AKW-Laufzeitverlängerung, um Atom-Frankreich vor dem Blackout zu retten?
Seite 2: Kritische Lage in Frankreich
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Allerdings sollen die Franzosen auch derzeit wieder Strom sparen, denn die Pleite-EDF, die nun verstaatlicht werden muss, kauft derzeit viel Strom in ganz Europa extrem teuer ein, worüber die Strompreise in ganz Europa weiter hochgetrieben werden.
Obwohl die Franzosen sogar die Korrosionsprüfungen für weitere Atomkraftwerke auf das nächste Frühjahr verschoben haben, um weitere Abschaltungen zu verhindern, wird die Lage wegen der Hitze nicht nur im Sommer kritisch.
Besonders eng wird es im kommenden Herbst und Winter, wenn es kalt wird. Derzeit hat Frankreich gerade noch gut 24 Gigawatt Atomstromleistung am Netz. Im Januar 2021 ist das Land nur ganz knapp am Blackout vorbeigeschrappt, als es damals noch eine doppelt so hohe Leistung war. Im Winter 2012 brauchte das Land aber sogar 102 Gigawatt, ohne dass es damals viele E-Autos, E-Roller und ähnliches gab.
Deshalb wird hier darüber gesprochen, Atommeiler am Netz zu lassen, obwohl das niemand real benennt. Allen voran die FDP will das wahre Atomdesaster nicht aufbrechen lassen und ihrem Parteifreund und Präsident Macron beistehen. Wegen des Stromverbunds ist auch klar, dass ein Frankreich-Blackout auch Deutschland tief ins Chaos ziehen dürfte. Deshalb wird nun darüber debattiert, sogar uralte Meiler wieder anzuwerfen.
Genau deshalb wird hierzulande auch nicht darüber debattiert, dass Deutschland, obwohl doch viel Gas dringend eingespart werden soll, derzeit viel Gas nach Frankreich exportiert, um den Sommer-Blackout zu verhindern.
Atommacht Frankreich "erschüttert Versorgungs- und Energiesicherheit"
"Auch diese Woche überrascht noch immer, dass kaum in der Öffentlichkeit ankommt, wie sehr die Atommacht Frankreich gerade die gesamte europäische Versorgungs- und Energiesicherheit erschüttert", stellt Sebastian Sladek, Vorstand der Elektrizitätswerke Schönau (EWS) und Mitglied im Herausgeberrat von Klimareporter richtig fest.
Er spricht davon, dass der ausgeprägte Atomfetischismus jahrelang eine französische Energiewende verhindert hat, was sich jetzt massiv räche. Denn neben den Problemen bei Altreaktoren, gelang den Fetischisten nämlich auch die geplante "Renaissance" der Atomkraft nicht, von der man in Frankreich seit 20 Jahren träumt. Die ist nur noch ein Albtraum, wie Flamanville zeigt.
Allerdings ist klar, dass hinter dem Atomprogramm militärische Interessen der einzigen Atommacht stehen, welche die EU mit Frankreich noch hat. Das gibt Macron sogar offen zu.
Die angeblich so sichere dritte Reaktor-Generation ist eine Totgeburt und wird immer klarer zum Albtraum für den Stromkonzern und Kraftwerksbauer EDF. Seit 10 Jahren liefert der EPR nicht nur keinen Strom, sondern frisst Milliarden um Milliarden. Nun ist definitiv geklärt, dass es sich um einen Rüttelreaktor handelt.
Wegen Konstruktionsfehlern werden im Betrieb die Brennstäbe zerstört. Im chinesischen Taishan mussten deshalb die einzigen beiden EPR-Reaktoren abgeschaltet werden, die in den vergangenen 20 Jahren in Betrieb gingen. Auch sie verbrennen nur viel Strom zur Kühlung, statt Strom zu erzeugen.
Sehr teuer, ohnehin mit eher zweifelhaften Aussichten, will die EDF nun das Design überarbeiten. Darüber soll die Beschädigung der Brennstäbe verhindert werden, gibt man in Frankreich die Konstruktionsfehler zu. "Außerdem prüft sie auch mögliche Änderungen am Kühlwasser, um das Problem zu verringern", berichten vielsagend britische Medien, die von "Horror-Lecks" in Taishan sprechen.
Die Mehrkosten muss alleine die EDF und damit nun der französische Steuerzahler schultern für einen angeblich so billigen Atomstrom. Der ist genauso ein Märchen, wie die angebliche Versorgungssicherheit durch Atomenergie. Das Gegenteil ist der Fall, wie Frankreich beweist.
So weist Sladek von den Elektrizitätswerke Schönau auch auf einen Fakt hin, den die deutschen Qualitätsmedien bei den Debatten ums Gassparen einfach nicht zur Kenntnis nehmen wollen. Vor allem wegen dem französischen Atom-Desaster fehlten allein im ersten Halbjahr dieses Jahres dem europäischen Strommarkt insgesamt 35 Milliarden Kilowattstunden Strom.
"Die Mangellage und hohe Börsenpreise machen die Stromproduktion dann auch in deutschen Gaskraftwerken attraktiv."
In deren Windschatten kassierten auch Betreiber von Kohlekraftwerken höhere Margen. Denn durch den Merit-Order-Effekt bestimmen die teuersten Kraftwerke, welche Gewinne für die anderen mit abfallen. "Doch nicht nur die deutschen Gaskraftwerke wirken so dem Auffüllen der Gasspeicher entgegen."
Es fließe auch viel Gas aus Deutschland nach Frankreich ab, "weil die französischen Gaskraftwerke ebenfalls auf Hochtouren laufen, um den Atomausfall zu kompensieren".
Allein im Juni seien das 1,7 Milliarden Kilowattstunden gewesen. Es ist beim Gassparen hier weder die Rede davon, dass Deutschland das Backup für Frankreich gratis vorhält und nun auch noch das Gas über die Grenze liefert, dass Deutschland selbst fehlt.
"Vor dem Hintergrund überrascht es mich dann doch, wie wenig sich die Politik um eine verminderte Nachfrage kümmert. Energieeffizienz und Energiesparen werden kaum mit der gebotenen Dringlichkeit behandelt, um der Angebotsverknappung effektiv zu begegnen."
Sladek kritisiert, dass man in der Politik und Umfragen lieber "den atomaren Rattenfängern" hinterherrenne, "ohne zu begreifen, dass Atomkraft nicht die Lösung, sondern Teil des Problems ist."