Reisekanzler Scholz in der Sackgasse
Warum sich der Bundeskanzler als zweiter Außenminister inszeniert und bei seinem Werben um globale Allianzen dennoch scheitert. Ein Gastkommentar
Bundeskanzler Olaf Scholz gerät innenpolitisch immer mehr unter Druck. Im Zangenangriff seiner Koalitionspartner und der Union soll er immer mehr und immer schwerere Waffen an die Ukraine liefern. Wie ein Getriebener wird eine Rüstungsforderung Kiews nach der anderen erfüllt.
Aber das genügt nicht. Ist die eine Forderung erfüllt, kommt schon die nächste, denn deutsche Waffenlieferungen sollen den Sieg über Russland sicherstellen. Waffen nicht in Spannungs- und Kriegsgebiete liefern zu wollen, scheint nur mehr eine schwache Reminiszenz aus einer längst verblichenen Vergangenheit.
Fast schon verzweifelt versucht Scholz, dem innenpolitischen Druck durch eine rege Reisetätigkeit auszuweichen. Als bräuchte es einen zweiten Außenminister, ist der Kanzler jetzt viel, sehr viel unterwegs und versucht eine globale Allianz gegen Russland zu schmieden.
Das Problem des Westens ist, dass der Globale Süden bei den Sanktionen gegen Russland nicht mitmachen will. Im Gegenteil, wie im Falle Indiens, Indonesiens und Pakistans werden die Wirtschaftsbeziehungen mit Russland massiv ausgebaut, insbesondere, was die Energieimporte angeht.
Scholz aber hat auf seiner Afrika-Tour nach Senegal, Niger und Südafrika wie auch mit seinen Kontakten nach Indien und Argentinien praktisch nichts anzubieten, außer warmer Worte und moralischer Belehrungen.
Die Union mahnt den Kanzler, noch gebieterischer aufzutreten und Ländern wie Indien klarzumachen, dass man nicht "auf zwei Hochzeiten tanzen kann". Damit aber gerät Scholz genau ins Fahrwasser von Leuten, deren koloniale Attitüden und Loyalitätsforderungen auf immer weniger Gegenliebe im Süden stoßen.
Scholz sieht sich bei seinen Allianzbildungsversuchen in engster Abstimmung mit der US-Regierung und muss doch erkennen, dass alle Versuche, unbotmäßige Länder aus Gipfel-Formaten auszuschließen, wie Russland bei den G-20 oder Kuba beim Amerika-Gipfel, zu völlig entgegengesetzten Ergebnissen führen.
Westliche Narrative werden nicht mehr übernommen
Im Falle des Ausschlusses von Kuba sagte sogar Mexiko, ein G-20-Mitglied, seine Gipfelteilnahme in Los Angeles ab. Indonesien reagierte auf die Ausschlussforderung Russlands aus dem G-20-Format mit zusätzlichen Bestellungen von Erdöl aus Russland.
Da aber warnende Worte und Drohungen nicht helfen, soll es jetzt offenbar die totale Flexibilisierung deutscher Waffenexporte richten.
Das, was wir in der Ukraine sehen, ist dann nicht die Ausnahme, sondern die Regel: Deutschland wird an loyale Staaten gerade in Spannungs- und Kriegsgebieten liefern. Verklausuliert heißt es dazu laut der Nachrichtenagentur Reuters in Regierungskreisen:
Außerdem stellt sich schon die Frage, ob wir Waffeneinkäufe erwünschter Partner, wie der Türkei oder Indiens in Russland kritisieren, wenn wir selbst ihnen als Westen die gewünschten Technologien verweigern.
Die entsprechende Änderung des Rüstungsexportkontrollgesetzes steht aber noch aus und so setzt Scholz auf Einbindung. So wurden Südafrika, Indien und der Senegal zum G7-Gipfel, dessen Vorsitz der Kanzler führt, Ende Juni nach Elmau eingeladen.
Wie unterschiedlich die Wahrnehmung aber sein kann, zeigt die Position des Senegal zur sich verschärfenden Hungerkrise. Während die Bundesregierung allein Russland dafür verantwortlich macht, geißelt der senegalesische Präsident Macky Sall die westlichen Sanktionen, die russische Lebensmittelexporte verhinderten. "Das führt zu ernsthaften Bedrohungen für die Ernährungssicherheit des Kontinents", so laut Reuters die Schuldzuweisung des senegalesischen Staatschefs an den Westen.
Kurzum: Die westlichen Narrative werden nicht mehr übernommen. Den Emanzipationsprozess des Globalen Südens wird auch ein Reisekanzler Scholz nicht aufhalten können. Es ist noch ein weiter Weg, bis auch in Berlin verstanden wird, dass die Zeit der Befehle und Belehrungen dem Ende entgegengeht.