Grundsteuerreform 2025: Fluch oder Segen für Grundbesitzer und Mieter?
Wer zahlt drauf, wer profitiert? Die umstrittene Novelle krempelt das System um – aber wird es wirklich fairer? Mieter und Grundstücksbesitzer sind alarmiert.
Die Reform der Grundsteuer wird seit 2018 kontrovers diskutiert. In Kraft treten sollen die Änderungen Anfang 2025. Auslöser für die Reform war eine jahrzehntelange ungleiche Besteuerung. Ab 2025 gelten deshalb neue Bemessungsgrundlagen. Wie die Grundsteuer jetzt berechnet wird und warum es nicht sofort für alle Steuerzahler gerechter wird.
Warum die Reform?
Angefangen hat alles mit einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG). Im Jahr 2018 haben die Richter die Grundsteuer in ihrer bisherigen Form für verfassungswidrig erklärt. Sie verstoße bereits seit 2002 gegen das in der Verfassung verankerte Gleichbehandlungsverbot, da gleichartige Grundstücke unterschiedlich besteuert würden.
Die Finanzverwaltung selbst hat diesen Verstoß jahrzehntelang sehenden Auges hingenommen – und war dennoch überfordert, als das BVerfG 2018 seine Entscheidung verkündete.
Die Grundsteuer ist eine Steuer auf das Grundeigentum, also auf Grund und Boden und die darauf errichteten Gebäude. Nach der Erhebung wird sie den Kommunen zur Verfügung gestellt, die damit ihre kommunalen Ausgaben decken.
Die Gemeinden profitieren
Finanziert werden damit unter anderem der Bau und die Unterhaltung der Infrastruktur, zum Beispiel von Straßen. Bezahlen müssen die Grundsteuer sowohl Eigentümer als auch Mieter – Eigentümer direkt, Mieter indirekt über die Umlage auf die Nebenkosten.
Die Berechnung der Grundsteuer ergibt sich aus dem Bewertungsgesetz (BewG). Das Bewertungsgesetz sah bei seinem Inkrafttreten im Jahr 1935 vor, dass die Werte aller Grundstücke regelmäßig alle sechs Jahre überprüft und gegebenenfalls aktualisiert.
Jahrzehnte alte Daten
Was geschehen ist, war also nicht vorgesehen. Die Hauptfeststellungen (Feststellung der sogenannten Einheitswerte, der Werte des Grundeigentums) wurden nur in den ersten dreißig Jahren regelmäßig durchgeführt. Nach der letzten Feststellung im Jahr 1964 war den Gemeinden der Verwaltungsaufwand für die ständige Neubewertung der Grundstücke einfach zu groß und man behielt die bekannten Grundstückswerte einfach bei.
Aus denselben Gründen wurde auch in den neuen Bundesländern keine Neubewertung vorgenommen. Da hier während des Bestehens der DDR nie eine regelmäßige Hauptfeststellung vorgenommen wurde, musste die Finanzverwaltung hier bis dato sogar auf die Werte von 1935 zurückgreifen.
Man stützte sich für die Grundsteuerbemessung damit auf einen Jahrzehnte alten Datensatz. Dennoch blieb die Finanzverwaltung untätig, und die tatsächlichen Grundstückswerte und die der Grundsteuer zugrunde gelegten entwickelten sich immer weiter auseinander, die erheblichen Wertsteigerungen blieben unberücksichtigt.
Besonders verheerend fällt dieser Unterschied heute in schnell wachsenden Ballungsgebieten aus. Die Rechtslage, die das BVerfG 2018 vorfand, war letztlich mit dem in Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz verankerten Gleichbehandlungsgebot nicht mehr zu vereinen. Denn obwohl es dafür keinen sachlichen Grund gab, wurden Grundstücke mit ähnlichem Wert sehr unterschiedlich besteuert.
Damit musste die Grundsteuer neu geregelt und sämtliche Grundstücke neu bewertet werden. Das klingt, angesichts der insgesamt 35 Millionen Grundstücke in Deutschland, einfacher, als es ist. Eine Neubewertung bedeutete einen beträchtlichen Aufwand für die Finanzverwaltung.
Um dem gerecht zu werden, gewährte das BVerfG eine siebenjährige Übergangsfrist, während der fortlaufende Verfassungsverstoß (durch den verfassungswidrigen Rückgriff auf die veralteten Werte) geduldet wurde. Die Finanzverwaltung hatte damit sieben Jahre Zeit, die nun fast verstrichen sind. Gerade noch rechtzeitig verabschiedete der Bundestag Ende 2019 die Neuregelung. Für Steuerpflichtige wird die neue Grundsteuer ab 2025 wirksam.
Wie wird die Grundsteuer jetzt berechnet?
Die Berechnung der Grundsteuer erfolgt anhand von drei Faktoren. Zunächst wird der Wert des Grundbesitzes errechnet – aus dem Wert des Bodens, der Grundstücksart und -fläche sowie aus dem Gebäudealter und der jeweiligen Nettokaltmiete des Gebäudes. Hier wird es zum ersten Mal kompliziert.
Die Nettokaltmiete ist der Betrag, der pro Quadratmeter ausschließlich für die Nutzung des Gebäudes erhoben wird. Ob das Gebäude wirklich vermietet oder etwa als Einfamilienhaus von den Eigentümern selbst genutzt wird, ist egal. Ebenso irrelevant ist der Mietspiegel. Stattdessen wird von jedem Bundesland ein pauschaler Quadratmeterbetrag festgelegt, der je nach Gebäudeart und Baujahr unterschiedlich hoch ausfallen kann.
Die für das eigene Gebäude relevante Nettokaltmiete kann man sich in der überraschend übersichtlichen Tabelle unter Anlage 39 zu § 254 des Bewertungsgesetzes selbst ansehen. Bei diesem Betrag bleibt es allerdings bisher nicht, denn er wird mittels der sogenannten Mietniveaustufe, die je Gemeinde unterschiedlich ausfällt, modifiziert. Auch die Mietniveaustufe ist in einer separaten Verordnung für alle Gemeinden festgelegt. Nach der Mietniveaustufe bestimmt sich dann der Zu- oder Abschlag von der Nettokaltmiete.
So wird bei der Mietniveaustufe 1 etwa ein Abschlag von 20 Prozent, bei der Mietniveaustufe 7 ein Zuschlag von 40 Prozent berechnet. Die Nettokaltmiete in einer Gemeinde mit Mietniveaustufe eins wird also um 20 Prozent reduziert.
Sobald der Wert des Grundbesitzes berechnet ist, gilt es, ihn mit der sogenannten Steuermesszahl zu multiplizieren. Diese Zahl wird gesetzlich festgelegt – auch hier setzt die Grundsteuerreform an. Denn beließe man die Steuermesszahlen in ihrer aktuellen Höhe, während die Grundstückswerte gemäß dem aktuellen Wert nach oben korrigiert werden, stiege die Steuerbelastungen für Einzelne massiv.
Die Kosten wären kaum zu bewältigen. Um einen Ausgleich zu schaffen, wird die Steuermesszahl erheblich abgesenkt. Sie beträgt nur noch etwa ein Zehntel des ursprünglichen Wertes.
Was der Hebesatz bedeutet
Der Grundbesitz wird nicht nur mit der Steuermesszahl, sondern im dritten Berechnungsschritt auch noch mit dem sogenannten Hebesatz multipliziert. Der Hebesatz wird von den Gemeinden festgelegt.
Während die Berechnung der Einheitswerte und die Steuermesszahl bundeseinheitlich festgelegt werden, ist der Hebesatz für Gemeinden das einzige Instrument, mit dem sie das Grundsteueraufkommen insgesamt beeinflussen (erhöhen oder senken) können.
Im Rahmen der Grundsteuerreform sollen die Hebesätze in erster Linie so angepasst werden, dass sich die Menge an Grundsteuer, die die Gemeinden einnimmt, nicht erhöht. Denn die Reform zielt nicht auf höhere Einnahmen durch die Grundsteuer seitens der Gemeinden ab, sondern auf eine gerechtere Verteilung der Steuerbelastung.
Eine direkte Kontrolle, die sicherstellt, dass die Gemeinden die Hebesätze entsprechend anpassen und bei einer Erhöhung des gesamten Grundsteueraufkommens auch absenken, gibt es nicht.
Nach Angaben des Bundesfinanzministeriums seien den Gemeinden aber durch das Willkürverbot und das Verbot, die Steuerpflichtigen übermäßig zu belasten, Grenzen gesetzt.
Was ändert die Reform?
Die Reform soll in erster Linie das Grundproblem der bisherigen Grundsteuererhebung beseitigen: der Einheitswert für Grundstücke, der bislang für die Berechnung der Grundsteuer ausschlaggebend war, hat mit den tatsächlichen Immobilienwerten in ihrer heutigen Höhe nichts mehr zu tun.
Sämtlicher Grundbesitz in Deutschland wird also mit der Grundsteuerreform neu bewertet. Außerdem werden Gemeinden durch die Reform ermächtigt, sich gegen die Spekulation mit unbebauten Grundstücken zur Wehr zu setzen und gezielter neuen Wohnraum zu schaffen, der überall knapp ist.
Denn gerade in Gebieten mit steigenden Grundstückswerten kaufen Spekulant:innen häufig unbebaute Grundstücke auf. Anstatt diese zu nutzen, um Wohnraum zu schaffen, warten sie ihre Wertsteigerung ab, bis die Grundstücke mit Gewinn weiterveräußert werden können. Dem können Gemeinden nach der Grundsteuerreform entgegentreten, indem sie den Hebesatz für diese Grundstücke gezielt anheben, sodass sich Spekulation mit baureifen Grundstücken weniger lohnt.
Da einige Länder mit dem oben erklärten Bundesmodell nicht einverstanden waren, wurde ihnen ermöglicht, eigene, leicht abweichende Regelungen zu treffen, die mit den vom Bundesverfassungsgericht entwickelten Anforderungen übereinstimmten.
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Insbesondere machte Bayern schon während der Debatten 2019 deutlich, dass es mit dem vom damaligen Finanzminister Olaf Scholz zugrunde gelegten wertabhängigen Modell nicht einverstanden war. Während bei diesem bundeseinheitlichen Modell der Bodenwert und die durchschnittliche Miete für die Berechnung zugrunde gelegt werden (oben erklärt), möchte Bayern die Grundstücksfläche zur maßgeblichen Berechnungsgrundlage machen. Außerdem haben Baden-Württemberg, Hamburg, Hessen und Niedersachsen einen Sonderweg gewählt.
In der Gesamtbetrachtung wird, wie oben angedeutet, nicht mehr Grundsteuer als vorher erhoben. Stattdessen verschiebt sich die Verteilung der Steuerbelastung. Eigentümer:innen, die bislang aufgrund veralteter Grundstückswerte sehr wenig Grundsteuer zahlen mussten, trifft daher mitunter eine Erhöhung – bei bislang überdurchschnittlich stark belasteten Eigentümer:innen kann es hingegen zu einer Steuersenkung kommen. Der Schwerpunkt der Reform liegt auf der Umverteilung.
Wie geht es weiter?
Noch bevor es in Kraft getreten ist, steht das reformierte Grundsteuerrecht bereits wieder auf dem Prüfstand. In verschiedenen Verfahren vor Finanzgerichten in Deutschland wird ermittelt, ob es verfassungsgemäß ist oder der Reformprozess noch einmal von vorn aufgerollt werden muss. Es bleibt also, insbesondere für die Finanzverwaltung, spannend.
Auch Steuerpflichtigen bereitet die Grundsteuerreform schon jetzt Kopfzerbrechen. In einigen Fällen prognostizierten die Bescheide über den Grundsteuerwert schon ein Vielfaches des bisherigen Wertes. In einem Beispiel aus Freiburg erhielt ein Ehepaar einen Grundsteuerbescheid über 14.000 Euro, während sie bislang 433 Euro zahlten.
Auch hier ist das letzte Wort aber bisher nicht gesprochen. Was sich jetzt schockierend anhört, kann Ende des Jahres 2024 ganz anders aussehen. Denn die Hebesätze, die maßgeblich für die tatsächliche Grundsteuerhöhe sind, werden von den Gemeinden erst im Herbst 2024 festgelegt.
Es lohnt sich also, auch nach einem zunächst erschreckend hohen Grundsteuerbescheid noch einmal tief durchzuatmen. Und zwischen den bundesweiten Änderungen auf der einen und Sonderwegen einzelner Länder auf der anderen Seite den Überblick zu behalten.