Agenten- und Robotergemeinschaften
Seite 6: Sprachliche Ko-Evolution
- Agenten- und Robotergemeinschaften
- Evolutionäre Sprachspiele
- Die Entstehung von Bedeutung in Unterscheidungsspielen
- Der Aufbau von Wörterbüchern durch Sprachspiele
- Die Entwicklung der Phonologie durch Imitationsspiele
- Sprachliche Ko-Evolution
- Selbstorganisation
- Ebenenbildung
- Schlußfolgerungen
- Auf einer Seite lesen
In der genetischen Evolution sind die Unterscheidungskriterien nicht fixiert, sondern von einer Umwelt abgeleitet, die sich dank der Ko-Evolution ständig ändert. Beispielsweise verändert sich eine Art, die ein Beutetier darstellt, in der Evolution, um ihrem Jäger besser zu entkommen. Doch das veranlaßt den Jäger, sich auch evolutionär weiter zu entwickeln, um die Beute besser fangen zu können. Während die Evolution selbst ein zu erreichendes Gleichgewicht anstrebt, verursacht die Ko-Evolution eine sich selbst verstärkende Spirale in Richtung auf höhere Komplexität.
Auch im Fall der Sprache scheint die Ko-Evolution eine wesentliche Rolle für die wachsende Komplexität einer Sprache auf allen Ebenen zu spielen. Der grundlegende Druck kommt aus der wachsenden Komplexität der Interaktion zwischen Agenten und zwischen Agenten und Umwelt, die teilweise durch eine zunehmend größere Sprachfähigkeit unterstützt wird. Daher wirkt die sprachliche Komplexität auf sich selbst zurück und wächst so an. Das Lexikon übt Druck auf die Phonologie aus, um ein angemessenes Repertoire von Phonemen zu schaffen. Wenn es nicht genug gibt, werden durch Imitationsspiele neue erzeugt. Das Sprachspiel übt zuerst einen Druck auf die Module der Bedeutungserzeugung aus, um beispielsweise über genügend Unterscheidungen zu verfügen. Wenn es mehrere unterschiedliche Gegenstandsarten gibt, braucht man mehr Unterscheidungen. Es übt auch Druck auf das Lexikon aus, um die Bedeutungen zu lexikalisieren, die man kommunizieren muß. Je mehr Bedeutungen folglich in den Sprachspielen gebraucht werden, desto größer muß auch das Lexikon sein.
In den bis jetzt durchgeführten Experimenten beginnt eine Vielzahl von Wortfolgen zu emergieren, da mehr als ein Wort benötigt wird, wenn Gruppen von Merkmalen feiner werden, um ein gegebenes Merkmal in Worte zu codieren. Syntax wird zu einem natürlichen Bedürfnis, wenn immer größerer Druck ausgeübt wird, um mit möglichst wenigen Elementen eine immer differenzierte Bedeutung ausgedrückt werden soll.
Verschiedene Spiele werden miteinander verbunden, weil das Ergebnis der einen als Input für andere verwendet wird. Das führt zu weiteren selektionistischen Zwängen, so daß es einen Hin- und Rückfluß zwischen zwei voneinander abhängigen Modulen gibt. Wenn Modul 1 einen Input für Modul 2 liefert, wird jenes auf das Modul 1 zusätzliche selektionistische Zwänge ausüben. Das bei einer Unterscheidung verwendete Merkmal ist beispielsweise in einem Sprachspiel dann geeigneter, wenn es bereits lexikalisiert wurde. Wenn ein Agent ein Wort benutzt und damit bestimmte Merkmale, muß der andere Agent vielleicht sein Repertoire an Merkmalen entsprechend erweitern, bevor er das Wort decodieren kann. Daher gibt es für Merkmale zwei selektionistische Zwänge: Sind sie zur Unterscheidung geeignet? Und sind sie lexikalisiert oder müssen sie dies werden? Ein Phonem ist ganz ähnlich nicht nur dann als Teil der phonologischen Repertoires geeignet, wenn es reproduziert und verstanden werden kann, es muß auch im Lexikon verwendet werden.