Erdgas aus Algerien auf der Kippe

Pedro Sánchez; Bild (2020): Arne Müseler/arne-mueseler.com/CC-BY-SA-3.0
Die spanische Regierung will die Souveränität Marokkos über die Westsahara anerkennen, das erzürnt Algier. Sánchez' Entscheidung kommt zur Unzeit. Das algerische Gas sollte die EU aus der Abhängigkeit von Russland befreien
Die Ankündigung kam zur Unzeit und noch dazu hat der spanische Sozialdemokrat Pedro Sánchez die Entscheidung nicht einmal selbst verkündet, sondern er ließ Marokko vortreten. In einer Mitteilung teilte der autoritäre, marokkanische König, Mohammed VI., am Freitag mit, dass er vom spanischen Regierungschef einen Brief erhalten habe, in dem Sánchez den Autonomieplan für die illegal besetzte Westsahara, den Marokko 2007 präsentiert habe, als "ernsthafteste, glaubwürdigste und realistischste Grundlage für die Lösung des Konflikts" betrachtet [1].
Ministerpräsident Sánchez habe erklärt, beide Länder seien "durch Zuneigung, Geschichte, Geografie, Interessen und gemeinsame Freundschaft untrennbar miteinander verbunden". Die "Schicksale der beiden Völker" seien es auch, ebenso wie "der Wohlstand Marokkos mit dem Spaniens verbunden ist und umgekehrt", heißt es in der Mitteilung des marokkanischen Königs.
Sánchez hat sich bislang noch nicht zum historischen Schwenk seiner Regierung um 180 Grad geäußert. Aber sein Minister für Präsidentschaft, Félix Bolaños, hat den Brief und den Positionswechsel bestätigt und damit ein neues Beben in seiner ohnehin schwachen Minderheitsregierung ausgelöst [2].
Denn erneut wurde mit dem einseitigen Kurswechsel auch in dieser Frage dem linken Koalitionspartner Unidas Podemos (UP) vor den Kopf gestoßen, wie schon zuvor, als Sánchez in der Frage der Waffenlieferungen an die Ukraine umgefallen ist [3]. Zudem haben seine Sozialdemokraten (PSOE) gerade mit der gesamten Rechten, bis hin zu Vox-Ultras, gegen eine Initiative der linken Partner [4] gestimmt, endlich die Verbrechen der Franco-Diktatur strafrechtlich zu ermitteln.
Bolaños erklärte, dass es Spanien um eine "gute" und "stabile" Beziehung zu Marokko gehe. "Heute beginnen wir eine neue Phase in unseren Beziehungen zu Marokko, die auf gegenseitigem Respekt, der Einhaltung von Vereinbarungen, dem Verzicht auf einseitige Aktionen sowie auf Transparenz und ständiger Kommunikation beruht", heißt es in einer Presseerklärung der spanischen Regierung [5]. Gesprochen wird von "Stabilität, Souveränität, territoriale Integrität und den Wohlstand", die in beiden Ländern, die gewährleistet werden sollen.
Die Sozialdemokraten liefern Waffen an die Ukraine, um das Selbstbestimmungsrecht der Ukrainer zu verteidigen, dafĂĽr opfern sie auf der anderen Seite das Selbstbestimmungsrecht der Sahrauis. Die zahlreichen Resolutionen der UNO sind bekannt, die die Entkolonisierung der illegal von Marokko besetzten Westsahara fordern, der letzten Kolonie Afrikas.
Kritik
"Die gleichen völkerrechtlichen Gründe, aus denen wir die Souveränität und Unabhängigkeit der Ukraine verteidigen, müssen auch für den Schutz der Sahara vor der marokkanischen Invasion gelten", meint der Sprecher der spanischen Richtervereinigung "Richter für die Demokratie", Joaquim Bosch. Das Gegenteil davon sei es, die Interessen der Mächtigen über die Interessen der Menschen zu stellen [6].
Spanien stellt sich nun offen und konsequent angesichts des eigenen undemokratischen und repressiven Verhaltens in der Katalonien-Frage [7] hinter die marokkanischen Positionen. Das autokratische Königreich auf der anderen Seite der Meerenge von Gibraltar hintertreibt seit Jahrzehnten das vereinbarte Referendum über die Unabhängigkeit der Westsahara.
Das war aber die Grundlage für den Waffenstillstand mit der Befreiungsfront "Frente Polisario" im Jahr 1991. Die UNO sollte das Referendum über die Minurso-Mission [8] überwachen. Doch die zeigte sich unfähig, die Pläne gegenüber Marokko durchzusetzen. Nach ständigen, auch bewaffneten Provokationen Marokkos, auch in der entmilitarisierten Zone, platzte der Polisario nach drei Jahrzehnten vor eineinhalb Jahren schließlich der Kragen. Sie beschloss, auf die Provokation auch wieder bewaffnet zu antworten, weshalb der Waffenstillstand beendet [9] wurde.
Der spanische Minister für Präsidentschaft machte deutlich, dass es in der Frage einen Zusammenhang mit Flüchtlingen und illegalen Einwanderern gibt, denn man wolle sich nun gegen die illegale Einwanderung richten. Man wolle gegen die "Mafia und gegen den Menschenhandel zusammenarbeiten", erklärte Bolaños. Allerdings gibt es auch hierbei eine völlig unterschiedliche Behandlung und eine heuchlerische Zwei-Klassen-Gesellschaft.
Zwei-Klassen-Gesellschaft
Während die Ukraine-Flüchtlinge glücklicherweise mit offenen Armen empfangen werden, prügeln spanischen Sicherheitskräfte – wie kürzlich erst wieder – äußerst brutal auf Flüchtlinge die ein, die versuchen aus Marokko in die spanischen Exklaven Melilla und Ceuta zu kommen, wie Videos zeigen [10].
Das brutale Vorgehen wird von der Regierung und von ihrem Innenminister gerechtfertigt [11]. In der Presseerklärung der spanischen Regierung wird die "Entschlossenheit" bekräftigt, "die gemeinsamen Herausforderungen gemeinsam zu bewältigen, insbesondere die Zusammenarbeit bei der Steuerung der Migrationsströme im Mittelmeer und im Atlantik".
Angesichts dieser Argumentationslinie der Sozialdemokraten, ist verständlich, dass allerseits analysiert wird, dass nun Spanien gegenüber der "Erpressung" durch Marokko eingeknickt ist. Das erklärt auch die Polisario, die die Bevölkerung in Spanien dazu aufruft, Druck auf die Regierung auszuüben, um zu einer Lösung im Rahmen der Vereinten Nationen zu kommen [12].
Der Vertreter der Polisario in Spanien, Abdulah Arabi, bezeichnet Sánchez Einlassung, der davon spreche, "das Völkerrecht zu verteidigen", als "heuchlerisch" [13]. Allein mit einem Referendum, in dem die Sahrauis über die Unabhängigkeit abstimmen, könne der Konflikt gelöst werden.
Erpressung
Dass der Erpressung nachgegeben wird, drängt sich regelrecht auf. Man erinnert sich schließlich nur zu gut daran, dass vor knapp einem Jahr Marokko plötzlich die Grenze zur spanischen Exklave Ceuta geöffnet hat, um Druck auf Spanien auszuüben, und so zur "staatlichen Mafia und Menschenhändler wurde. Tausende, vor allem junge Marokkaner, die besonders schwierig wieder zurückgebracht werden können, gingen im Mai 2021 über die Grenze nach Spanien [14].
Der Professor für internationales Recht, Juan Soroeta, analysiert, dass es letztlich der ehemalige US-Präsident Donald Trump war, der kurz vor seinem Ausscheiden aus dem Amt einseitig, gegen das Völkerrecht, noch Öl ins Feuer in der Sahara geschüttet hat, als er plötzlich die Souveränität Marokkos über die Westsahara anerkannt [15] hatte. Diese Anerkennung durch Trump habe Marokko ermutigt, "die Schrauben gegenüber Spanien und der EU anzuziehen", damit die dies ebenfalls tun, schreibt Soroeta [16].
Selbstbestimmung
Der Professor für Völkerrecht meint, das "Überraschendste am Inhalt" des spanischen Briefes an Marokko sei, dass der "aktuelle internationale Kontext unsere Regierung bloßstellt", denn erst vor wenigen Tagen habe Sánchez die russische Invasion als "eine eklatante Verletzung des Völkerrechts, der nationalen Souveränität und der territorialen Integrität der Ukraine" bezeichnet und als einen "Frontalangriff auf die Grundsätze und Werte, die Europa jahrelang Stabilität und Wohlstand beschert haben".
Er hatte bekräftigt, Spanien sei der "internationalen Legalität verpflichtet, und die wirksamste Art und Weise, sich für diese internationale Legalität einzusetzen, ist die Sanktionierung ihrer Verletzung". Der Vergleich dieser Aussagen mit dem spanischen Brief an Marokko "löst nicht nur große Empörung, sondern auch Fassungslosigkeit aus", schreibt der Professor.
"Die wichtigsten UN-Gremien (Sicherheitsrat, Generalversammlung und Internationaler Gerichtshof) haben ausdrücklich das Recht des saharauischen Volkes auf Selbstbestimmung anerkannt, das durch die Durchführung eines Referendums über die Selbstbestimmung verwirklicht werden sollte, an dem die Saharauis und nur die Saharauis teilnehmen", erklärt Soroeta, wie Spanien das Völkerrecht in der Westsahara-Frage mit Füßen tritt.
Spanien sei auch nach dem chaotischen Abzug aus der früheren Kolonie 1975 trotz der Besetzung über den sogenannten "grünen Marsch" [17] durch Marokko weiterhin die "Verwaltungsmacht des Gebiets". Das sei bisher euphemistisch als "aktive Neutralität" getarnt worden. Spanien sei aber niemals neutral gewesen. Seit das Gebiet aufgegeben wurde, habe es real die Besetzung verteidigt.
Letztlich habe sich Spanien nun nur offen dazu bekannt und einen "schweren Verstoßes gegen das Völkerrecht" konsolidiert, wie es schon zuvor zu der militärischen Besetzung, beigetragen habe. "In der Ukraine ist die Lage ebenso ernst wie in der Westsahara", resümiert der Völkerrechtler.
Wie Telepolis immer wieder berichtet hatte, hat auch der erneut aufgeflammte Krieg in der Westsahara das Potential, weiter zu eskalieren und sich zu einem regionalen Krieg zu entwickeln. Marokko hat in den letzten Monaten alles dafür getan, um auch den Nachbarn Algerien zu provozieren, der seit Jahrzehnten eine schützende Hand über die Saharauis und die Polisario hält. In der algerischen Wüste befinden sich die Lager [18], in welche die Saharauis vor den Besatzern geflüchtet ist.
Dass Marokko Algerien sogar als "wahre Konfliktpartei" [19] bezeichnet hat, fĂĽhrte schlieĂźlich schon zum Abbruch der diplomatischen Beziehungen zwischen Algerien und Marokko. Ein Drohnen-Angriff sorgte schlieĂźlich im vergangenen November dafĂĽr, dass Algerien schlieĂźlich die Gas-Lieferungen nach Marokko eingestellt hat, nachdem ein Vertrag ausgelaufen [20].
Die Maghreb-Europa-Pipeline
So fließt seither über die Maghreb-Europa-Pipeline aber auch kein Gas mehr nach Spanien und Portugal, womit sich die Gasknappheit in Europa verschärft hat und die Preise weiter nach oben getrieben wurden.
Kürzlich hatte Algerien sogar noch angeboten, die Lieferungen nach Europa über die zweite Direkt-Pipeline zu verstärken und insgesamt mehr Gas nach Europa zu liefern. Damit würde auch die MidCat-Pipeline wieder sinnvoll sein, die die deutsche Gas-Abhängigkeit von Russland verkleinern könnte (MidCat-Pipeline zur Befreiung von der russischen Gas-Abhängigkeit? [21]).
Doch nun stehen alle bisherigen Aussagen Algeriens zur Disposition, da sich das Land durch die Westsahara-Entscheidung der sozialdemokratischen Regierung erneut verraten fĂĽhlt. "Dies ist nach dem katastrophalen Abkommen von 1975 der zweite historische Verrat Madrids am saharauischen Volk", werden Quellen aus der algerischen Regierung zitiert [22]. "Marokko hat endlich bekommen, was es von Spanien wollte."
Die Bedeutung des Gaslieferanten Algerien fĂĽr Europa
Algerien hat gerade seinen Botschafter in Spanien zu Konsultationen zurückbeordert und alsbald ist mit Reaktionen zu rechnen, die Spanien und Europa vermutlich gar nicht gefallen werden. In Algerien macht man schon darauf aufmerksam, dass das Land für die iberische Halbinsel das ist, was Russland für Deutschland ist. Denn Algerien ist der größte Gas-Lieferant von Spanien.
Schon vor geraumer Zeit hatte Algerien Spanien davor gewarnt, die Gasknappheit in Marokko durch die Umleitung von algerischem Gas nach Marokko zu lindern. Die Gefahr dafür steigt, angesichts des Schmusekurses, den Sánchez nun definitiv eingeschlagen hat. Spätestens dabei wird Algerien nicht zuschauen.
Klar ist, dass sich neben der Ukraine nun auch am Mittelmeer immer mehr Konfliktpotential staut. Es ist fast schmerzhaft absurd, wenn einige Medien zu dem Sánchez-Vorstoß titeln: "Spanien ebnet Weg zur Lösung des Westsahara-Konflikts." [23].
Das Gegenteil ist der Fall. Auch in dieser Region wird die Lösung des Konflikts nicht über ein demokratisches Referendum vorangetrieben, sondern es wird erneut Öl ins Feuer geschüttet. Das könnte nicht nur dazu führen, dass sich der Krieg in der Westsahara zu einem regionalen Krieg ausweitet, sondern es könnte ein weiterer Gashahn zugedreht werden - mit fatalen Folgen für die Energieversorgung in Europa.
Angesichts extremer Preise wäre das ein weiterer Baustein für den perfekten Sturm, mit dem die gefährliche Stagflation definitiv eintreten würde [24].
Habeck und die Gasversorgung
Dies geschieht vor dem Hintergrund, dass Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck kürzlich erklärte, die Gasversorgung für den nächsten Winter in Deutschland sei noch nicht gesichert [25]. Habeck gibt inzwischen sogar zu, dass dies ohne russisches Gas nicht gewährleistet werden könne.
Fällt auch algerisches Gas ganz oder teilweise aus, hätte das katastrophale Auswirkungen. Zu erinnern sei auch daran, dass Algerien Russland historisch deutlich nähersteht als dem Westen.
Zusammenarbeit mit Europa
Und Algerien muss zudem schmerzhaft zur Kenntnis nehmen, dass sich eine stabile Zusammenarbeit mit Europa nicht lohnt, sondern eher Erpressung, wie es Marokko deutlich vorexerziert hat. Somit dürfte man in Algier nun auch stärker geneigt sein, sein Gas stärker in die Verhandlungs-Waagschale zu werfen, um politische Forderungen durchzusetzen.
In einer Situation der Gasknappheit, in der Deutschland und Europa unabhängiger von Russland werden will, ist das natürlich der günstigste Augenblick. So blamiert sich Sánchez nicht nur darin, dass er in völkerrechtlichen Fragen ganz offensichtlich mit zweierlei Maß misst, sondern seine Entscheidung kommt für Europa in der Gas-Frage auch noch zur Unzeit, in der Algerien nun an einem langen Hebel sitzt.
Man fragt sich, wie der Hasardeur [26] genau zu dieser Zeit zu dieser unsäglichen Entscheidung kam.
Nach der Pfeife der USA tanzen
Einige Anhaltspunkte dafür gibt es allerdings. Wie in der Frage der Waffenlieferungen tanzt Sánchez auch hier ganz nach der Pfeife der USA. Es ist kein Zufall sein, dass der Brief an den marokkanischen Autokraten gerade dann öffentlich wurde, als US-Präsident Joe Biden sich nun seinerseits hinter die Anerkennung der Souveränität Marokkos über die Westsahara und damit hinter die Trump-Linie gestellt hatte [27].
Dass auch Biden gegenwärtig mit einer peinlichen Doppelmoral wie Sánchez die Positionen Marokkos unterstützt [28], hatten Medien in Marokko schon vor einigen Tagen berichtet. Verwiesen wurde darin auf das Ausgabengesetz, das Biden gerade unterschrieben hat, in dem nur noch von Marokko die Rede sei, die Westsahara nicht mehr erwähnt werde.
Darüber werde die "pro-marokkanische Haltung der USA in der Westsahara-Frage offiziell zur Politik gemacht". Klar ist aber, dass wir in Europa die Rechnung auch für diese fatale Eskalation bezahlen werden, denn die USA sind weitgehend unabhängig von Energieimporten.
Dass man es allerdings mit einer wohl breiter und länger abgestimmten Kampagne in der EU zu tun hat, zeigte sich nicht zuletzt auch am Urteil des Gerichts der Europäischen Union (EuG) in Luxemburg. Der Gerichtshof hatte im vergangenen Herbst die Polisario als Vertreter der Saharauis anerkannt und ein Assoziierungsabkommen zwischen Marokko und der EU angesichts einer der Polisario-Klage gekippt, weil es auch die illegal besetzte Westsahara eingeschlossen hatte.
Die Westsahara ist aber "kein Teil Marokkos" hatte das Gericht festgestellt. Doch der EU-AuĂźenbeauftragte Josep Borrell hatte nichts Besseres zu tun, als anzukĂĽndigen, dass man alles tun werde, um das Urteil zu umgehen [29].
Auch in Deutschland konnte man schon Veränderungen wahrnehmen, wie zum Jahreswechsel auf den Webseiten des Baerbock-Außenministeriums. So hatte Telepolis darüber berichtet, dass man auch bei der neuen grünen Außenministerin die Positionen aufgegeben hat, die unter Bundeskanzlerin Angela Merkel noch gehalten wurden.
Zum Entsetzen Marokkos war Merkel nicht auf Trump-Linie eingeschwenkt. Die alte Bundesregierung hatte auf Basis der UN-Resolutionen auf einen "gerechten, praktikablen, dauerhaften und für alle Seiten akzeptablen Lösung des Konflikts" unter "Achtung des Humanitären Völkerrechts und der Menschenrechte" gepocht und dabei stets auf die UN-Resolutionen zur Westsahara verwiesen. Deshalb hatte Marokko sogar die diplomatischen Beziehungen zu Deutschland abgebrochen.
Der Kurs von Baerbock
Um die Beziehungen wieder zu normalisieren, knickte auch Baerbock vor der marokkanischen Erpressung ein und "aktualisierte" die Basisinformationen. Da war plötzlich zur Westsahara-Frage zu lesen: "Marokko hat im Jahr 2007 mit einem Autonomie-Plan einen wichtigen Beitrag für eine solche Einigung eingebracht."
Auf Telepolis-Nachfrage wurde zwar im Auswärtigen Amt behauptet, es habe keine Veränderung gegeben, aber erneut wurde der Autonomie-Plan herausgestrichen, aber vom Selbstbestimmungsrecht der Saharauis war in den Antworten keine Rede mehr.
Der Kurs von Sánchez
Es ist klar, dass nun Sánchez für die USA in Europa Druck macht, um auch hier vollständig auf Trump-Linie einzuschwenken, die auch Biden vertritt. Der Zeitpunkt dafür ist fatal gewählt, man darf gespannt sein, wie Deutschland angesichts seiner Energieabhängigkeit von Russland darauf reagiert, wo man auch auf Gas aus Algerien hofft.
Gegen den Sánchez-Kurs stellen sich in Spanien nicht nur die linken Unterstützer der Regierung Sánchez, die immer wieder mal als "Linksregierung" bezeichnet wird. Der Ministerpräsident hat erneut eine massive Regierungskrise mit dem Vorstoß heraufbeschworen.
Die linken Unterstützer hatten der Minderheitsregierung schon die Unterstützung für die Reform der Arbeitsmarktreform versagt, die letztlich nur durch einen Abstimmungsfehler eines rechten Abgeordneten durch das Parlament kam. Dabei wurde deutlich, dass die Regierung über keine Mehrheit mehr verfügt, also längst am Abgrund steht [30].
In der Westsahara-Frage tritt, anders als bei den Waffenlieferungen in die Ukraine, auch die Linkskoalition UP geschlossen gegen den Sánchez-Kurs auf. Die Vize-Ministerpräsidentin Yolanda DĂaz, die gegen ihre Formation zum Beispiel Waffenlieferungen in die Ukraine mitträgt, ist klar gegen die Anerkennung der Souveränität Marokkos ĂĽber die Westsahara. Sie tritt weiter fĂĽr ein Unabhängigkeitsreferendum ein.
"Ich bekräftige mein Engagement für die Verteidigung des saharauischen Volkes und die Einhaltung der Resolutionen des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen", twitterte sie. "Lösung des Konflikts muss den Dialog und die Achtung des demokratischen Willens des saharauischen Volkes beinhalten [31]."
In der Frage stimmt sie mit der Podemos-Chefin Ione Belarra überein, die gegen Waffenlieferungen an die Ukraine ist und für eine "radikale Diplomatie" eintritt [32]. Belarra fordert eine "gerechte, dauerhafte und für beide Seiten annehmbare politische Lösung" für die Westsahara, die "im Einklang mit den Resolutionen des Sicherheitsrates steht und die "Selbstbestimmung des saharauischen Volkes gewährleistet [33]".
Sogar die rechte Volkspartei (PP) hat Sánchez, anders als im Ukraine-Krieg in der Frage nicht hinter sich. Sie fordert, dass Sánchez seinen Schwenk nun im Kongress erklärt. Die PP erinnert an die Position Algeriens und kritisiert, dass es nicht zu tolerieren sei, dass eine "politische Position mit einem traditionellen Konsens" nicht mit dem Oppositionsführer abgestimmt worden sei. Dabei hat Sánchez die nicht einmal mit dem Koalitionspartner abgestimmt, der in immer schwierigeres Wasser angesichts der linken Wähler gerät.
Diese absurde Schachzug dürfte Spanien vorgezogenen Neuwahlen näherbringen und damit zieht das Ende der Ära Sanchez am Horizont auf. Die Bevölkerung stöhnt schon jetzt unter einer enormen Inflation von offiziell 7,6 Prozent im Februar.
Kommt es zum Streit mit Algerien und fließt weniger oder kein Gas mehr, dann müssen sich vor allem die einfachen Menschen im Land sehr warm anziehen, wo es längst zu massiven Protesten kommt, ein schon seit sechs Tagen andauernder Streik von LKW-Fahrern die Versorgung im Land gefährdet.
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Links in diesem Artikel:
[1] https://telquel.ma/2022/03/18/sahara-lespagne-considere-linitiative-marocaine-dautonomie-comme-la-base-la-plus-serieuse-pedro-sanchez_1760085
[2] https://www.publico.es/politica/bolanos-garantiza-relacion-estable-marruecos-frente-migracion-irregular.html
[3] https://www.heise.de/tp/features/Linke-Ablehnungsfront-gegen-Waffenlieferungen-an-die-Ukraine-6543725.html
[4] https://www.publico.es/politica/psoe-y-derechas-impediran-reformar-codigo-penal-juzgar-crimenes-del-franquismo.html
[5] https://www.lamoncloa.gob.es/serviciosdeprensa/notasprensa/presidencia/Paginas/2022/180322-comunicado_marruecos.asp
[6] https://twitter.com/JoaquimBoschGra/status/1505137249813417989
[7] https://www.heise.de/tp/features/Expertenteams-Gut-geplante-militaeraehnliche-Operation-in-Katalonien-3851076.html
[8] https://minurso.unmissions.org/
[9] https://www.heise.de/tp/features/Westsahara-Marokko-provoziert-Polisario-beendet-Waffenstillstand-4961173.html
[10] https://twitter.com/rtvemelilla/status/1499475809987350534?s=12?ref_src=twsrc%5Etfw
[11] https://www.publico.es/actualidad/marlaska-justifica-actuacion-melilla-pese-denuncias-brutalidad-policial.html
[12] https://www.publico.es/internacional/frente-polisario-ataca-al-gobierno.html
[13] https://www.lavanguardia.com/politica/20220318/8136262/sahara-polisario-afirma-sanchez-sucumbe-chantaje-marrueco
[14] https://www.heise.de/tp/features/Wie-man-Spanien-und-die-EU-erfolgreich-erpresst-6049587.html
[15] https://www.heise.de/tp/features/Trump-heizt-Kolonialkonflikt-um-Westsahara-an-4987831.html
[16] https://blogs.publico.es/dominiopublico/44153/espana-cede-al-chantaje-de-marruecos-y-apoya-ya-sin-disimulo-la-ocupacion-militar-del-sahara-occidental/
[17] https://www.heise.de/tp/features/Kampf-um-die-Westsahara-3401340.html
[18] https://www.heise.de/tp/news/Terror-und-Fluechtlingsabwehr-im-Vordergrund-der-Mittelmeerunion-2607668.html
[19] https://www.maghreb-post.de/politik/marokko-bourita-bezeichnet-algerien-als-wahre-konfliktpartei-der-westsahara/
[20] https://www.heise.de/tp/features/Algerien-stoppt-Gaslieferungen-Richtung-Spanien-6259606.html
[21] https://www.heise.de/tp/features/MidCat-Pipeline-zur-Befreiung-von-der-russischen-Gas-Abhaengigkeit-6540135.html
[22] https://www.epe.es/es/internacional/20220319/argelia-traicion-espana-sahara-13398569
[23] https://www.nau.ch/politik/international/historisch-spanien-ebnet-weg-zur-losung-des-westsahara-konflikts-66134849
[24] https://www.heise.de/tp/features/Der-perfekte-Sturm-fuer-eine-gefaehrliche-Stagflation-6547363.html
[25] https://www.deutschlandfunk.de/habeck-energiesicherheit-gas-katar-reise-interview-100.html
[26] https://www.heise.de/tp/features/Stehaufmaennchen-Sanchez-Blinkt-gerne-links-und-ueberholt-dann-rechts-4079274.html
[27] https://elpais.com/internacional/2022-03-19/ee-uu-reitera-su-apoyo-al-plan-de-marruecos-para-el-sahara.html
[28] https://www.moroccoworldnews.com/2022/03/347703/western-sahara-us-support-for-moroccos-position-on-full-display-in-latest-spending-bill
[29] https://www.heise.de/tp/features/Marokko-und-EU-wegen-Kolonialismus-in-der-Westsahara-abgestraft-6206014.html
[30] https://www.heise.de/tp/features/Arbeitsmarktreform-Spanische-Regierung-am-Abgrund-6351527.html
[31] https://twitter.com/Yolanda_Diaz_/status/1504869787058515972?cxt=HHwWiMC5raTGr-IpAAAA
[32] https://www.heise.de/tp/features/Linke-Ablehnungsfront-gegen-Waffenlieferungen-an-die-Ukraine-6543725.html
[33] https://twitter.com/ionebelarra/status/1504872242030727169?cxt=HHwWgsCyqZfVsOIpAAAA
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