Die Bertelsmann-GLS-Bank-Connection

Seite 4: Hat das alles etwas mit den Waldorfschulen zu tun?

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Wir haben also eine Stiftung, einen Medienkonzern und eine Universität, die betonen, ihnen sei unternehmerische Verantwortung wichtig. Und wir haben die GLS-Bank, die sich bei aller Kritik zumindest in vielen Fällen für gute Projekte jenseits von reinem Wachstumsstreben und Gewinnmaximierung einsetzt indem sie diese finanziert.

Etwa im Bereich der Energiewende, unkonventioneller Wohnprojekte oder reformpädagogischer Schulen, in deren Mittelpunkt jenseits von technokratischer Qualifizierung der Mensch mit der Entfaltung seiner Persönlichkeit steht.

Die GLS-Bank hat zwar auch anthroposophische Wurzeln und finanziert daher die ideologisch nahe stehenden Waldorf- und Montessori-Schulen und Kindergärten, die Denkweise dieser Bildungseinrichtungen stehen den Zielen von Bertelsmann aber entgegen. Daher verstören die Verflechtungen der GLS-Bank mit der beschriebenen privaten Universität Witten-Herdecke.

Insel im Meer einer durchökonomisierten Gesellschaft

Im Gegensatz zu Privatunis und staatlichen Schulen verfolgen die Waldorfschulen im Rahmen ihres Bildungskonzepts keine "neoliberalen" Ziele: Während an staatlichen Schulen in den meisten Fällen die Qualifikation der Kinder für die spätere reibungslose Integration in den Arbeitsmarkt im Vordergrund steht, ist es bei Waldorfschulen - zumindest erklärtermaßen - die Persönlichkeit des einzelnen Menschen.

Damit stehen die staatlichen Schulen trotz ihrer Unentgeltlichkeit ideologisch eher auf der Seite von Bertelsmann und Privatuniversitäten. Man könnte die Waldorfschulen mit ihrem Ansatz, möglichst wenig und möglichst spät mit Schulnoten Druck auf die Schülerinnen und Schüler auszuüben, in einem gewissen Sinne sogar als Insel in einem Meer einer stetig weiter durchökonomisierten Gesellschaft und einem Denken in Kategorien von Humankapital sehen.

Dem entgegen wird häufig der Vorwurf gegen die Waldorfschulen vorgebracht, sie seien elitär, da sie Schulgebühren nehmen. Dieser Vorwurf sollte jedoch differenziert betrachtet werden, weil Waldorfschulen vor allem deshalb gezwungen sind, Schulgeld zu nehmen, da die Bundesrepublik Deutschland für jeden Schüler an privaten Schulen lediglich 80 % der Mittel bereitstellt, wie an staatlichen Schulen.

Sie sind also nicht per se elitär, sondern werden durch die Bildungspolitik zu einem gewissen Elitismus gezwungen. Um diesen gering zu halten, gibt es ein sozial gestaffeltes Schulgeld an Waldorfschulen - je nach finanziellen Kapazitäten der Eltern und für einige Kinder muss kein Schulgeld gezahlt werden.

Selektivität, Schulgeld und Studiengebühren

Die Selektivität bleibt aber bestehen, allein schon dadurch, da Eltern sich aktiv um die Einschulung in eine Privatschule kümmern müssen: Dies setzt Wissen und meist auch eine höhere Bildung voraus, so dass die meisten Waldorfschüler aus der Mittelschicht - und teilweise aus der Oberschicht stammen.

Der Diskurs über die Frage, ob private Schulen überhaupt notwendig sind, ist auch legitim, soll aber an dieser Stelle nicht ausgebreitet werden. Aus Sicht des Autors ist ihre Existenz so lange sinnvoll, wie staatliche Schulen durch technokratisch-neoliberale Prinzipien bestimmt werden und mit nachweislich unsinnigen Bestrafungssystemen wie Notendruck, früher Selektion und Sitzenbleiben arbeiten.

Die GLS-Bank und die Geschäftemacherei mit Studiengebühren

Das Studieren an der privaten Universität Witten-Herdecke ist sehr teuer. Es gibt mehrere Finanzierungsmodelle zur Auswahl. Man kann beispielsweise pauschal nach 4 Semestern Studium im Beruf 10 Jahre lang jeweils etwa 4,5 - 14 Prozent des Einkommens an die Uni Witten-Herdecke zurückzahlen. Oder man kann sofort zahlen für eine monatliche Studiengebühr von 464 bis 1.100 Euro - je nach Studienfach.

Denn auch die Gebühren sind entsprechend der Humankapital-Ideologie danach gestaffelt, wie hoch die Gehaltserwartungen der Studierenden bei Eintritt in den Arbeitsmarkt sind. Die Studiengebühren betragen also für den "Billig"-Studiengang "Philosphie & Kulturreflexion" für ein Semester (bzw. sechs Monate) 2.784 Euro und für ein exquisiter klingendes "MA Management (extern)" schlappe 6.600 Euro pro Semester (!). Dazu kommen natürlich Lebenshaltungskosten.

"Beiträge" statt Studiengebühren

Schlau wie man ist, nimmt man an der Uni Witten-Herdecke das böse Wort der Studiengebühren nicht in den Mund. "Beiträge" heißen die Studiengebühren euphemistisch und verschleiernd in Witten. Das Wort erinnert eher an "Verwaltungsgebühren", die üblicherweise an staatlichen Universitäten in geringem Umfang erhoben werden und eine Art von Bearbeitungsgebühren darstellen.

Die GLS-Bank hilft der Universität Witten-Herdecke dabei, ihre PR-Version der Wahrheit über die Studiengebühren zu verbreiten. So etwa auf dem Blog der Bank. Im Beitrag und dem dazugehörigen Web-Video heißt es etwa:

"Wer Privatuni hört, denkt schnell an große Geldbeutel und abgeschirmte Elite. Die Gründer der Universität Witten/Herdecke hatten aber ganz anderes im Sinn - und das trifft auch auf die StudierendenGesellschaft (SG) der Uni zu."

[GLS-Blog-Moderatorin:] "Es ist ja ein sehr solidarisches Konzept" [Antwort:] "Es ist eine Ausleihung, kein Kredit" [Dass] "jeder studieren kann, ob mit oder ohne Geld"

Im dazugehörigen Video ist auch immer wieder die Rede von "Beiträgen", nicht von Studiengebühren. Das Wording zieht sich durch alle Teilorganisationen der Universität durch, wie etwa bei der sogenannten Studierenden Gesellschaft, auf deren Internetseite die Studiengebühren der Eliteschmiede aufgeführt werden.

Finanzierung und Verschuldung

Das Wort Solidarität wird auffällig häufig verwendet, wohl geschickt gespinnt im Rahmen derselben professionellen PR-Strategie. Die häufige Verwendung des Wortes ändert aber nichts am Umstand, dass sich Studierende dieser Elite-Universität verschulden und den Kredit entweder 10 Jahre lang abbezahlen müssen - oder aus einem reichen Elternhaus stammen.

Dass die Verschuldung einen abschreckenden Effekt auf potentielle Studierende hat, liegt auf der Hand - insbesondere wenn der familiäre Hintergrund wenig finanziell abgesichert ist.

Der Versuch, Studiengebühren durch derartige Modelle der nachgelagerten Zahlung als sozial darzustellen, ist nicht neu und es hatte sich das Aktionsbündnis gegen Studiengebühren (ABS) bereits intensiv damit auseinandergesetzt. Die Widerlegung der allgemeinen Argumente von Studiengebühren-Befürwortern wurde auch etwa prägnant durch das Studiengebühren-Boykottbündnis an der Universität Hamburg in den Jahren 2007 und 2008 vorgenommen.

Für die Finanzierung des speziellen Modells von Studiengebühren an der Universität Witten-Herdecke wurde eine Anleihe über die GLS-Bank aufgesetzt. Die Funktion ist recht einfach:

Über 10 Jahre lang leihen wir uns Geld von Anlegerinnen und Anlegern für 3,6% jährlichem Zins - und nach 10 Jahren zahlen wir das Geld an die Anleger zurück.

GLS-Bank

In anderen Worten verdient die GLS-Bank Geld mit der Verschuldung von Studierenden durch die Zahlung von Studiengebühren an einer privaten Hochschule. Es bleibt aber auch über die privaten Universitäten hinaus zu befürchten, dass das Thema Studiengebühren noch lange nicht vom Tisch ist, wenn Bertelsmann, andere neoliberale Organisationen und sogar die GLS-Bank an Modellen zur privaten Finanzierung des Studiums tüfteln.

Das Thema scheint überhaupt wie kaum ein anderes kaum tot zu kriegen zu sein - auch nachdem zwischen 2007 und 2013 der soziale Kampf gegen die Studiengebühren in Deutschland zunächst gewonnen worden war. In den Hinterzimmern der Macht werkeln Bertelsmänner und andere Wirtschaftslobbyisten weiterhin daran, die Studiengebühren auch an staatlichen Universitäten wieder einzuführen. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis das Thema wieder auf den Tisch kommt.