Putin will Russen-Rap "lenken" statt verbieten
Verbote im Kulturbereich rufen der Meinung des russischen Staatspräsidenten nach "das Gegenteil des von ihnen erwarteten Effekts" hervor
Rapmusik entstand in den USA der 1970er Jahre aus Elementen wie den Sound Systems jamaikanischer Einwanderer, die zu Instrumentalversionen "toasteten" (vgl. Kool Herc kann sich keine Nierenoperation leisten). In den 1980er Jahren erlebte das Genre durch die damals neue Technologie des Samplings einen Innovationsschub, der 1992 nach dem Biz-Markie-Gerichtsurteil abebbte (vgl. Vom Klang über die Technik zum Recht). Danach verschwand es zwar nicht, reduzierte sich aber mehr und mehr auf unreflektierte Affirmation fremdschädigender Ideologien und Verhaltensweisen (vgl. Die Rückkehr der Eigentlichkeit).
Diese Entwicklung geschah nicht nur in den USA, sondern auch in anderen Ländern: Zum Beispiel in Deutschland (vgl. Rapper als Opfer), Frankreich, Großbritannien - und Russland. Dort erzeugte Staatspräsident Wladimir Putin am Wochenende mit einer Äußerung dazu auch in westlichen Medien viel Aufmerksamkeit.
Hauptproblem Werbung für Drogenkonsum
Bei einem Treffen mit Kulturpolitikerin meinte er, man solle den russischen Rap lieber "lenken" als verbieten, weil Verbote "das Gegenteil des von ihnen erwarteten Effekts" hervorrufen würden. Das gelte für den gesamten Bereich der Kultur. In diesem Zusammenhand verwies er auf die Forschung der Philologin Ludmila Verbitskaya und erinnerte daran , dass auch der Walzer einst als "schädlich" verpönt war.
Von den Elementen, die am russischen Rap kritisiert werden, sorgt sich Putin seinen eigenen Worten nach weniger um politischen Protest und eine unflätige Sprache als um indirekte Werbung für Drogenkonsum (vgl. Zehn Jahre Verspätung beim Kampf gegen die Droge "Krokodil"). Die Verherrlichung von Dschihadismus und Gewalt, die in den Rap-Debatten in anderen Ländern im Vordergrund steht, erwähnte er nicht (vgl. Generalstaatsanwaltschaft Berlin stellt Ermittlungen gegen GEMA ein).
"Wenn man etwas nicht stoppen kann", so das Fazit von Putins Ausführungen zum russischen Rap, dann "muss man sich an die Spitze setzen und entsprechend lenken". Was genau er darunter versteht, ließ er offen.
Christlich-orthodoxe Rapper
Hintergrund von Putins Äußerungen sind Auftrittsverbote, die lokale und regionale Behörden in den letzten Monaten vermehrt verhängten. Die Rapper Nastya Kreslina und Nikolay Kostylev mussten beispielsweise sechs von elf geplanten Auftritten ihrer geplanten Tournee absagen. Wegen solch eines Auftrittsverbots in Krasnodar absolvierte Dmitri Kuznetsov alias Husky im November einen Ersatzauftritt auf einem Autodach, was ihm zwölf Tage Haft wegen Rowdytums und Widerstands gegen die Staatsgewalt einbrachte, von denen er vier absitzen musste.
Boris Barabanov, der Musikkolumnist der russischen Wirtschaftszeitung Kommersant, sieht die Ursache dieser Auftrittsverbote nicht im Kreml, sondern bei den lokalen und regionalen Behörden selbst. Sie stören sich neben der indirekten Werbung für Drogenkonsum und einer unflätigen Sprache auch an angeblichem Satanismus. Für eine Einflussnahme der (gerade durch die Abspaltung einer ukrainisch-orthodoxen Landeskirche belasteten) russisch-orthodoxen Kirche, die die New York Times andeutete, finden sich dagegen keine konkreteren Hinweise. Sucht man danach, stößt man stattdessen auf Beispiele dafür, wie sich russische Politiker und Kirchenfürsten "gelenkte" Rapmusik konkret vorstellen könnten.
Musikzensur in Deutschland könnte nach EuGH-Urteil erneut zunehmen
In Deutschland geschieht der Großteil der Musikzensur auch nach der Beilegung des Streits zwischen der GEMA und dem Videoportal YouTube immer noch aus Immaterialgüterrechtsgründen. Folgt der Europäische Gerichtshof dem Gutachten seines polnischen Generalanwalts Maciej Szpunar vom 12. Dezember und hebelt das Sampling-Urteil des Bundesverfassungsgerichts aus, dürfte sich das Volumen der deshalb gesperrten, gelöschten und von der Verwertung ausgeschlossenen Akustikwerke noch deutlich vergrößern (vgl. EuGH-Anwalt: Kraftwerks "Metall auf Metall" von Moses P. rechtswidrig gesampelt). Darüber hinaus gibt es den Index der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien (vgl. Wie ich einmal versuchte, einen indizierten Film zu kaufen) und staatsanwaltschaftlich beschlagnahmte Werke (vgl. Information und Spektakel).
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