Corona-Journalismus oft zu ungenau

Symbolbild Covid: Nachrichten auf dem Handy

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Auch weniger beachtete journalistische Qualitäten wie Genauigkeit lohnen einen genauen Blick. Aber was gilt es zu beachten und welche Stolperfallen gibt es?

Bedeutsame Kriterien zur Messung journalistischer Qualität wie Richtigkeit, Vollständigkeit oder Repräsentativität wurden bei Telepolis schon 2021 bereits während der Pandemie diskutiert.

Doch auch von Medienjournalismus und Medienforschung weniger beachtete Qualitäten wie Genauigkeit lohnen einen eingehenden Blick.

Denn nicht jede ungenaue Aussage ist falsch. Sie verringert aber meistens das Orientierungsangebot im Vergleich zu einer präzisen Aussage.

Genauigkeit wichtig zur Orientierung

Gut veranschaulichen lässt sich dies bei Mengenangaben: 900 Demonstranten sind durchaus "dutzende", deutlich treffender aber wäre die Angabe "hunderte". Ebenso ist die Übersetzung als "im dreistelligen Bereich liegend" korrekt, genauer wäre aber "fast vierstellig". Denn es muss stets darum gehen, dass bei Lesern oder Hörern ein Bild entsteht, das mit der Realität möglichst gut übereinstimmt.

In der Corona-Zeit drehten sich Diskussionen über Demo-Berichte oft um solche Zahlenangaben. Mit entsprechender Ungenauigkeit lassen sie sich tendenziell über- oder untertreiben, ohne etwas Falsches zu behaupten. Auch eine völlig korrekte Angabe kann ohne weiteren Zusatz in die Irre führen.

Als Karl Lauterbach zu Beginn des Corona-Geschehens zunehmend Beachtung in den Medien fand, wurde er häufig als Arzt vorgestellt. Denn ein besonderes politisches Mandat für Gesundheitsthemen hatte er zu diesem Zeitpunkt nicht. Er war weder reguläres noch stellvertretendes Mitglied im entsprechenden Ausschuss des Bundestags.

Karl Lauterbach, der studierte Mediziner

Lauterbach spricht von sich selbst zwar stets als Arzt, und er nennt deshalb andere Ärzte Kollegen. Seitdem er im Jahr 2010 seine Approbation erhalten hat, ist die Bezeichnung formal richtig. Doch anders, als sich das die meisten unter einem Arzt vorstellen dürften, hat Lauterbach keine nennenswerten Zeiten als Arzt gearbeitet, nicht einmal als Arzt im Praktikum.

Um ihn nicht als erfahrenen Arzt erscheinen zu lassen, wie man mit diesem Zusatz langjährig praktizierende Mediziner bezeichnet, müsste er in Abgrenzung daher als "unerfahrener" Arzt vorgestellt werden. Etwas freundlicher wäre die Bezeichnung "studierter Mediziner".

Diese Formulierung nutzte jedenfalls während der Pandemie der Präsident der Bundesärztekammer, Klaus Reinhardt, weil Lauterbach "Erfahrungen im Umgang mit Patientinnen und Patienten" fehlten.

Damit das Publikum Lauterbachs Fachkunde einschätzen kann ist jedenfalls ein schlichtes "Arzt" zu wenig.

Corona-Gegner: Ein Kompositum scheitert an sich selbst

Ungenau sind regelmäßig Schlagworte und Etiketten, mit denen heterogene Personengruppen oder komplexe Themen griffig gemacht werden sollen.

Das Schlagwort "Maßnahmen-Kritiker" wurde im Corona-Journalismus durchgängig nur für all jene verwendet, denen staatliche Regelungen zu weit gingen. Und das keineswegs nur in Deutschland.

Damit bekam der eigentlich offene Begriff "Kritiker" eine politische Richtung. Dabei war medial die Kritik der Gegenseite viel lauter, wurde nur nicht so genannt, wenn sie etwa formulierte: "die Regierenden versagen vor ihrer historischen Pflicht", "die körperliche Unversehrtheit aller [...] Bürger zu garantieren".

Schon nahe am Hanebüchenen war das synonym zu "Maßnahmen-Kritikern" verwendete Schlagwort "Corona-Gegner". Der inzwischen eingestellt Blog Floskelwolke setzte es in seinem Jahresranking 2020 auf Platz 2 der Floskel des Jahres 2020. Begründung:

Corona-Gegner: Ein Kompositum scheitert an sich selbst. Natürlich sind alle gegen das Virus – gemeint werden jedoch Gegner der Pandemie-Politik. Wer Schlagworte sinnlos verkürzt oder sinnlos verkürzte Schlagworte in Umlauf bringt, wird mit Spott nicht unter fünf Jahren bestraft

Pressemitteilung vom 01.01.2021