Deutsche Lehren aus dem Ukraine-Krieg

Seite 3: Horror-Szenario für die USA: Deutschland verbündet sich mit Russland

Die lange Tradition des US-amerikanischen Widerstands gegen für Deutschland vorteilhafte Beziehungen zum Gegner im Osten erklärt sich der Politikwissenschaftler George Friedman so:

Deutschland bildet zusammen mit Russland eine ernsthafte Gefahr für die Weltmachtpolitik der USA.

Dies war 2015, als Friedman einen Vortrag vor dem renommierten Chicago Council on Global Affairs hielt. Der amerikanische Politologe ist nicht irgendwer. Er war 2015 "Chef des von ihm 1996 gegründeten Thinktanks Stratfor, der in den USA den Spitznamen "Schatten-CIA" trägt.

Nach Angaben des kanadischen Informationsdienstes Global Research berät er rund 4.000 US-Firmen und Personen. 2011 veröffentlichten Wikileaks eine Vielzahl an E-Mails von Stratfor. Aus denen geht hervor, dass viele der Aktivitäten Spionage und Subversion sind".

Die VDI-Nachrichten fassten damals zusammen:

Folglich würden die Amerikaner alles unternehmen, um eine Annäherung dieser beiden Länder zu torpedieren. Das würde sich insbesondere in der Ukraine zeigen, wo die USA immer stärker direkt eingreifen und sich über die Politik der Zurückhaltung von Kanzlerin Merkel hinwegsetzen würden. Laut Friedman ist es das Ziel der US-Politik, einen Gürtel aus antirussischen und europaskeptischen Staaten zu schaffen, die als Pufferzone zwischen Russland und Deutschland fungieren. Hierzu gehören vor allem die baltischen Staaten, Weißrussland und die Ukraine.

Man stelle sich vor: Die ökonomische Weltmacht Deutschland mit der Europäischen Union im Schlepptau verbündete sich mit der militärischen Weltmacht Russland! Ein Horrorszenario für alle USA-Präsidenten, nicht nur für Trump, der bekanntlich die EU als Gegner bezeichnete.

Das zum Thema, dass jeder Staat doch sein Bündnis frei wählen können müsse, wie im Fall Ukraine immer wieder zu hören ist. Einem Wechsel Deutschlands von der Nato zu einer anderen Partnerschaft würden die USA sicher nicht tatenlos zusehen.

Deutsche Tour: Mit Nato und EU im Rücken Sondervorteile erzielen

Das von hiesigen Politikern oft und über einen langen Zeitraum hinweg zitierte "Europäische Haus", zu dem auch Russland gehören sollte, wurde deshalb seit jeher von den USA mit gehörigem Argwohn betrachtet. Den großen Nachbarn im Osten als Absatzmarkt und billige Produktionsstätte benutzen, günstige Energie zuverlässig geliefert bekommen und wegen dieser Beziehungen auch einen gehörigen politischen Einfluss auf die östliche Macht ausüben können – das war bis zum Ukraine-Krieg die spezielle Tour Deutschlands: Mit einer militärischen Weltmacht USA und dessen Bündnis Nato im Rücken und als Führungsnation einer ökonomisch erfolgreichen EU legte man sich Russland zurecht.

Das war zwar nicht jene "Augenhöhe", die sich einst Wladimir Putin bei seinem Angebot einer Partnerschaft zwischen Deutschland und Russland vorgestellt hatte (bei seinem Auftritt vor dem Deutschen Bundestag 2001).

Aber immerhin folgten die deutschen Regierungen nicht umstandslos allen Attacken der US-Amerikaner in der Welt. Deutschland und Frankreich nahmen nicht an der Invasion der USA im Irak 2003 teil.

Beide Staaten stimmten 2008 gegen einen Nato-Beitritt von Georgien und der Ukraine. Und sie versuchten mit dem "Normandie-Format" ohne US-amerikanische Beteiligung den Ukraine-Konflikt nach dem Putsch 2014 und dem folgenden Anschluss der Krim an Russland zu regeln.

Sogar als Trump und dann auch Nachfolger Biden gegen die Erdgaspipeline Nord Stream 2 vorgingen, rückte Deutschland nicht vom Projekt mit Russland ab. Angela Merkel und später Olaf Scholz zogen sich darauf zurück, dass es sich schließlich nur um ein wirtschaftliches Projekt handelte. Im Umkehrschluss: Von unserer politischen Gegnerschaft gegen Moskau nimmt das nichts weg, liebe amerikanische Partner, versteht das bitte nicht falsch!

Die deutschen Politiker hielten die Beziehungen aufrecht und nutzten ihre speziellen "Gesprächskanäle". Vielleicht würden diese ja den Störenfried Moskau eher zum Einlenken bringen, beispielsweise beim westlichen Vorgehen gegen den Iran oder Syrien.

Und Russland mag sich erhofft haben, dass die wirtschaftlichen Verflechtungen mit Deutschland und die damit einhergehenden diplomatischen Beziehungen den Druck der amerikanischen Feindschaft mildern würden.