Der Parlamentarismus als Anachronismus

Seite 5: Die Parlamentarier sind Marionetten der Regierung

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Es spielt für die Gesetzgebung keine Rolle, dass die meisten Parlamentarier wenig Ahnung von der Materie haben, über die sie beschließen, denn sie erfüllen ohnehin widerspruchslos nur den Willen der Parteioligarchie. Das fällt besonders bei solchen Gesetzesvorhaben auf, die im Rampenlicht der Berichterstattung stehen, wie die Zustimmung zur (gescheiterten) Europaverfassung und zu dessen (halb gescheiterten) Nachfolger, dem Vertrag von Lissabon. Diese wurden -ohne die sonst übliche Aussprache- im Parlament regelrecht duchgewunken, wobei man die Abgeordneten sogar noch verstehen kann, denn diese demokratiefeindlichen Machwerke sind nicht nur inhaltlich, sondern auch redaktionell eine Zumutung. Die Hörigkeit der Bundesparlamentarier gegenüber der Regierung wurde in eklatanter Weise offenbar, als im Oktober 2008 binnen weniger Tage das Gesetz zur Rettung der Banken durch das Parlament gepeitscht wurde, ohne die sonst monatelangen Verhandlungen in den zuständigen Ausschüssen. Dabei wurde über ca. 500 Milliarden Euro verfügt, die höchste Summe, über die je in einem deutschen Parlament enschieden wurde. Die meisten Abgeordneten konnten -wegen der Kürze der Zeit und mangels Fachkenntnissen- überhaupt nicht wissen, worum es dabei ging. Trotzdem haben sie dem Ansinnen der Regierung ohne Gewissensbisse mit großer Mehrheit zugestimmt und den größten ungedeckten Wechsel aller Zeiten unterschrieben. Wenn es aber um ein paar zusätzliche Millionen für soziale oder bildungsbezogene Zwecke geht, wird im Parlament endlos darum gefeilscht.

Das grundgesetzliche Gebot der Unabhängigkeit der Abgeordneten wird durch den verfassungswidrigen Franktionszwang ausgehebelt. Der Fraktionszwang wiederum kann nur durch offene Abstimmungen im Parlament ausgeübt werden. Und dies ist nur deshalb möglich, weil das Grundgesetz gegen solchen Machtmisbrauch keine Vorkehrungen getroffen hat. Vielmehr haben sich die etablierten Parteien das Wahlrecht und die Geschäftsordnung der Parlamente so zurecht geschnitten, wie es ihrem Bedürfnis des Machterhalts am besten nützt, zum Nachteil neuer politischer Köpfe, auf die eine Demokratie nicht verzichten kann. Das heißt, die von der politischen Klasse geschaffenen Spielregeln der Demokratie verhindern von vornherein die Erfüllung von unabdingbaren demokratischen Grundsätzen, und die Demokratie wird damit zur Farce.

In unserem angeblich freiheitlich-demokratischen Rechtsstaat gibt es kein Bürgerrecht auf beliebige Einsicht in alle staatlichen Dokumente, vielmehr schließen die Dienst- Amts- und Staatsgeheimnisse die Bürger nicht nur vom Herrschaftswissen, sondern auch von der Kenntnis über politische und administrative Fehler aus. Außerdem gibt es keine wirksamen Einrichtungen zur Kontrolle staatlichen bzw. amtlichen Machtmissbrauchs. Die Strafverfolgung durch die Staaatsanwaltschaft ist nicht unabhängig, wie es sich in einer Demokratie gehört, sondern von Weisungen der politischen Klasse abhängig. Die Justiz ist mit Günstlingen der Politik durchsetzt. Die Rechnungshöfe sind nur zahnlose Löwen, jedoch keine echten Kontrolleinrichtungen mit der Befugnis zur Unterbindung von Verschwendung und Untreue oder von parlamentarischen Untersuchungen. Die demokratiefeindlichen Vorschriften zur Geheimhaltung für Beamte verhindern, dass die meisten Mißstände überhaupt bekannt werden, jedenfalls nicht, bevor Geld in der Staatskasse fehlt und die Steuern oder Staatschulden erhöht werden müssen.

Die Untersuchungsausschüsse der Parlamente dienen nicht der Feststelllung der Wahrheit, sondern der Selbstamnestierung der regierenden Mehrheit oder der Bloßstellung des politischen Gegners. Da aber auch in den Ausschüssen die Regierungsfraktionen und die Parteioligarchen das letzte Wort haben, werden Skandale nicht wirklich aufgedeckt, und wenn doch, hat das keinerlei Konsequenzen. Die Ausschüsse haben geringe Befugnisse und vor allem keine Macht, das Fehlverhalten von Regierungsmitgliedern gründlich zu untersuchen und zu sanktionieren. Wenn die Regierung etwas für geheim erklärt, weil sonst angeblich das Wohl der Republik auf dem Spiel steht, aber auch, wenn ein Regierungsmitglied sich schlicht weigert, auf Fragen zu antworten, sind dem Parlament die Hände gebunden.

Der größte Teil der Gesetzgebung im Bundestag umfasst Auftragsarbeit für die Europäische Union, wobei das Parlament nur bürokratische Pflichtübungen, ohne echte politische Debatten absolviert. Mittlerweile sind 80% aller Rechtsakte des Bundestages nur Hausaufgaben für die EU. Das bedeutet, der Bundestag vertritt nicht mehr das Volk, das ihn gewählt hat, sondern die Interessen der EU. Selbst Grundgesetzänderungen auf Befehl der EU (Wehrdienst an der Waffe von Frauen, Auslieferungsverbot für Deutsche) machte der Bundestag in bedingungsloser Unterwerfungsbereitschaft mit. Gegenüber der NATO übt der Bundestag regelmäßig Kadavergehorsam, der dazu geführt hat, das deutsche Soldaten überall auf der Welt eingesetzt werden, wo das Pentagon es befiehlt. Dabei wird auch das Friedensgebot des Grundgesetzes bedenkenlos missachtet. Das Wohl des deutschen Volkes, eine grundgesetzliche Verpflichtung der Staatsorgane der BRD, ist dabei völlig untergeordnet. Derart vasallentreu hat sich nicht einmal die DDR-Volkskammer gegenüber der Sowjetunion verhalten: So tief sind wir gesunken. Brauchen wir dafür ein Parlament?

Seit dem Beginn der Globalisierung, die praktisch mit der Gründung der Europäischen Union zusammenfällt, hat Deutschland, das ja nicht nur aus international agierenden Kapitalbesitzern besteht, auch seine monetäre und wirtschaftliche Selbstbestimmung verloren. Der Verzicht auf eine eigene Währung vergibt zugleich wirtschaftliche, politische und soziale Souveränität.

Das Bundesverfassungsgericht hat den Vertrag von Lissabon als grundgesetzwidrig gebrandmarkt und substantielle Nachbesserungen in Form von Begleitgesetzen verlangt, die aber vermutlich wieder nicht den Ansprüchen der eigentlich machtlosen Verfassungshüter genügen dürften. Dafür (und für so vieles andere) bräuchten wir eigentlich kein Verfassungsgericht, wenn das Parlament seine Pflicht tun würde, oder noch besser, das Volk zu entscheiden hätte.