Eklat auf Parteitag: "Selbst Migranten wählen aus gutem Grund selten die Linke"
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Bijan Tavassoli kaperte gleich nach der Rede des Vorsitzenden Schirdewan das Mikrofon. War das politischer Ernst oder kann das weg? Wir haben angerufen und nachgefragt.
Auf dem jüngsten Parteitag der Linken hat der Politaktivist Bijan Tavassoli für Aufsehen gesorgt: Er ergriff nach der Rede des Parteivorsitzenden Martin Schirdewan das Mikrofon und nutzte seine Rede für eine Fundamentalkritik an der Partei.
Im Interview mit Telepolis und der Berliner Zeitung äußerte sich Tavassoli, der offen mit der neuen Wählervereinigung um die ehemalige Linken-Politikerin Sahra Wagenknecht sympathisiert, nun erstmals zu der Aktion.
Die Bühne zu stürmen und politische Aktionen auf der Bühne zu veranstalten, das hat eine gewisse Tradition auf Parteitagen in der Linken. Wie kam es denn zu ihrer Rede? Spontan oder geplant?
Bijan Tavassoli: Von Stürmen der Bühne kann nun wirklich nicht die Rede sein. Ich wollte das Demokratiedefizit auf dem Podium deutlich machen:
Da verteilt ein Parteivorsitzender die vorderen Listenplätze seit Wochen nach Gutsherrenart, greift sich dabei den Allerersten für sich selbst und lässt sich dafür wie Honecker auf der Tribüne 1989 beklatschen.
Ich hingegen wurde ich als sein Gegenkandidat von Sicherheitskräften aus dem Saal abgeführt.
Die Linke steckt aber in einer schweren Krise, viele Optionen hat Vorsitzender Martin Schirdewan nicht. Gehen Sie mit ihm nicht etwas hart ins Gericht?
Bijan Tavassoli: Gegenfrage: Haben Sie von diesem Abgeordneten Schirdewan jemals ein Wort gegen Bodo Ramelows Forderung gehört, weitere schwere Waffen in die Ukraine zu liefern? Stattdessen posierte er beim Handshake mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj in Brüssel.
Aktion auf Linken-Parteitag: Lust an Provokation?
Aber warum das Hereindrängen auf dem Parteitag – nachdem Sie mit ähnlichen Aktionen von sich reden gemacht haben. Wie viel ernsthafter Wille zur politischen Debatte ist dabei, wie viel Lust an der Provokation?
Bijan Tavassoli:In Ermangelung anderer Möglichkeiten innerparteilichen Gehörs hatte ich schon 2019 das Mittel einer Kandidaturrede eingesetzt, um die versammelten Funktionäre an die friedenspolitischen Programmpassagen zu erinnern.
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Ich hatte damals mit einem aus heutiger Sicht leider prophetisch klingenden Appell geendet: nicht zuzulassen, dass die frisch mit EU-Mitteln asphaltierten Straßen Osteuropas erneut von deutschen Panzern gen Russland befahren werden.
Das war auch ein Beweggrund, jetzt in Augsburg meinen Parteiaustritt zu vollziehen. Und nebenbei die pseudoliberalen Prozedere der Geschäftsordnung zu karikieren.
Etwas viel Aufwand, oder?
Bijan Tavassoli: Ob die Partei es mir noch wert wäre, von Hamburg nach Augsburg einmal quer durch die Republik zu fahren, um mich dann von 500 empörten Delegierten, dafür ausbuhen zu lassen, als ungebetener Gast ihre mitsamt Lichtershow, Rockmusik und Durchhalteparolen durchgetaktete Krönungsmesse mit kritisch-dissonanten Tönen zu stören wusste ich allerdings bis zuletzt selbst nicht.
Am Ende fand ich: Es hat sich gelohnt.
Obwohl in der Presse von einem "wirren und aggressiven Statement" die Rede ist?
Bijan Tavassoli: Mal ehrlich: Die meisten Medien waren doch nur angereist, um (Parteivorsitzenden Martin) Schirdewan und (die parteilose EU-Kandidatin Carola) Rackete gegen Sahras neue Partei hochzujubeln.
Sie meinen Sahra Wagenknechts "Bündnis Sahra Wagenknecht"; ein Verein, der zur Partei werden soll. Sie sind dem Projekt offenbar ja nicht abgeneigt.
Bijan Tavassoli: Ja, genau, aber schon mein spontaner kleiner Auftritt brachte alles durcheinander. Die Regie stellte mir dann ständig das Mikro und sogar den Livestream mit meiner Rede ab.
Das war wie auf dem Hamburger Landesparteitag Mitte September 2022, bei dem ich mich als Transmensch auf dem Frauenplatz für den Vorsitz beworben hatte.
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