigdemont stets die Ablehnung des Budgets angekündigt. Der katalanische Regierungschef Quim Torra hatte Sánchez wegen der absurden Anklagen gegen Anführer der Unabhängigkeitsbewegung längst "jede Unterstützung" entzogen. Vor den anstehenden Prozessen hat sich bisher kaum etwas bewegt und das Verfahren wegen einer angeblichen Rebellion beginnt am 12. Februar vor dem Obersten Gerichtshof in Madrid.

Dass die Anklagen aufrechterhalten werden - dem ERC-Chef Oriol Junqueras droht mit 25 Jahren Haft sogar die höchste Strafe -, ist nur ein Grund, warum auch der ERC die Hutschnur reißt. Dazu kommen erniedrigende Bedingungen, unter denen die Gefangenen gerade mehr als sieben Stunden nach Madrid verfrachtet wurden. Die Zellen in dem Bus waren mit einer Höhe von 160 Zentimetern zu klein, um auch einmal aufzustehen.

Die Bedingungen im Madrider Gefängnis sind ebenfalls fatal, es sei "saukalt" erklären die Gefangenen gegenüber ihren Angehörigen. Auf der Hochebene (900 Meter über dem Meeresspiegel) läuft nur zwei Stunden am Tag die Heizung. Den Gefangenen wurden tagelang die Computer nicht ausgehändigt, um sich auf die Prozesse vorzubereiten. Junqueras hat eine Verschiebung des Verfahrens um drei Wochen gefordert, um sich durch alle Akten wühlen zu können.

Diese Vorgänge haben auch bei der ERC das Fass zum Überlaufen gebracht. Sie wirft Sánchez vor, sich nach "rechts ziehen zu lassen" und keinen "Lösungsweg" für den Konflikt einschlagen zu wollen. Der ERC-Parlamentssprecher Joan Tardá stellt deshalb klare Bedingungen für einen Rückzug des Ablehnungsantrags und die Zustimmung zum Haushalt.

"Der Ball liegt bei der PSOE"

Es müsse einen Dialog über das Selbstbestimmungsrecht mit Vermittlern geben, wenn möglich internationale, und zudem müsse die "Farce" beendet werden, wie er die Anklagen nennt. Tardá stellt fest, dass die PSOE mit der Rechten in der "Repressionspolitik" übereinstimme. Die habe sich mit dem Auftritt von VOX "radikalisiert". Man habe keinen einzigen Anruf der PSOE erhalten, die "kein Interesse"am Dialog habe.

Die Regierung müsse gegenüber von Staatsanwaltschaft (ein Ministerium in Spanien) fordern, die Anklagen zurückziehen, wenn sie ihren Haushalt durchbringen will. In einem Interview verwies der ERC-Parlamentarier Gabriel Rufián auch mit Blick auf die deutschen Richter im Fall Carles Puigdemont darauf hin, dass weder eine Rebellion noch ein Aufruhr festgestellt werden konnte: "Das von der Staatsanwaltschaft zu verlangen, ist nicht schwer, denn wir haben in Europa gesehen, dass es keine Beweise gibt."

Er glaubt nicht, dass die Regierung noch etwas tut, obwohl sie das könne. Aber auch Gabriel lässt die Tür bis zum Prozessbeginn offen. "Der Ball liegt bei der PSOE", sagte Rufián. Er verwies auch darauf, dass auch die Linkspartei Podemos (Wir können es) droht, diesen Haushalt abzulehnen.

Puigdemonts PDeCat hat ihrerseits einen Ablehnungsantrag für Freitag angekündigt, wenn die Frist für Einsprüche abläuft. Sie ist es nun, die noch Zeit für klare Gesten sieht. Bis 12 Uhr müsse ein Dialog über die Selbstbestimmung angesetzt werden, sagte Josep Lluìs Cleries. Ohne "zufriedenstellende Antwort" werde man den Ablehnungsantrag stellen, fügte der PDeCat-Sprecher im Senat an.

Ohne die Stimmen der beiden Parteien fällt der Haushalt schon vor seiner Behandlungen am 13. Februar durch, einen Tag nach Beginn des absurden Gerichtsverfahrens. Dabei geht es im Kern nur darum, dass die katalanische Regierung eine demokratische Abstimmung über die Unabhängigkeit durchgeführt hat. Das ist in demokratischen Staaten wie Großbritannien im Fall Schottlands oder Kanada im Fall Quebecs völlig normal.

Sánchez und sein Außenminister

Die Referenden konnten ohne staatliche Gewalt und Repression durchgeführt werden. Dort wird das Selbstbestimmungsrecht respektiert, das vom UN-Sozialpakt in Artikel 1 als Menschenrecht definiert ist.
Obwohl den Pakt auch Spanien ratifiziert hat, fabuliert Außenminister Josep Borrell von "unerfüllbaren Bedingungen" und spricht vom "sogenannten Selbstbestimmungsrecht". Der antikatalanische Aktivist hat eine Propagandaoffensive gestartet, die auf derlei Fake-News basiert.

Er will nun die "Ibuprofen-Therapie" beenden, weil die Katalanen offenbar "immun" gegen "bestimmte Medikamente" seien. Will er wieder "desinfizieren", wie er es früher in einem grauenvollen Stil für Katalonien vorgeschlagen hatte?

Folgt Sánchez seinem Außenminister und bricht den Dialog ab, dann kommt er an Neuwahlen kaum vorbei. Und bei denen sieht es wahrlich nicht rosig aus, weil auch der Partner Podemos völlig zerstritten ist und in der Wählergunst immer weiter absackt. Klar ist, dass Sánchez Neuwahlen nur mit den Stimmen der Katalanen verhindern und somit an der Macht bleiben kann.

Auf den Präsidentensessel kam er im vergangenen Juni nur per Misstrauensantrag gegen den konservativen Rajoy mit deren Stimmen. Die PSOE versucht nun vor allem, den Druck auf die ERC zu erhöhen. Sie wirft ihr vor, dass sie "sich mit ihrem Antrag auf "die Seite der Rechten" stelle, um mit der Volkspartei (PP) und den Ciudadanos (Cs) den "sozialsten und progressivsten" Haushalt zu stürzen, sagte der PSOE-Sprecher Felipe Sicilia.

Die Katalanen erinnern die PSOE aber daran, dass sie immer wieder mit diesen Parteien gemeinsame Sache machen, Gesetze mit ihnen beschließen, Untersuchungskommissionen verhindern, wie zu Verwicklungen der Sicherheitskräfte in die islamistischen Anschläge in Barcelona und Cambrils. Katalonien wurde sogar mit den Stimmen dieser Parteien unter Zwangsverwaltung gestellt.