Mit Querfront-Fakes gegen die Querfront?

Seite 3: Warum unsinnige Kritik an Viktor Orbán kritikwürdig ist

Noch mal kurz zu dem Politologen Hacke und einem Paria der Europäischen Politik: dem ungarischen Premierminister Viktor Orbán. Der war unlängst als einziger Vertreter der Europäischen Union zur Beerdigung des letzten sowjetischen Staats- und Regierungschefs Michail Gorbatschow nach Moskau gereist. Peinlich fand das nicht nur Hacke. Auch Politiker, die die Wendezeit aktiv erlebt haben, waren konsterniert.

Es sei ein "abstoßendes Bild" gewesen, so Hacke im Telepolis-Gespräch: "Orbán als Repräsentant des Westens, der Europäischen Union. Denn dort ging es um die Würdigung von Gorbatschow und nicht um die der aktuellen russischen Führung." Dass sich westliche, vor allem bundesdeutsche Politiker hinter EU-Sanktionen verschanzt haben, um nicht nach Moskau reisen zu müssen und "Gorbi" die letzte Ehre zu erweisen – das sei "würdelos" gewesen.

Orbán aber trat bewusst, geradezu kühl berechnend an den Sarg Gorbatschows. Der Rechtspopulist betreibt seit Jahren eine aktive Nachbarschaftspolitik in Osteuropa, der Berlin und Brüssel nur wenig entgegenzusetzen haben. Darauf verwies mein Verlagskollege Tim Gerber in einem Beitrag, der – anders, als manche Kommentatoren zu verstehen meinten – Orbán nicht verteidigte, sondern Bundeskanzler Olaf Scholz kritisierte.

Der nämlich hatte bei einer auf Osteuropa bezogenen Rede ein altes Zitat Orbáns über "illiberale Demokratie" aus der Mottenkiste gezogen – und dabei übersehen, dass selbst die Deutsche Gesellschaft für Auswärtige Politik die Aussage richtig kontextualisiert hatte: "Seine Kritik am ‚liberalen Staat‘ bezog Orbán offensichtlich auf den Wirtschaftsliberalismus."

An Orbán lässt sich vieles kritisieren, wie auch an der PiS-Regierung in Polen, mit der man in Berlin sehr viel mehr Nachsicht hat. Dass Scholz aber rhetorisch daneben gezielt hat, steht außer Frage. Ebenso, dass die deutsche Osteuropa-Politik wenig Erfolge vorzuweisen hat und sich Führungen wie in Budapest und Warschau trotz (oder wegen?) der Europäische Nachbarschaftspolitik etablieren konnten. Das zu kritisieren, gebietet die journalistische Ethik.