Ein religiöses Gefängnis

Jeb Bush, Gouverneur von Florida und Bruder des US-Präsidenten, hat das erste Gefängnis eröffnet, das die Häftlinge mit Religion vom Verbrecherdasein kurieren soll

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In Florida werden nicht nur entscheidende Wahlen gewonnen bzw. verloren, hier werden auch innovative Konzepte entwickelt und in die Realität umgesetzt. Aus Florida kommen beispielsweise Idee und Umsetzung für eine umfassende Datenbank, in die - wie in die des mittlerweile verbotenen TIA-Projekts - möglichst viele Informationen auch von US-Bürgern zusammengefasst werden sollen, um nach verdächtigen Verhaltensmustern zu suchen. Das Projekt, das bald in mehreren Bundesstaaten starten soll, heißt ausgerechnet auch noch Matrix (Matrix ist in Florida) und stammt von einer dubiosen Person, die allerdings zum Wahlsieg von George Bush in Florida beigetragen hatte. Aber es gibt noch mehr Innovatives in Florida.

In Florida residiert Jeb Bush als Gouverneur, der Bruder des US-Präsidenten, der bekanntermaßen ein christlicher Mensch ist und gerne auch einmal zugunsten seiner Politik auf die Religion zurückgreift. Auf religiöse Gruppen auch aus dem extremen Rand basierte auch die Wahlkampagne des US-Präsidenten, der John Ashcroft aus dem rechts-religiösen Spektrum zu seinem Justizminister ernannte. Religiös im Sinne Ashcrofts ist man, wenn man für die Todesstrafe, gegen Abtreibung, gegen Sex vor der Ehe, aber für strengere Strafen) und das Recht auf Schusswaffen) eintritt, aber auch gerne einmal Gesetze umgeht, wenn der Kampf gegen das Böse dies erfordert, und natürlich für den Treueschwur an den Schulen kämpft (Welchen Treueschwur zum 226. Unabhängigkeitstag der USA?). Gerne singt der Justizminister, der regelmäßig zusammen mit den Angestellten im Ministerium betet, auch religiöse und patriotische Lieder (John Ashcroft lässt den Adler segeln).

Bush hat denn auch bald nach seinem Antritt des Präsidentenamtes die Faith-Based and Community Initiative mitsamt einer eigenen Behörde im Weißen Haus gegründet. Für liberale Kritiker hebelt dies Trennung zwischen Staat und Kirche aus, weil dadurch mehr staatliche Gelder in religiöse Organisationen fließen. Es geht um Milliardenbeträge. Entsprechende Zentren wurde durch "executive orders" in vielen Ministerien eingerichtet, darunter beim Justizministerium und bei der Agency for International Development (U.S. AID), verantwortlich für die Vergabe von Geldern für den Wiederaufbau im Irak. Im Dezember 2002 wurde von Bush durch eine weitere "executive order" festgelegt, dass religiöse Organisationen bei der Vergabe von Geldern für soziale Zwecke nicht diskriminiert werden dürfen.

Im Rahmen dieser Stärkung der Religion und religiöser Hilfsorganisationen wurde nun von Jeb Bush am 24. Dezember, pünktlich zum christlichen Feiertag, das erste "faith-based" Gefängnis eröffnet. Auserwählt wurde für den Start des vorbildlichen Gefängnisses die Lawtey Correctional Institution mit über 800 Häftlingen. Sinn dieses religiösen Gefängnisses soll sein, die Häftlinge zum Glauben zurückzuführen oder sie überhaupt an eine Religion zu binden, um dadurch ihre Wiedereingliederung in die Gesellschaft zu fördern. Wer religiös ist, begeht kein Verbrechen und wir nicht mehr zum Rückfalltäter, so wohl der dahinter stehende Glaube. Jeb Bush will mit diesem Gefängnis Florida, sowieso "landesweit führend bei der Entwicklung innovativer Partnerschaften mit religiösen Gruppen", zum Vorbild für die USA machen. Das Gefängnis "wird das Leben von vielen Menschen verändern, indem es einen Weg aus dem Strafrechtssystem schafft".

Um den Glauben zu stärken, sollen den Häftlingen, die freiwillig am Programm teilnehmen können, sieben Tage die Woche religiöse Angebote gemacht werden, was vom gemeinsamen Beten über Bibelstudien oder Chorsingen bis zu Beratungen reicht. Das soll ganz unabhängig vom Glauben geschehen, wobei man abwarten muss, wie es beispielsweise dort den Muslims ergehen wird. Die Rede, die Jeb Bush an die Gefangenen richtete, scheint doch sehr stark auf das Christentum ausgerichtet gewesen zu sein, auch wenn sich im Augenblick Angehörige von 26 Religionsgemeinschaften im Gefängnis befinden sollen:

I can't think of a better place to reflect on the awesome love of our Lord Jesus than to be here at Lawtey Correctional. God bless you.

Jeb Bush

Wer in das Programm aufgenommen werden will, muss einen Antrag stellen und kann in das Gefängnis, sofern ein Platz frei ist, überstellt werden. Voraussetzung ist vor allem, dass in den letzten 12 Monaten keine Disziplinarstrafe verhängt wurde. Staatliche Gelder sollen in diesem Fall aber nicht in das religiöse Programm fließen. Mindestens 500 Freiwillige aus allen Religionsgemeinschaften sollen die Gefangenen mit dem notwendigen Beistand versorgen und zudem gute Verbindungen herstellen, so dass die entlassenen Häftlinge auch außerhalb des Gefängnisses weiter Unterstützung finden. Nachdem im November den Häftlingen die neue Ausrichtung verkündet wurde, hätten 111 die Verlegung beantragt. Die frei gewordenen Plätze seien dann durch Häftlinge von anderen Gefängnissen aufgefüllt worden. Die anderen warten wohl erst einmal ab, was auf sie zukommt.