Schweizer Atommüll-Endlager an der deutschen Grenze

Symbolbild: Pixabay

Der Standort mit den "größten Sicherheitsreserven"? Das Tiefenlager soll am Hochrhein direkt an der Grenze entstehen. Für das Umland ist die Erweiterung einer Verpackungsanlage für hochradioaktive Brennstäbe geplant.

"Die Geologie hat gesprochen", meint die Schweizer Nationale Genossenschaft für die Lagerung radioaktiver Abfälle (Nagra) zur Entscheidung, dass direkt an der deutschen Grenze das Endlager der Eidgenossen für hochradioaktiven Müll entstehen soll.

"Es ist eine eindeutige Entscheidung", hat der Nagra-Chef Matthias Braun am frühen Montag auf einer Pressekonferenz erklärt. Das Herzstück für das Endlager sei der Opalinuston.

In diesem Gestein soll das Endlager am Hochrhein gebaut werden, direkt gegenüber der deutschen Gemeinde Hohentengen. Damit läge das geplante Endlager nur wenige hunderte Meter der deutschen Gemeinde entfernt. Das Gebiet heißt in der Schweiz "Nördlich Lägern" und liegt im Zürcher Unterland.

Radioaktives Material "wie ein Magnet binden"

Es handele sich beim Opalinuston, so Matthias Braun, um ein "unscheinbares Gestein", das 175 Millionen Jahre alt ist. Der Opalinuston sei sehr dicht und könne radioaktives Material sogar "wie ein Magnet binden", verstieg sich Braun. Angeblich könne sich das Gestein selbst heilen, wenn es doch einmal brechen sollte.

Falls sich zweitens beim Bau des Lagers oder im Lauf von Hunderttausenden Jahren durch Gesteinsverschiebungen Risse im Opalinuston bilden, würde dieser sie selbst wieder abdichten: Kommt der Opalinuston mit Wasser in Kontakt, quillt er auf und verschließt solche Risse.

Schweizer Nationale Genossenschaft für die Lagerung radioaktiver Abfälle

Komisch ist aber, dass auch behauptet wird, dass das Gestein praktisch für Wasser undurchlässig sei. Zudem soll die etwa 100 Meter dicke Schicht in etwa 800 Metern Tiefe in Nördlich Lägern besonders weit entfernt von wasserführenden Schichten liegen.

Aber Opalinuston gibt in der Schweiz nicht nur an der deutschen Grenze, weshalb auch an anderen Stellen das Gestein untersucht wurde. Zuletzt waren noch drei Standorte in der Auswahl.

Die Untersuchungen der Nagra haben auch gezeigt: In allen drei untersuchten Regionen – Jura Ost, Nördlich Lägern und Zürich Nordost – könnte ein sicheres Tiefenlager gebaut werden. Nördlich Lägern ist aber der sicherste Standort.

Nagra

Warum der Standort an der Grenze zu Deutschland? Die Schweizer Gesellschaft behauptet, dass die Opalinuston-Schicht an der deutschen Grenze sei am dicksten sei und zudem sei der Abstand zu wasserführenden Schichten und zur Oberfläche größer als bei den anderen Standorten.

"Robuste Prognosen, auch in die ferne Zukunft"

Die Kenntnis der Geschichte dieses Gesteins über die letzten 175 Millionen Jahre hinweg erlaube "robuste Prognosen, auch in die ferne Zukunft", meint Nagra-Chef Braun.

Grundsätzlich würden sich alle drei Standorte eignen, aber "der beste" Standort sei aber Nördlich Lägern, da der die "größten Sicherheitsreserven" biete, meint Braun.

Grenzwertige Standorte

Dabei ist auffällig, dass Atomanlagen generell gerne an Grenzen gebaut werden. Schaut man auf eine Karte in der Schweiz, dann wird das deutlich. Vier von fünf Atommeilern stehen an der deutschen Grenze. Das gilt nur für Mühleberg bei Bern nicht. Aber der Reaktor ist längst abgeschaltet.

Dass nun in der Nordschweiz auch noch das Endlager kommen soll, in dem auch der schwach- und mittelaktiver Atommüll gelagert werden soll, passt da gut ins Bild. Und dabei bleibt es nicht. Eine Verpackungsanlage für die hochradioaktiven Brennstäbe soll zudem in das Areal der Zwischenlager Würenlingen (Zwilag AG) integriert werden.

Auch das, wie soll es anders sein, findet sich direkt am Rhein gegenüber Waldshut-Tiengen. Neben leicht radioaktiven Abfällen sollen dort nun auch hochradioaktiver Müll in eine endlagerfähige Form gebracht werden. 1996 wurde mit dem Bau begonnen.

"Dreieinhalb Jahre später war die Hightech-Entsorgungsanlage fertig", schreibt Swissnuclear. "Würenlingen ist ein optimaler Standort. Drei der fünf Schweizer Kernkraftwerke liegen im näheren Umkreis: Die Transportwege sind deshalb kurz."

Die Anlage soll nun also deutlich erweitert werden. Da natürlich auch die Transportwege für den hochradioaktiven Müll kurz sind und dann später auch zum geplanten Endlager. Allerdings ist das keine wahrlich keine Schweizer Besonderheit, gefährliche Atomanlagen an die Grenzen zu setzen. Auch Gorleben, das lange ein deutsches Endlager werden sollte, lag damals noch an der Grenze zur DDR.

Auf der anderen Seite der ehemaligen "Zonengrenze" findet sich mit Morsleben das "sichere" DDR-Endlager, das wegen Einsturzgefahr derzeit aufwendig stabilisiert wird. Auch der Schacht Konrad liegt an der ehemaligen Grenze oder das ebenfalls angeblich sichere und nun "absaufende" Endlager Asse.

Milliarden muss der Steuerzahler nun für einen Sanierungsversuch aufbringen. Hier sollte angeblich Salz eine sicher Endlagerung ermöglichen oder war nicht auch hier eher die Beschaffenheit an der Oberfläche entscheidend für den Standort?

Auch Frankreich hat so einige Atomanlagen an der Grenze zu bieten, wie das große Atomkraftwerk in Cattenom, die inzwischen abgeschalteten Meiler in Fessenheim oder der EPR-"Neubau" in Flamanville am Ärmelkanal, der einfach nicht gelingen will. Auch das geplante französische Endlager in Lothringen findet sich nicht sonderlich weit von Grenze zu Deutschland und Luxemburg entfernt.

Dem Widerstand ausweichen

Bei der Suche nach einem Standort für Endlager ist nicht nur den Untergrund entscheidend, sondern wichtig ist für die Planer auch, was an Widerstand an der Erdoberfläche zu erwarten ist. Die Frage ist, ob dies nicht sogar letztlich den Ausschlag gibt. Die fast menschenleere Gegend in der Gegend um Bure in Lothringen steht eindeutig dafür.

Es war der einzige Standort der in Frankreich überhaupt untersucht werden konnte, die übrigen Versuche in anderen Lagermedien wie Salz oder Granit stießen auf sehr harten Widerstand und wurden unterbunden. So hat Frankreich die eigenen Gesetze zur Suche nach einem Endlager über den Haufen geworfen, um irgendwann vielleicht einmal ein Endlager vorweisen zu können.

Der Widerstand an der Oberfläche spielt offensichtlich auch in der Schweiz eine Rolle. Auffällig ist doch nun, dass die Nagra sogar zugibt, dass man das Gebiet Nördlich Lägern sogar schon einmal wegen Problemen ausgesiebt hatte.

"Mit dem Standortvorschlag revidiert die Nagra eine frühere Bewertung. 2015 hatte sie in Nördlich Lägern aus der damaligen Datenlage bautechnische Nachteile abgeleitet", stellt sie selbst fest.