MH17: Kehrtwende bei der Untersuchung des Abschusses?

Bild: Openbaar Ministerie

Chefermittler Westerbeke zieht nun in Betracht, dass MH17 unbeabsichtigt abgeschossen wurde, Ukraine und die Niederlande haben das Abkommen über die Untersuchung noch einmal verlängert

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Mit der Aufklärung des Abschusses der Passagiermaschine MH17 am 17. Juli, der zu einer abrupten Verschärfung des Konflikts zwischen der Nato und Russland führte, scheint es nicht wirklich voranzukommen. Das von der niederländischen Staatsanwaltschaft geführte Gemeinsame Ermittlerteam (JIT), dem neben den Niederlanden Vertreter von Australien, Belgien, Malaysia und der Ukraine angehören, ist weiterhin der Überzeugung, dass MH17 von einer Buk-Rakete getroffen wurde, die in der Nähe von Pervomaiskyi abgefeuert wurde, einem Gebiet, das damals von den Rebellen kontrolliert worden sei. Doch beim Aufspüren der Verantwortlichen und von Zeugen gibt es Schwierigkeiten.

Anfang Dezember haben das ukrainische und das niederländische Außenministerium eine von Präsident Poroschenko ratifizierte Vereinbarung getroffen, das Abkommen über die am 28. Juli 2014 begonnene Untersuchung des Abschusses bis zum 1. August 2018 fortzusetzen. Es wurde bereits mehrmals verlängert und wäre im Januar 2018 ausgelaufen. Im September hatten die 5 Staaten vereinbart, die Verdächtigen vor ein niederländisches Gericht zu stellen.

Die Einbeziehung der Ukraine in das Gemeinsame Ermittlungsteam und dabei möglicherweise getroffene Absprachen hatte immer wieder Kritik hervorgerufen, da die Ukraine direkter Konfliktpartner ist. 2014 haben die Staaten, die das Gemeinsame Ermittlungsteam aufstellten, eine Vereinbarung getroffen, nach der jeder Staat ein Veto einlegen kann, wenn von ihm stammende Informationen der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden sollen (non disclosure). Die niederländische Regierung wies im August 2017 zurück, dass es eine solche Absprache gebe, allerdings erklärte sie, dass der Inhalt des gesamten JIT-Abkommens geheim sei. Eine Offenlegung würde den "internationalen Beziehungen" schaden.

Das lässt weiter Misstrauen bestehen, ob tatsächlich alle relevanten Informationen in die Strafverfolgung einbezogen werden (Memorandum zur Weitergabe von Informationen zwischen der Ukraine und den Niederlanden). Das JIT betont auf seiner Website, man habe "Vorkehrungen getroffen, um die Unabhängigkeit der Untersuchung sicherzustellen. In dieser Hinsicht wurde vereinbart, dass die Untersuchung gemeinsam durchgeführt wird und dass die Ergebnisse kontinuierlich von allen JIT-Mitgliedern geprüft werden, so dass sie nicht auf internationaler Ebene beanstandet werden können."

Namentlich genannt hat das JIT noch keinen Verdächtigen, man habe aber 100 Personen im Visier, sagte der Leitende Staatsanwalt Fred Westerbeke. Zurückhaltend wurde auf einen Bericht von Bellingcat Anfang Dezember reagiert, in dem gesagt wird, eine Stimmanalyse habe zur Identifizierung desjenigen geführt, der vom JIT unter dem Decknamen "Delfin" gesucht wird. Er hat mit einem "Orion" mehrere Male telefoniert, die Gespräche waren vom ukrainischen Geheimdienst SBU abgehört worden. Es sei mit großer Wahrscheinlichkeit der russische Offizier Nikolai Fedorovich Tkachev, der gegenwärtig als Chefinspektor des Zentralen Militärbezirks tätig sei. Es sei unklar, welche Rolle "Delfin" und "Orion" beim Abschuss der MH17 gespielt haben, möglicherweise hat er den Transport der Buk über die Grenze und zurück organisiert. Überdies stritt Tkachev ab, 2014 in der Ukraine gewesen zu sein. Das JIT erklärte, man könne Informationen über Einzelpersonen nicht kommentieren, werde das aber überprüfen.

In der Ukraine wurde ein Haftbefehl für Sergey Dubinsky, einem russischen Veteran ausgestellt, der verdächtigt wird, das Buk-Abschusssystem in die Ostukraine gebracht zu haben. Es soll seine Stimme sein, die auf einem vom ukrainischen Geheimdienst abgehörten Telefongespräch russischen Soldaten befohlen hat, wohin sie das Buk-System bringen sollen. In dem Zusammenhang wird auch auf einen britischen Geheimdienstbericht verwiesen, der in einem Nebensatz behauptet, man wisse "über jeden begründeten Zweifel hinaus, dass das russische Militär das Raketenwerfer geliefert und wieder zurückgenommen" habe.