Seltsame Auslieferung von Belgien an Spanien
Warum hat die belgische Justiz eine Baskin an Spanien ausgeliefert, obwohl dies 17 Jahre lang abgelehnt wurde und alle Vorwürfe verjährt sind?
Es hat sich ein höchst sonderbarer Vorgang ereignet, der auf wenig rechtsstaatliche Absprachen im Hintergrund zwischen Spanien und Belgien hinweist. Es ist sehr merkwürdig, dass Belgien diese Woche die Baskin Jaione Jauregi an Spanien ausgeliefert hat, nachdem die Köchin 17 Jahre offen im belgischen Exil gelebt hatte.
In all den Jahren hatte Spanien die Auslieferung der Baskin wiederholt gefordert, doch Belgien hatte das Ansinnen stets auch mit dem Hinweis auf die Gefahr abgelehnt, dass Jauregi in Spanien gefoltert werden könnte. Es ist bekannt, dass Spanien immer wieder vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) für willkürliche Inhaftierungen und für Folter und Misshandlungen verurteilt wird. Davon sind sogar Journalisten betroffen, deren Kommunikationsmedien unrechtmäßig geschlossen worden waren.
Da sich Belgien in den letzten Jahren immer wieder auch geweigert hat, katalanische Exilpolitiker wie den ehemaligen Regierungschef Carles Puigdemont an Spanien auszuliefern, sich auch bei Musikern und der Meinungsfreiheit nicht von der trickreichen spanischen Justiz hat an der Nase herumführen lassen, zuletzt sogar dem Obersten Gerichtshof in Madrid Kompetenzen im Fall eines katalanischen Politikers abgesprochen hat, ist die Auslieferung der Baskin besonders merkwürdig.
Denn ohnehin sind die Vorwürfe gegen Jauregi offensichtlich längst verjährt, worauf ihr Anwalt immer wieder hingewiesen hat und neu ist das auch nicht, wie der Fall der baskischen Journalistin Nekane Txapartegi gezeigt hatte, die im Schweizer Exil lebt. Jauregis Anwalt Alfonso Zenon hatte, bevor sie nach der Auslieferung vor den Nationalen Gerichtshof in Madrid gebracht wurde, erklärt: "Ich erwarte nichts anderes als ihre Freilassung."
Zenon hatte gute Argumente dafür, dass Jauregi nach spanischem Recht niemals hätte inhaftiert werden dürfen, wie es letztlich Richter José de la Mata an dem Sondergericht angeordnet hat.
Politisierte Justiz
Das Verfahren gegen Jauregi, der in Madrid vorgeworfen wird, am Anschlag der Untergrundorganisation ETA auf den Oberstleutnant Ramón Romeo Rotaeche vor 39 Jahren beteiligt gewesen zu sein, war sogar vor spanischen Gerichten mehrfach eingestellt worden. Erst 2005 wurde das Verfahren schließlich gegen sie eröffnet, 24 Jahre nach dem Mord.
Doch nach dem damals geltenden Gesetz von 1973 war der Vorgang nach 20 Jahren verjährt. Er war sogar schon verjährt, als 2002 ein Nebenkläger auftauchte und Vorwürfe gegen die Baskin erhob. Die Verteidigung hatte deshalb vor der Inhaftierung festgestellt, dass diese eine "eklatante Verletzung der Grundrechte" darstellen würde und "offensichtlich illegal" wäre. Sie konnte sogar anführen, dass derselbe Sondergerichtshof vor zwei Jahren in einem anderen Verfahren gegen Jauregi längst zu dem Urteil gekommen war, wonach die Vorwürfe verjährt sind.
Die politisierte spanische Justiz hat es sich nun trotz allem nicht nehmen lassen, auch diese Baskin zu inhaftieren. Es dauert schließlich viele lange Jahre, bis der Straßburger EGMR spanische Unrechtsurteile kassiert. Im Fall von baskischen Politikern geschah das erst Jahre, nachdem sie die Haftstrafe von 6,5 Jahren längst abgesessen hatten. Sie hatten nach dem Urteil der unabhängigen Straßburger Richter keinen "fairen Prozess", in dem sie ebenfalls zu ETA-Mitgliedern gestempelt worden waren. Im ersten Urteil hatte der Nationale Gerichtshof sie sogar zu ETA-Anführern gestempelt.
Der Frage ist nun, was sich hinter der Bühne abspielt, dass Belgien eine gut in Gent integrierte baskische Köchin plötzlich nach Spanien abschiebt, bei der man das 17 Jahre verweigert hatte? Ohnehin hat die ETA ihren Kampf schon vor neun Jahren eingestellt, ist seit Jahren entwaffnet und aufgelöst.
Insgesamt hielt sich Jauregi seit 1979 in diversen Exilländern auf, nachdem sie vor 42 Jahren vor Anschlägen staatlicher Todesschwadrone geflohen war. Die sind meist nicht aufgeklärt und es fehlt weiter jeder Wille zur Aufklärung, wie die Angehörigen von Opfern auch im Telepolis-Gespräch darlegt haben. Die Baskin Jauregi hält sich, so erklärte sie im Interview, für ein Faustfand in einem "Tauschgeschäft" in der Polizeiarbeit zwischen Spanien und Belgien.