Eskalation im Nahen Osten: Israel greift Ziele in Beirut und Teheran an

Getötet: Ismail Haniyya. Bild: council.gov.ru, CC BY 4.0

Angriffe auf Hisbollah und Hamas. Ehemaliger Hamas-Ministerpräsident Haniyya getötet. Wie es nun im Nahen Osten weitergeht.

Die israelische Armee hat am Dienstag einen verheerenden Doppelschlag gegen die islamistischen Milizen Hisbollah und Hamas im Libanon und im Iran ausgeführt. Dabei wurde in der iranischen Hauptstadt der ehemalige Ministerpräsident der Palästinensischen Autonomiegebiete (2006-2007), Ismael Haniyya, getötet.

Kurz zuvor war bereits ein Luftangriff auf einen dicht besiedelten Vorort von Beirut geflogen. Diese Aktion war eine Vergeltungsmaßnahme für einen Raketenangriff der Hisbollah auf die von Israel annektierten Golanhöhen am Wochenende, bei dem ein Dutzend Kinder und Jugendliche auf einem Fußballplatz getötet wurden.

Bei einem weiteren Angriff auf die iranische Hauptstadt Teheran soll der Militärchef der islamistischen Hamas, Ismail Haniyya, getötet worden sein.

Ziel: Fuad Schukr

Ziel des israelischen Angriffs sei Fuad Schukr gewesen, ein hoher Funktionär und enger Berater von Hisbollah-Chef Hassan Nasrallah, sagten drei israelische Sicherheitsbeamte, die anonym bleiben wollten, um keine sensiblen Details zu nennen.

Das israelische Militär bestätigte später, dass Shukr bei dem gezielten Angriff "eliminiert" worden sei. Eine Bestätigung der Hisbollah, der mächtigen, vom Iran unterstützten Miliz, steht allerdings noch aus. Die Hamas hat den Tod Haniyyas indes bestätigt.

Tödlicher Angriff und zivile Opfer

Nach Angaben des libanesischen Gesundheitsministeriums wurden bei dem Angriff mindestens drei Menschen getötet – eine Frau und zwei Kinder – und mindestens 74 weitere verletzt, fünf von ihnen schwer. Die Rettungskräfte suchten in den Trümmern noch nach weiteren Opfern.

Internationale Angst vor Eskalation

Die jüngsten Angriffe könnten Befürchtungen schüren, dass der langjährige Konflikt Israels mit der Gruppe zu einem regelrechten Krieg eskalieren könnte. Unterdessen geht die Militäroffensive im Gazastreifen weiter.

Auslöser der Eskalation war ein Angriff der Hamas und verbündeter islamistischer Milizen auf Israel am 7. Oktober vergangenen Jahres, bei dem gut 1.200 Menschen getötet wurden, die meisten von ihnen Zivilisten in grenznahen Siedlungen.

Nach Angaben der Vereinten Nationen wurden bei dem anhaltenden israelischen Gegenangriff mehr als 38.000 Menschen getötet und mehr als 88.000 verletzt.

Israel unter diplomatischem Druck

Die jüngsten Angriffe haben die Lage weiter verschärft. Internationale Vertreter und Diplomaten hätten Israel zu einer angemessenen Reaktion aufgefordert, schreibt die New York Times. Auch die US-Regierung habe zur Zurückhaltung aufgerufen, zitiert die Zeitung namentlich nicht genannte Vertreter. Jetzt müsse über diplomatische Lösungen gesprochen werden.

Solche Appelle kamen in den vergangenen Monaten immer wieder aus Washington. De facto aber hat die US-Regierung unter Präsident Joe Biden die israelische Kriegsführung politisch und mit Waffenlieferungen unterstützt.

Libanon verurteilt Angriff

Der amtierende libanesische Ministerpräsident Najib Mikati verurteilte den Angriff, der sich in der Nähe eines der größten Krankenhäuser des Landes ereignete. Der libanesische Außenminister Abdallah Bou Habib kündigte an, die Regierung werde am Mittwoch bei den Vereinten Nationen eine Beschwerde gegen Israel einreichen.

Hisbollah bestreitet Beteiligung an Angriff auf Golanhöhen

Die Hisbollah hat bestritten, den Angriff auf die Golanhöhen am Samstag durchgeführt zu haben. Seit diesem Angriff haben Israel und die Hisbollah tausende Angriffe über die israelisch-libanesische Grenze hinweg abgefeuert, Städte zerstört, hunderte Menschen getötet und mehr als 150.000 Menschen in beiden Ländern zur Flucht gezwungen.

Fraglich ist auch, inwieweit Israel das Recht auf Vergeltung für sich beanspruchen kann. Bei dem Angriff waren ein Dutzend Kinder und Jugendliche auf einem Sportplatz getötet worden. Sie gehörten zur Volksgruppe der Drusen.

Die Drusen leben auf den seit 1981 von Israel annektierten Golanhöhen. Sie betrachten sich nicht als israelische Staatsbürger, sondern besitzen die syrische Staatsangehörigkeit. Offiziell gehören das Gebiet und die dortige ursprüngliche Bevölkerung zu Syrien.

Die Drusen haben nach dem Angriff auch Besuche israelischer Politiker abgelehnt und sich gegen eine Instrumentalisierung des Vorfalls durch die Regierung von Benjamin Netanyahu in Israel ausgesprochen. Viele dieser Hintergründe werden in der Berichterstattung derzeit nicht beachtet und ausgeblendet.

Tödlicher Anschlag in Teheran: Hamas-Führer Ismail Haniyya getötet

Der Chef der islamistischen Palästinenserorganisation Hamas, Ismail Haniyya, ist in Teheran getötet worden. Das bestätigten die Hamas und die iranischen Revolutionsgarden. Ein israelischer Luftangriff auf das Hauptquartier sei für den Tod Haniyyas verantwortlich, teilte die Hamas am Mittwoch mit. Die israelische Armee hält sich zu den Berichten bedeckt und lehnt eine offizielle Stellungnahme ab.

Angriff auf Haniyyas Residenz

Nach Informationen der Website Sepah News der iranischen Revolutionsgarden war Haniyyas Residenz in Teheran Ziel des Anschlags. Neben Haniyya kam auch einer seiner Leibwächter ums Leben. Eine Untersuchung der genauen Umstände des Anschlags wurde eingeleitet.

Vor seinem Tod hatte Haniyya an der Vereidigung des neuen iranischen Präsidenten Massud Peseschkian teilgenommen und sich mit führenden iranischen Politikern getroffen. Die Nachricht von Haniyyas Tod kam nur wenige Stunden nach dem Anschlag in Beirut.