Geheimabkommen zwischen Kolumbien und USA unterzeichnet
Entgegen der Verfassung wurde der Text, der den USA die Nutzung von sieben US-Basen erlaubt und US-Soldaten Straffreiheit sichert, nicht dem Parlament vorgelegt
Nun ist das heftig umstrittene Militärabkommen unterzeichnet, das es den USA erlaubt, die Militärpräsenz in Kolumbien auszuweiten. Offiziell wird das Abkommen vor allem mit dem Kampf gegen die Drogenkriminalität begründet. Doch ist eigentlich allen Beobachtern klar, dass es auch um Guerillabekämpfung und die Kontrolle der Region gegenüber den Integrationsbestrebungen in Lateinamerika geht, die vor allem vom Nachbarland Venezuela ausgehen. Doch nicht nur die sogenannten ALBA-Staaten sind gegen die Stationierung, auch fast alle übrigen Staaten der Region wenden sich entschieden dagegen. Insgesamt kann der Beginn einer Rüstungsspirale beobachtet werden. Für neue Spannungen sorgte die Verhaftung von drei mutmaßlichen kolumbianischen Geheimagenten in Venezuela und die Ermordung von Fußballspielern.
Das umstrittene Militärabkommen zwischen den USA und Kolumbien (Streit um sieben US-Militärstützpunkte) wurde nun unterzeichnet. Demnach soll die US-Armee 800 Soldaten und 600 zivile Mitarbeiter auf kolumbianische Militärstützpunkte entsenden und darf mindestens sieben Basen für die nächsten zehn Jahre nutzen. Das sieht das bilaterale Geheimabkommen vor, das Kolumbiens Außenminister Jaime Bermúdez und der US-Botschafter William Brownsfield am Freitag in Bogotá unterzeichnet haben. Die USA begründen das "Sicherheitspaket" vor allem damit, um Operationen gegen die Drogenkriminalität in Kolumbien besser durchführen zu können. Auch das Vorgehen gegen den "Terrorismus" wird genannt. Hintergrund ist, dass Ecuador mit der Verfassungsreform auch das Ende der US-Militärbasis in Manta besiegelt hatte (Ecuadors Präsident Correa kündigt nach Vereidigung Staatsreform an).
Die USA hatten sich mit Kolumbien schon im August grundsätzlich auf die Nutzung von weiteren Militärbasen in Kolumbien durch das US-Militär geeinigt und seither dröhnen die Kriegstrommeln in der Region. Hugo Chávez hatte von einer "Provokation" gesprochen, die zu "einem Krieg in Südamerika und einer erneuten Aggression Kolumbiens gegen Venezuela" führen könne. Der Präsident Venezuelas drohte, im Falle eines Konflikts auch militärisch zu antworten. Chávez verwies dabei auf den Überfall von kolumbianischen Truppen auf Ecuador, um dort ein Lager von Farc-Rebellen anzugreifen, der die Region an den Rand eines Krieges gebracht hatte Kolumbien riskiert den Krieg).
Wettrüsten in Südamerika
Allgemein wird vermutet, dass die USA die großen Öl- und Gasvorräte Südamerikas im Blick haben. Vor allem die direkten Nachbarstaaten Brasilien, Ecuador und Venezuela fühlen sich direkt von den US-Militärs in Kolumbien bedroht. So hatte auch Brasiliens Präsident Luiz Inacio Lula da Silva vom kolumbianischen Amtskollegen Álvaro Uribe Garantien verlangt, dass Militäroperationen auf Kolumbien begrenzt bleiben müssen. Zwar hatte Uribe im Sommer eigens eine Reise durch sieben lateinamerikanische Länder gemacht, um für das Abkommen zu werben, doch die Sorgen konnte er nicht zerstreuen und Garantien nicht bieten. Nur sein konservativer peruanische Amtskollege Alan García spricht sich nicht gegen das Militärabkommen aus.
Dass Uribe in Lateinamerika mit seinen Beschwichtigungen auf taube Ohren stößt, hat mit seinen Glaubwürdigkeitsproblemen zu tun. Er wettert zwar gerne dagegen, dass Chávez sich im Amt verewigen wolle, aber strebt das Gleiche ebenfalls an, wofür sogar schon die zweite Verfassungsänderung nötig ist. Auch die Anschuldigungen, wonach Venezuela und Ecuador die Farc-Guerilleros in Kolumbien unterstützen würden, denen Chávez angeblich sogar direkt Waffen liefere, trugen nicht gerade zur Steigerung von Uribes Glaubwürdigkeit bei. Weil Kolumbien seine Anschuldigungen nicht belegen kann, hat Ecuador das Land sogar vor dem Internationalen Gerichtshof in Den Haag verklagt (Ecuador und Kolumbien erneut auf Konfrontationskurs).
Wie könnte Uribe Vertrauen auch für ein Militärabkommen bei den Nachbarländern schaffen, wenn er, gegen seine Versprechungen, ihnen den Text nicht einmal vorlegt. Ja nicht einmal das kolumbianische Parlament durfte ein Wörtchen mitreden. Dabei hatten der Staatsrat, der sich zu Gesetzesvorhaben äußern muss, und die linke Opposition darauf hingewiesen, dass Uribes Vorgehen gegen die Verfassung verstoße. Uribe behauptet, es handele sich bei dem Militärabkommen lediglich um eine Erweiterung bestehender Verträge mit den USA aus dem Jahr 1959, die schon sein Vorgänger Andrés Pastrana im Rahmen des Plan Colombia erweitert hatte. Doch der Staatsrat und die Opposition meinen, dass es sich um einen Eingriff in Artikel 173 der Verfassung handelt, weil es sich um "Bewegungen von Truppen, Militärmaterial und Waffen anderer Staaten" handele.
Angesichts der massiven Kritik an dem geheimen Abkommen, versprach der Außenminister inzwischen, dass der Vertragstext öffentlich gemacht werde. "Die nächste Woche, wird der Text dem Kongress vorliegen und sicherlich wird ihn die Öffentlichkeit auch kennen lernen", erklärte Bermúdez etwas merkwürdig. Das geschehe nicht, "weil es die Verfassung fordere", fügte er an.
Ob das dann der reale Text ist, ist fraglich. Warum hat Uribe das geheime Bündeln vorgezogen, statt das Vorhaben offen zu debattieren? Im Parlament hätte er ohnehin keine Ablehnung seiner Pläne zu erwarten gehabt, da seine Partei über ausreichende Mehrheiten verfügt. Offenbar scheut er die öffentliche Auseinandersetzung. Einige Details, die auf große Ablehnung im Land stoßen, sind aber längst bekannt. Da ist die Tatsache, dass die US-Militärangehörigen vollständige Immunität gegenüber Strafverfolgung in Kolumbien genießen werden. Sogar schwere Verbrechen bleiben damit wohl weiter ungesühnt. Uribe behauptet: "Es wird keine Straflosigkeit geben", denn die USA hätten sich in dem Abkommen verpflichtet, derlei Fälle zu untersuchen. Da Obama aber sogar Folterer von Abu Ghraib und Guantanamo bislang unangetastet lässt, kann gerade darauf nicht gehofft werden.
Ohnehin sind längst schwerste Verbrechen von US-Soldaten in Kolumbien bekannt geworden und man darf davon ausgehen, dass sie auch in die schweren Menschenrechtsverletzungen im Land verwickelt sind. Menschenrechtsorganisationen weisen darauf hin, dass schon jetzt "Vergewaltigungen, ja sogar von Mädchen durch diese Soldaten" unter eine völlige Straflosigkeit gefallen seien. Alejandro Quinceno, von der Opfervereinigung gegen staatliche Verbrechen, erklärte in einem Interview, dass es in den 45 Jahren des Konflikts etwa 60.000 Verbrechen gegeben habe. Dazu gehörten: "Außergerichtliche Ermordungen, Folter, Verschwindenlassen, willkürliche Verhaftungen". Weiter sagte er: "Seit Inkrafttreten des Plan Colombia hat sich die Zahl der außergerichtlichen Ermordungen erhöht. Wir sprechen von 1.400 Menschen, die vom kolumbianischen Militär ermordet wurden, das von den USA beraten wird und von dort operative und finanzielle Hilfe erhält." Hunderte Zivilisten wurden zum Beispiel erschossen, um sie als angebliche Guerillakämpfer vorzuweisen, um dafür Vergünstigungen wie Urlaub zu bekommen ("Body count" unter Zivilisten bei kolumbianischer Armee).
Die Ankündigung, dass die USA mindestens sieben Militärbasen in Kolumbien nutzen wollen, hat längst ein Wettrüsten in der Region in Gang gesetzt, wie es in Lateinamerika bisher völlig unbekannt war. Venezuela kaufte inzwischen 92 Panzer, mehrere Luftabwehrraketensysteme sowie Mehrfach-Raketenwerfer von Russland. Brasilien will sogar Atomwaffen, weil es sich von den USA bedroht fühlt (Brasilien will Atomwaffen). Die Hoffnungen, dass es unter Barack Obama zu einer Neubestimmung der US-Politik in Lateinamerika kommen würde, haben in nur wenigen Monaten eine Ernüchterung erfahren.
Verhältnis zwischen Kolumbien und Venezuela spitzt sich weiter zu
Neben dem Militärabkommen sorgt aber auch die mutmaßliche Spionage von kolumbianischen Agenten in Venezuela für neue Spannungen. Eigentlich sind die Beziehungen zwischen beiden Ländern unterkühlt, doch sprachlich korrekter wäre es, sie als überkochend zu bezeichnen. Venezuela behauptet, man habe in der Grenzregion zwei Geheimagenten des Departamento Administrativo de Seguridad (DAS) verhaftet. Bei ihnen seien "Dokumente über eine Konspiration und Destabilisierung gegen Venezuela gefunden worden", sagte der Vizekanzler Arias Cárdenas. Hugo Chávez ergänzte, sie hätten mit Bestechung versucht, Informationen über Militäreinheiten zu bekommen. "Das ist nicht das erste Mal und diesmal werden wir sie nicht freilassen, sondern sie in Venezuela vor Gericht stellen."
Die kolumbianische Regierung hat die Zugehörigkeit der beiden Verhafteten zur Geheimpolizei dementiert. Felipe Muñoz, aktueller DAS-Direktor, sagte auf Nachfrage der Presse: "Entschieden: Nein." Doch dabei fiel schon auf, dass er behauptete, die Namen der Beschuldigten zu kennen, obwohl sie die venezolanischen Behörden nicht bekannt gegeben hatten. Er meinte, es handele sich um zwei Männer, die in Kolumbien vorbestraft seien. Nur einer hätte 2006 versucht, sich dem DAS als Informant anzudienen. Jetzt fragt man sich aber, wenn das wirklich die einzige Verbindung zu dem Geheimdienst ist, wie geheime DAS-Dokumente in ihren Besitz gelangt sind.
Tareck El Aissami hatte am vergangenen Donnerstag die aufgefundenen Dokumente öffentlich vorgestellt. Aus ihnen gehe hervor, dass der kolumbianische Geheimdienst ein Spionageprogramm namens "Falcon" betreibe, sagte der Innenminister Venezuelas. Ziel des Projektes sei nicht nur das Militär, sondern gesucht würde auch nach konkreten Informationen über Chávez und andere Repräsentanten der Regierung. Ähnliche Projekte unter den Namen "Salomón" und "Fénix" richteten sich gegen Ecuador und Kuba.
Das Sonderbare an dem Vorgang ist, dass Kolumbien die Echtheit der Dokumente sogar bestätigt hat. Dabei versucht der DAS nun aber den Spieß umzudrehen und greift Venezuela an. In einer Erklärung des Dienstes wird von einem "schwerwiegenden und besorgniserregenden Vorgang" gesprochen, dass "das Innenministerium Venezuelas im Besitz von Geheimdienstdokumenten des DAS ist".
Interessant ist auch, dass der Geheimdienst in seiner Erklärung die Ermordung von zumeist kolumbianischen Fußballspielern anspricht, deren Leichen in Venezuela gefunden wurden. Der Vorgang hat die Beziehungen zwischen beiden Ländern weiter zugespitzt. Von Venezuela erwartet der DAS "eine schnelle Aufklärung" der Vorgänge. Damit macht der Geheimdienst klar, dass er auch diesen Vorgang irgendwie dem Nachbar anhängen will.
Eine gesamte Fußballmannschaft ist offensichtlich von Bewaffneten erschossen worden. Es waren acht Kolumbianer, ein Peruaner und ein Mann aus Venezuela, die im Bundesstaat Tachira, an der Grenze zu Kolumbien, ermordet aufgefunden wurden. Ein 18jähriger Kolumbianer hat den Vorgang überlebt. Nach seinen Angaben hätten die Opfer als Straßenhändler in Venezuela gearbeitet. Sie seien schon am 11. Oktober, während eines Fußballspiels, von Uniformierten entführt worden.
Sofort machte Uribe die zweite große Guerilla Kolumbiens für die Morde verantwortlich, was auch in spanischen Medien sofort wiederholt. Das Ejército de Liberación Nacional (ELN), das sich angeblich noch dazu in Venezuela aufhalte, bot sich einfach zu gut für Uribes Linie an. Er störte sich nicht daran, dass Aussagen des Überlebenden auf Polizisten oder Sondereinheiten des Militärs hinweisen. Nach den Angaben von Manuel Junior Cortés sollen die Täter schwarze Uniformen getragen haben, die zwar von kolumbianischen Polizeieinheiten benutzt werden, aber weder von der ELN noch von der Farc, die grüne Uniformen benutzen. Diverse Medien sprechen auch von einem möglichen Konflikt unter paramilitärischen Gruppen, denn die kolumbianischen Aguilas Negras (Schwarze Adler) kontrollieren einen Teil des Schmuggels und des Drogenhandels in diesem Grenzgebiet.