Gastro-Preise ziehen an: Gebrochenes Wahlversprechen zur Mehrwertsteuer zeigt Wirkung

Bald gähnende Leere in immer mehr Restaurants? Der Hotel- und Gaststättenverband sieht eine klare Tendenz. Symbolbild: PublicDomainPictures Pixabay Licence

Nach Corona- und Energiekrise: Vielen Gaststätten droht Aus. Was bringt die Rückkehr zu 19 Prozent Mehrwertsteuer dem Staatshaushalt?

Zum 1. Januar wurde die Mehrwertsteuer in der Gastronomie von sieben auf 19 Prozent angehoben. Glaubt man einer Umfrage, haben rund 75 Prozent der deutschen Gastronomen bereits Anfang Januar ihre Preise erhöht. Im Laufe des ersten Quartals wollen elf Prozent nachziehen, rund sechs Prozent im weiteren Verlauf des Jahres. Nur etwa drei Prozent der Gastwirte wollen bei den bisherigen Preisen bleiben.

Infolge der Corona-Krise war die Mehrwertsteuer auf Speisen Mitte 2020 in den Lokalen auf sieben Prozent gesenkt worden, 2022 wurde die Regelung wegem steigener Energiepreise durch den Ukraine-Krieg noch einmal bis Ende 2023 verlängert. Nun werden wieder 19 Prozent fällig.

Nur ein Drittel der Gastronomen bleibt optimistisch

Ein Drittel der 2.900 befragten Gastronomen befürchtet, in diesem Jahr in die Verlustzone abzurutschen. 33,7 Prozent wagen noch keine Prognose. Nur 33 Prozent gehen davon aus, sich am Markt behaupten zu können.

Ob, wann und wie die Gastronomen die Preise erhöhen - dies sei abhängig von der Kostenentwicklung, vom Standort, vom Konzept des Betriebes und von den Gästen.

Scharfe Kritik von Hotel- und Gaststättenverband

In der Branche stößt die Anhebung der Mehrwertsteuer allemal auf Unverständnis: Es sei absurd, dass für das Essen in der Gastronomie wieder 19 Prozent Mehrwertsteuer gelten, erklärt Guido Zöllick, Präsident des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbandes (Dehoga). "Essen To Go", Fertigsalat aus dem Supermarkt und die Lieferung von fertig zubereiteten Speisen außer Haus werden dagegen weiterhin mit sieben Prozent besteuert.

Diese Ungleichbehandlung müsse dauerhaft beseitigt werden, fordert der Dehoga-Präsident. Denn die Verteuerung werde dazu führen, dass die Kunden dauerhaft wegbleiben, befürchtet er.

Überteuerte Gänsekeulen für immer weniger Gäste?

Der Beschluss der Ampel-Regierung, den Steuersatz zu erhöhen, sei eine schlechte Entscheidung, kritisiert auch Kamil Ivecen. Nicht nur für die Gastronomen, auch für die Gesellschaft.

In seinem Weinlokal in der Mainzer Altstadt zahlten Gäste im Dezember für die Gänsekeule mit Klößen, Rotkraut und Maronen-Orangenjus 29,90 Euro. Günstiger konnte er das Mittagsmahl leider nicht anbieten, erklärt er.

Bei den gestiegenen Lebensmittelpreisen würden schon allein die Zutaten die Hälfte des Preises ausmachen. Deshalb hätte er ab Januar die Gänsekeule für mindestens 38 Euro anbieten müssen. Doch wer würde schon für diesen Wucherpreis Gänsekeulen essen?

Regionales Essen zu fairen Preisen ist vorerst Geschichte

Ursprünglich war seine Idee, frisch gekochtes, regionales Essen zu einem fairen Preis zu verkaufen. Mit der Steigerung der Mehrwertsteuer werde das allerdings nicht mehr funktionieren. Deshalb nahm er sein Mittagstisch-Angebot seit Beginn des Jahres aus dem Sortiment.

Er sei froh, wenn er seine fünf Angestellten noch bezahlen könne. Der Restaurantchef, der bereits einige gut laufende Cafés und Bars in der Studentenstadt Mainz führte, befürchtet hierzulande bald "amerikanische Verhältnisse": Irgendwann könnten nur noch sehr gut verdienende Leute im Restaurant essen, der Rest esse dann nur Fast Food.

Die Preiserhöhungen gefährden tausende Arbeitsplätze

Kamil Ivecen und viele seiner Kollegen aus Mainz unterschrieben eine Petition des Dehoga. Der Bundesverband fordert weiterhin sieben Prozent Mehrwertsteuer auf Speisen in der Gastronomie, um die Betriebe zu erhalten.

Die Anhebung auf 19 Prozent stellt Restaurants und Hotels nach drei Verlustjahren in Folge vor gravierende existentielle Probleme, erklärt der Verband. Durch massive Umsatzeinbußen in der Corona-Krise sei die Zahl der Unternehmen in der Branche ohnehin um 16 Prozent zurückgegangen.

Rund 36.000 Betriebe gaben schon in der Corona-Krise auf

So haben in den Corona-Jahren 2020 und 2021 rund 36.000 Betriebe aufgegeben. Wegen Inflation und hoher Energie- und Lebensmittelpreise stünden die Restaurantbetriebe nun erneut unter Druck.

Nur wegen des verringerten Mehrwertsteuersatzes von sieben Prozent war es bisher möglich, die Kunden von den Kostensteigerungen zu verschonen. Damit sei es nun vorbei. Die daraus folgenden Preissteigerungen für die Gäste werden diese vergraulen, so die Befürchtung. Infolge dessen stünden Existenzen und tausende Arbeitsplätze auf dem Spiel.

Höhere Kosten fraßen höhere Umsätze

Laut einer Schätzung des Statistischen Bundesamtes erwirtschaftete das Gastgewerbe im Jahr 2023 real (preisbereinigt) 2,6 Prozent mehr Umsatz als im Vorjahr. Die positive Bilanz im Vorjahresvergleich lasse sich durch hohen realen Zuwächse zu Jahresbeginn erklären. Im Gegensatz hierzu habe sich die reale Entwicklung im weiteren Jahresverlauf deutlich abgeschwächt.

Mit Ausnahme des Septembers waren die Umsätze in allen restlichen Monaten des Jahres 2023 niedriger als im jeweiligen Vorjahresmonat. Verantwortlich für das deutlich gestiegene Preisniveau im Gastgewerbe (plus 8,1 Prozent im Jahr 2023 gegenüber 2022) waren demnach die erhöhten Preise für Lebensmittel, Personal und Energie.

Service-Kräfte suchten sich wegen Corona-Krise andere Jobs

Beispiel Hessen: Hier seien nach dem Ende der Corona-Pandemie die Besucherzahl bei den Gastronomen und Hoteliers zwar wieder gestiegen. Vor allem der Personalmangel und die hohen Lebensmittel- und Energiepreise belasten aber die hessischen Mitglieder der Dehoga, erklärt Präsident Robert Mangold.

Hotellerie und Gastronomie entwickelten sich dabei sehr unterschiedlich. Demnach hätten die Hotels zwar mehr Gäste gehabt als im Jahr davor. Doch abgesehen von den höheren Preisen für Lebensmittel und Energie hatten auch Hoteliers mit Personalmangel zu kämpfen. Zahlreiche Kellnerinnen und Barkeeper haben sich in der Corona-Krise andere Jobs gesucht oder umschulen lassen. Unterm Strich war das Geschäft also defizitär.

Ökonom begrüßt Ende der Subventionen

Mit dem Ende der Corona-Pandemie sei die krisenbezogene Begründung für die Senkung der Mehrwertsteuer auf Speisen weggefallen, erklärt Friedrich Heinemann. Der Ökonom am Leibniz-Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) in Mannheim findet die Entscheidung für eine Steuererhöhung plausibel.

Er könne nicht erkennen, dass es bei einem Ende der Steuersubvention zu einem Preissprung in vollem Umfang der Steuerdifferenz kommen werde. Schließlich habe die Gastro-Branche trotz Steuerermäßigungen erhebliche Preissteigerungen durchgesetzt, während die Preise für Strom und Gas wieder sinken würden.

Auch den von der Branche häufig angeführten Arbeitskräftemangel in der Gastronomie lässt Heinemann nicht als Argument für eine Beibehaltung der niedrigeren Mehrwertsteuer gelten. Die deutsche Wirtschaft sei in allen Sektoren mit einem wachsenden Arbeitskräftemangel konfrontiert. Ausgewählte Branchen zu subventionieren, sei keine Lösung, wie er glaubt.

Mehreinnahmen durch höhere Mehrwertsteuer fraglich

Der Bund geht davon aus, mit der Anhebung der Mehrwertsteuern die Fehleinnahmen von 3,3 Milliarden Euro wieder auszugleichen. Die Bedingung dafür wäre allerdings, dass alle Betriebe weiterhin am Leben bleiben. Dazu müssten die Gäste weiter auf dem gewohnt hohen Niveau konsumieren.

Oliver Kasties glaubt das nicht. Es sei vielmehr zu erwarten, dass viele Gäste den Restaurants fernbleiben werden, erklärt der Hauptgeschäftsführer des Dehoga in Hessen. Er und seine Kollegen rechnen damit, dass in dem Bundesland etwa zwölf Prozent der Betriebe schließen werden.

Gaststätten schließen vor allem auf dem Land

Weniger in den Ballungsräumen wie Frankfurt, Marburg oder Gießen, dafür mehr im ländlichen Bereich. So werde sich im März, April, wenn die ersten Radfahrer längere Touren unternehmen, der eine oder andere wundern, warum kein Biergarten mehr da ist.

Nach vier Krisenjahren mit Corona-Pandemie und Inflation werde der Betrieb einfach geschlossen oder keine Nachfolge gefunden. Die Dehoga-Vertreter sind nicht nur enttäuscht, sie zweifeln auch an der fachlichen Eignung der Personen, die diese Entscheidung getroffen haben.

Auch der Berliner Gastronom Michael Näckel bezweifelt, dass die rund drei Milliarden, die der Staat sich von der Erhöhung der Mehrwertsteuer verspricht, zusammenkommen werden. Es würden dann einfach weniger Gäste kommen, die gleichzeitig weniger Geld ausgeben. Dadurch werde der Staat weniger Steuereinnahmen generieren.

Scholz’ gebrochenes Wahlversprechen zur Mehrwertsteuer

Als Olaf Scholz noch SPD-Spitzenkandidat war, versicherte er in einer ARD-Talkrunde über die Mehrwertsteuersenkung auf sieben Prozent: "Das schaffen wir nie wieder ab." Wieder mal wurde ein Versprechen von der Regierung gebrochen. Auch deshalb ist der Ärger groß, nicht nur unter den Gastronomen.

Die Bundesregierung braucht Geld, um ihr immenses Haushaltsloch zu stopfen - soweit so schlecht. Doch egal, wo sie eingreift - bei der Streichung von Agrardieselsubventionen oder bei der Anhebung der Mehrwertsteuer in der Gastronomie - überall trifft sie auf Widerstände.

Böses Erwachen droht nach der Bundestagswahl 2025

Dabei gäbe es noch ganz andere Stellschrauben: CO2- und Kerosinbesteuerung, Abschaffung der Dienstagwagenprivilegien, Senkung der Diäten für Bundestagsabgeordnete, Besteuerung der Superreichen, weniger Geld für Militär und Kriegsgerät und, und .... Längst nicht alle Möglichkeiten sind ausgeschöpft.

Gastronomen können sich nicht einfach in den Traktor setzen und die Straßen blockieren. Doch die nächsten Wahlen werden kommen. Und dann gibt es womöglich ein böses Erwachen.