Nordkorea erklärt, Atomwaffen zu besitzen
Die US-Außenpolitik ist konfrontiert mit schwierigen Entscheidungen gegenüber Nordkorea, Iran und Venezuela
US-Präsident Bush hat sich in seiner "Rede an die Nation" sehr bedeckt gehalten, was die konkreten Ziele seiner Außenpolitik sein werden (Das Ende der Tyrannei und die amerikanische Freiheit). US-Außenministerin Rice war hier trotz ihrer Charme-Offensive deutlicher ("Wir werden Freiheit und Demokratie auf der ganzen Welt verbreiten"). Warnungen ergingen an Venezuela, vor allem aber an den Iran. Nordkorea mit seinem Atomwaffenprogramm bleibt freilich weiterhin unter Beobachtung, doch bislang hatte die Bush-Regierung mit der Diktatur keine Fortschritte erzielen können. Jetzt scheint Nordkorea erneut die Gunst der Stunde ausnutzen zu wollen und provoziert wieder einmal die US-Regierung.
Schon zu Beginn türmen sich zumindest in der Außenpolitik die Schwierigkeiten. Zwar sind die Wahlen im Irak gegen alle Befürchtungen einigermaßen erfolgreich durchgeführt worden, allerdings ist noch nicht deutlich, welche Konsequenz sie haben werden. Der Widerstand im Irak und die Anschläge gehen ungemindert weiter. Ob die Sunniten, die der Wahl großteils ferngeblieben sind, sich dennoch integrieren lassen, um die Verfassung zu erstellen, ist fraglich. Die schiitischen Wahlgewinner könnten Schritt für Schritt einen islamischen Staat etablieren, aber damit auch die Konflikte mit den Sunniten und Kurden verschärfen. Die Kurden drängen auf Unabhängigkeit. Es sieht so aus, als würde noch lange kein Frieden im Irak einkehren können.
Venezuela und Russland
Zudem nehmen die Schwierigkeiten mit Russland zu. Das Land unterstützt nicht nur den Iran in seinem Atomprogramm und seiner Rüstung, nun hat es auch noch zugestimmt, Venezuela 100.000 AK-47s, aber auch MiG-29 und Kampfhubschrauber zu liefern. Die linke Regierung unter Chavez ist von der Bush-Regierung schon lange kritisch beobachtet worden. Vermutlich hat man auch - teilweise aktiv - darauf gehofft, dass die Opposition in einem Putsch und dann in einem Referendum die ungeliebte Regierung stürzen würde (USA finanzieren "demokratische Bestrebungen" nach Intervention und Putsch). Beides war aber nicht erfolgreich (Chávez wieder an der Macht, Schlechte Verlierer in Venezuela). Die Bush-Regierung, die mit dem Sturz Husseins und dem Aufbau einer Demokratie im Irak der umgekehrten Dominotheorie für den Größeren Mittleren Osten wie im Kalten Krieg folgte, befürchtet aus der Perspektive der traditionellen Dominotheorie, dass das ölreiche Venezuela, das enge Verbindungen mit Kuba unterhält, womöglich andere lateinamerikanische Länder unterminieren könnte. Gerade im "Hinterhof" haben die USA stets mit allen Mitteln - Kuba, Chile, San Salvador, Nicaragua, etc. - versucht, US-freundliche Regierungen zu unterstützen, selbst wenn es sich um Militärdiktaturen handelte.
Nun befürchtet die US-Regierung erneut (Steter Tropfen höhlt den Stein), dass Chavez linksgerichtete Rebellen in anderen Ländern unterstützt und ihnen auch die russischen Waffen zukommen lassen will. Im Dezember hatte die Bush-Regierung daher dem russischen Botschafter in den USA wegen des geplanten Waffenverkaufs einen Protestbrief zukommen lassen. Venezuelas Regierung betont, dass die Waffen nur zur Selbstverteidigung benötigt würden und man nur eine "friedliche und demokratische Revolution" unterstütze. In einer Mitteilung, die die Washington Times vom US-Außenministerium erhalten hat, heißt es:
Venezuelas Pläne, verschiedene Waffentypen in großen Mengen zu kaufen, sind äußerst beunruhigend. Und wir glauben, dass sich Venezuela mit seinen Nachbarn über solche Waffenkäufe beraten sollte. Der Kauf hat Fragen zu seinem Zweck entstehen lassen. Unsere Befürchtungen über diese Waffenkäufe werden durch die Toleranz Venezuelas gegenüber Gruppen wie der FARC, der ELN und anderen verstärkt.
Das US-Außenministerium befürchtet auch, dass die neuen Reservistenverbände, die Venezuelas Regierung aufbauen will, eher Milizen sein könnten, die die Opposition einschüchtern sollen. Unterstellt wird, dass Venezuela auf eine Diktatur im kubanischen Stil zusteuere. Allerdings wurde sie demokratisch gewählt und beim letzten Referendum noch einmal in ihrem Amt bestätigt.
Nordkorea und die Atombombe
Well, I'm quite clear and I believe that everybody is telling the Iranians that they are going to have to live up to their international obligations or next steps are in the offing; and I think everybody understands what next steps means.
US-Außenministerin Rice am 9. 2. 2005
Nordkorea hatte schon einmal versucht, die weltpolitische Lage zu nutzen, um die USA unter Druck zu setzen, als die Bush-Regierung den Irak-Krieg nach dem 11.9. vorbereitet hat (Nordkorea will den Irak-Konflikt ausbeuten). In seiner Rede an die Nation Anfang 2002 hatte Bush Nordkorea zusammen mit dem Irak und Iran als "Achse des Bösen" bezeichnet. Dem Irak wurde die Entwicklung und der Besitz von Massenvernichtungswaffen von den Bush-Regierung fälschlicherweise unterstellt. Um die Kriegsvorbereitungen in den USA und gegenüber der UN durchzusetzen, wurde erst im Oktober 2002 von der US-Regierung bekannt gegeben, dass Nordkorea ein Programm zur Anreicherung von Plutonium unter Verletzung internationaler Verträge begonnen hat (Update: Die US-Regierung hat dem Kongress die Informationen über das nordkoreanische Atomwaffenprogramm vorenthalten). Hier also gab es im Unterschied zum Irak Fakten, die auch vom nordkoreanischen Regime bestätigt wurden.
Die US-Regierung stellte daraufhin die unter Clinton vereinbarten Hilfslieferungen ein. Nordkorea kündigte den Atomwaffensperrvertrag auf und begann wieder mit der Produktion von waffenfähigem Plutonium, die man 1994 eingestellt hatte, um dafür die Hilfslieferungen zu erhalten. Vermutet wird, dass Nordkorea mittlerweile genug Plutonium für mehrere Atombomben hat, möglicherweise hat das Regime bereits einsatzfähige Atombomben. Zumindest warnte Nordkorea stets davor, auch mit Atomwaffen zurück zu schlagen, falls es angegriffen werden sollte (Die nächste Drohung). Im Gegensatz zum Irak versuchte wohl auch deswegen die USA, zusammen mit den Nachbarländern Russland, China, Japan und Südkorea über Verhandlungen Nordkorea zu einem Verzicht auf Atomwaffen zu bewegen, ohne allzu explizit mit einem Angriff zu drohen (Notfalls auch mit militärischer Gewalt nach dem Exempel Irak).
Gestern hat nun das Regime erstmals offiziell behauptet, bereits Atomwaffen zu besitzen, die man als Schutz vor einem Angriff benötige:
Wir haben schon mit Entschlossenheit gehandelt, indem wir aus dem Atomwaffensperrvertrag ausgestiegen und Atomwaffen zur Selbstverteidigung hergestellt haben, um der immer unverschleierten Politik Bushs entgegen zu treten, den Norden zu isolieren und zu unterdrücken. ... Die aktuelle Realität beweist, dass nur eine mächtige Stärke Gerechtigkeit und Wahrheit schützen kann.
Zudem kündigte das nordkoreanische Regime an, weiterhin nicht an Verhandlungen teilzunehmen, bis die Bedrohungen aufhören. Die US-Regierung habe die Absicht, mit allen Mitteln, auch mit atomaren, die nordkoreanische Regierung zu stürzen. Man würde erst wieder in Gespräche eintreten, wenn die USA diesen Plan beenden, allerdings wäre man an einer friedlichen Lösung durch Dialog interessiert und würde eine atomwaffenfreie Zone anstreben.
Für die Bush-Regierung ist die Provokation ein Dilemma. Im Unterschied zum Iran hat das Land nach eigenem Bekunden bereits Atomwaffen. Nachdem man schon durch den Irak-Krieg im Hinblick auf die atomare Aufrüstung der Diktatur Nordkoreas gezeigt hatte, dass man mit zweierlei Maß handelt, dürfte man sich das wohl nicht noch einmal erlauben. Zudem ist Nordkorea eine der wohl schlimmsten Diktaturen. das Versprechen, Demokratie auf der Welt zu verbreiten, müsste auch Nordkorea betreffen, auch wenn das Land wirtschaftlich nicht interessant ist. Für die neue Außenministerin werden so Venezuela, Nordkorea und der Iran zu einer herausfordernden Aufgabe, an der sich die Bush-Regierung messen lassen muss.
US-Außenministerin Rice reagierte heute zurückhaltend auf die Erklärung Nordkoreas, über Atomwaffen zu verfügen:
"The North Koreans are only deepening their isolation because everyone in the international community, and most especially North Koreas neighbors, have been very clear that there needs to be no nuclear weapons on the Korean peninsula in order to maintain stability in that region ... The president of the United States said in South Korea, that the United States has no intention to attack North Korea. Theyve been told they can have multilateral security assurances if they will make the important decision to give up their nuclear weapons program...."