Die Antwort der USA
(Teil 2 und Schluss)
1. Der Antrag auf Anerkennung russischer Sicherheitsinteressen: abgelehnt!
Die Forderungen des Kreml, erklärt die US-Führung, sind definitiv "unerfüllbar", die Nato-Osterweiterung ist und bleibt unhintergehbarer Besitzstand. Eine Anerkennung der russischen Sicherheitsinteressen ist für Amerika kategorisch ausgeschlossen; die würde ja auf die Annullierung all der strategischen Fortschritte der letzten Jahrzehnte hinauslaufen, die den mächtigen Rivalen so erfolgreich in Bedrängnis gebracht haben.
Änderungen an ihrem Programm, Russland zur Regionalmacht zu degradieren und zur Unterordnung zu zwingen, hat die Weltmacht bei aller Härte der russischen Drohung einfach nicht im Angebot.
Zu den Forderungen [Moskaus] gehören ein Ende der Nato-Osterweiterung und der Zusammenarbeit mit ehemaligen Sowjetrepubliken, die nicht Mitglied des westlichen Militärbündnisses sind – insbesondere mit der Ukraine. Russland fordert außerdem Einschränkungen in Europa bei der Stationierung von Raketen und bei Militärübungen. Nach den Gesprächen mit dem stellvertretenden russischen Außenminister Sergej Rjabkow sagte Sherman, sie habe deutlich gemacht, dass die ersten beiden Forderungen – die Ukraine für immer aus der Nato herauszuhalten und die militärische Zusammenarbeit mit Kiew zu unterbinden – nicht infrage kämen.
Wir werden nicht zulassen, dass irgendjemand die Politik der offenen Tür der Nato, die schon immer ein zentrales Element des Bündnisses war, zunichtemacht. Wir werden nicht auf die bilaterale Zusammenarbeit mit souveränen Staaten verzichten, die mit den Vereinigten Staaten zusammenarbeiten wollen.
U.S. Deputy Secretary of State Wendy Sherman, rfe/rl, 11.1.22
Das US-Kriegsbündnis: nichts als eine "offene Tür". Von einem antirussischen Zweck, der das Bündnis und seine Bündnispolitik begründen und leiten würde, will die Vizeaußenministerin nichts wissen.
Russland wird glatt das Dementi präsentiert, dass beim Vorrücken der Nato doch weit und breit keine Bedrohung Russlands zu sehen sei, und anstelle der objektiven, von der Nato hergestellten strategischen Lage beteuert man seine Absichten, gut gemeinte natürlich:
Begreifen soll man die Nato als einen großen Hilfsverein für souveräne Staaten, die Schutz suchen – bei wem, ist keine Frage; und vor wem, ebenso wenig – die Nato hat viel Verständnis für die Ängste der Balten etc. vor dem großen Nachbarn; der braucht sich nicht zu wundern, wenn das frei betätigte Selbstbestimmungsrecht der Völker – "Jedes Land hat das Recht, über seinen Weg selbst zu entscheiden." (Stoltenberg et al. bei jeder erdenklichen Gelegenheit) – binnen kurzem zu einem Aufwuchs des größten Kriegsbündnisses aller Zeiten auf 30 Nationen führt.
Als Konter gegen den russischen Antrag, die Osterweiterung der Nato zurückzunehmen, muss man nur stereotyp diejenigen, die den Antrag aufs Mitmachen-Dürfen im Bündnis stellen, zu den eigentlichen Subjekten des ehrenwerten Vereins ernennen – auch wenn es sich die Nato selbstverständlich vorbehält, den Wunsch mancher Völker, von ihrem souveränen Selbstbestimmungsrecht auf Beitritt Gebrauch zu machen, bis auf Weiteres zu überhören.1
Das Kriegsbündnis ist immer noch das wirkliche Subjekt, bei dem die Zuständigkeit für die Aufnahme liegt, das die nationalen Ambitionen der Antragsteller für seine strategischen Interessen instrumentalisiert und sich damit nach Osten erweitert. Damit – "Russland hat kein Veto-Recht" (Stoltenberg, Blinken et al. bei jeder erdenklichen Gelegenheit) – sind die Begründungen dann am Ende.
Der Vorwurf, dass Russland dem Westen etwas verbieten, sich ein Recht herausnehmen möchte, das ihm gar nicht zusteht, diese Verschiebung auf eine imaginierte Rechtsanmaßung fertigt in apodiktischer Weise das Interesse Russlands ab, sich der von der Nato ausgehenden existentiellen Gefährdung seiner Macht durch die Beschlagnahmung seines Glacis zu erwehren.
Die russischen Kernforderungen sind ein für allemal zurückgewiesen. Das hat Moskau hinzunehmen.