Limousinen-Terror in Washington?

Zur Amtseinführungsfeier des US-Präsidenten gibt es keine konkrete Terrorbedrohung, aber die bislang aufwändigsten Sicherheitsvorkehrungen - anonyme Geheimdienstmitarbeiter spielten der Zeitschrift Time nun doch noch eine Warnung zu

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Am 20. Januar wird die teuerste und auch die am besten gesicherte Amtseinführungsfeier stattfinden. Weiträumig wird das Gelände abgesperrt und mit über 6.000 Sicherheitskräften unter der Leitung des Secret Service überwacht werden. Obwohl es keine konkreten Hinweise auf Terroranschläge gibt, werden die höchsten Sicherheitsvorkehrungen angewendet, sagte der noch im Amt befindliche Heimatschutzminister Ridge, der auch alle Anwesenden zur Wachsamkeit aufrief.

Unverändert wird es bei der Warnstufe "erhöht" bleiben, kündigte Ridge an. Es gäbe keine Erkenntnisse, die eine Erhöhung erfordern würden, allerdings will man offenbar weiterhin trotz fehlender Hinweise auf Bedrohungen die Möglichkeit von Anschlägen und damit das Gefühl der Bedrohung aufrecht erhalten.

Ridge erklärte auch, dass es im Gegensatz zu letztem Jahr, als das Heimatschutzministerium vor angeblich geplanten Anschlägen vor der Wahl gewarnt hatte (Code orange für New York, Washington und Newark, "We are a nation at danger"), für die Inaugurationsfeier keine Hinweise auf Terroranschläge gibt. Die "Dezibel-Stärke" befinde sich ganz unten, was aber eben nicht bedeute, dass man weniger wachsam sein dürfte. Die Terroristen seien "strategische Akteure" - und schließlich sei die Inaugurationsfeier "die sichtbarste Manifestation unserer Demokratie, wenn die Menschen, die an der macht sind, zwei gewählte Menschen das Land als Präsident und Vizepräsident regieren."

Ob diese Feier tatsächlich das "Kennzeichen der demokratischen und konstitutionellen Traditionen" ist, wie Ridge das aufwändige Spektakel bezeichnete, kann man dahinstellen, sicher ist, dass es aus der Perspektive eines Terroristen eine einmalige Gelegenheit darstellt. Schließlich findet das Ereignis nicht nur unter den Augen der Weltöffentlichkeit statt, es ist auch die gesamte politische Elite des Landes an einem Ort versammelt.

Zugang haben die erwarteten 500.000 Besucher der Parade und der feierlichen Ablegung des Amtseides nur an 12 Eingängen, an denen sie streng kontrolliert werden und Metalldetektoren passieren müssen. Natürlich ist das Mitführen von Waffen aller Art verboten, aber auch Sprays, Glasbehälter, Thermosflaschen, Rucksäcke, Stäbe für Plakate, Taschen, Laserpointer, Tiere, Fahrräder oder alles, was ein mögliches Sicherheitsrisiko darstellen kann, dürfen nicht mitgenommen werden. Plakate oder andere Gegenstände für Parolen müssen aus Karton oder Stoff sein. Das Gelände um das Kapitol ist weiträumig für den Verkehr geschlossen, auch die U-Bahnen dürfen nicht mehr fahren. Natürlich gibt es eine große Flugverbotszone über Washington, alle Wasserwege um die Stadt werden kontrolliert.

Ganz aber scheint man nun doch bei all dem Aufwand und trotz des konstant bleibenden erhöhten Gefahr nicht auf die Vergegenwärtigung des Risikos verzichten zu wollen, das belegt, dass die USA eine "nation at war" ist und der wieder gewählte Präsident das Land im Krieg gegen den Terrorismus führt. Das macht man, wie so oft, nicht als offizielle Warnung, sondern ominöse "Geheimdienstmitarbeiter" spielen die gewünschten Informationen einem Medium zu, das sie gerne publiziert, erregt man dadurch doch Aufmerksamkeit. In diesem Fall war es wieder einmal (Vorsicht vor Personen mit großen, schweren Jacken an warmen Tagen) die Time, die ja auch George W. Bush zum Mann des Jahres gekürt hat.

Obgleich Ridge anscheinend noch nichts davon wusste, wurde angeblich in einem 39-seitigen Dokument, das man letztes Jahr in Großbritannien bei einem mutmaßlichen Al-Qaida-Mitglied beschlagnahmt habe, eine mögliche Gefahr für einen Anschlag während der Amtseinführungsfeier entdeckt, sagten die natürlich anonym bleibenden Geheimdienstmitarbeiter der Time. Es soll den Titel tragen "Rough Presentation for Gas Limo Project" und ausführen, wie man eine Limousine in eine Fahrzeugbombe verwandelt, wofür es auch eine Abkürzung gibt: VBIEDS (vehicle-borne improvised explosive devices).

Die Amtseinführungsfeier werde dort zwar nicht explizit erwähnt, aber das Dokument kreise nun in Geheimdienstkreisen. Man habe auch bereits Barrikaden errichtet, um kein verdächtiges Auto durchzulassen. In dem Dokument werde ein Anschlagsplan beschrieben, bei dem drei Limousinen mit geschwärzten Fenstern und mit jeweils 12 oder mehr Gasflaschen beispielsweise in einer Tiefgarage gefahren werden sollen, wohin man mit LKWs nicht kommt. In den Innenraum soll dann das Gas mit geschlossenen Fenstern eingelassen und entzündet werden, um eine mächtige Explosion zu verursachen. Empfohlen wird, die Gasbehälter gelb anzustreichen, um den Eindruck zu erwecken, dass in ihnen giftige Gase enthalten gewesen sein könnten, "um Terror und Chaos zu verbreiten", wenn die Rettungs- und Notfallteams eintreffen.

Ähnliche Mittel seien bereits bei dem Anschlag auf die US-Botschaft 1998 in Dar-es-Salaam und bei dem auf die Synagoge in Tunesien 2002 eingesetzt worden: "Da erwartet wird, dass Hunderte von Limousinen diese Woche die Hauptstadt füllen werden, sind die Behörden alarmiert." Und das sollen dann wohl auch die Menschen sein, die trotz der sehr abstrakten Bedrohung vermutlich dann besser gestimmt wären, die aufwändigen Absperrungs- und Kontrollmaßnahmen zu akzeptieren.