Sind gezielte Tötungen mit Drohnen legal?

In den USA wurde eine Klage gegen die Tötung von US-Bürgern im Jemen eingereicht, eine Chance, die von Obama geförderten extralegalen Exekutionen an den Pranger zu stellen

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In den USA wird nun erstmals die Chance bestehen, die Rechtmäßigkeit von gezielten Tötungen oder Mordanschlägen mit Drohnen zumindest nach amerikanischem Recht zu prüfen. So lange nur Nicht-US-Bürger im Ausland getötet oder verletzt wurden, konnte der von Friedensnobelpreisträger Obama massiv ausgeweitete Drohnenkrieg auch in Länder wie Pakistan, Somalia oder Jemen, in denen offiziell kein Krieg geführt wird, uneingeschränkt weiter geführt werden.

Die Alliierten wie Deutschland ducken sich weg, selbst wenn Bürger des eigenen Landes getötet werden, die Vereinten Nationen haben Kritik angemeldet, aber dafür interessiert sich niemand, die Amerikaner dürften vom Drohnenkrieg bislang angetan sein, weil sich so die Bösen töten lassen, ohne eigene Soldaten zu gefährden. Und irgendwie scheint es weiterhin so zu sein, als wäre der Einsatz ferngesteuerten Drohnen irgendwie rechtlich unbedenklicher, als wenn ein Mensch einen der Rebellion oder des Terrors Verdächtigen tötet. Die Einsatzregeln wurden in Pakistan und auch im Jemen herabgesetzt, schon wenn verdächtige, aber nicht bekannte Personen gesichtet werden, dürfen tödliche Hellfire-Raketen abgeschossen werden (US-Regierung beschließt Ausbau des Drohnenkriegs im Jemen).

Das Weiße Haus hatte wohlweislich lange gezögert, bis US-Präsident Obama persönlich die Order gab, den US-amerikanischen, in New Mexico geborenen Staatsbürger und Imam Anwar al-Awlaki, der im Jemen zu einer führenden Figur von al-Qaida wurde und den Terrorismus gegen die USA propagierte, auf die Killliste zu setzen (Mit US-Drohnen soll islamistischer Prediger im Jemen getötet werden, Sind gezielte Tötungen mit Drohnen Selbstverteidigung oder Mord?).

Man wusste, dass man damit einen Schritt in schwieriges juristisches Gebiet beging, schließlich handelte es sich um die extralegale Exekution eines US-Staatsbürgers, der nur ein Terrorverdächtiger war, aber der ohne Gerichtsurteil zum Tode verurteilt wurde. Aber weil man die Bedrohung durch al-Awlaki als so groß betrachtete, gab es die Order. Al-Awlaki wurde daraufhin von einer Drohne zusammen mit Samir Khan, einem weiteren US-Bürger, am 30. September 2011 in Jemen getötet (US-Drohne tötet al-Qaida-Führer al-Awlaki). Am 14. Oktober wurde zudem mit einer Drohne neben mindestens 7 Personen in einem "Open-Air-Restaurant" auch zwei Kinder, darunter der 16-jährige, in Colorado geborene Sohn von Al-Awlaki, Abdulrahman al-Awlaki, getötet.

Die Bürgerrechtsorganisationen American Civil Liberties Union (ACLU) und das Center for Constitutional Rights (CCR) haben nun im Namen des Vaters von al-Awlaki, der Großvater von Abdulrahman ist, und der Mutter von Khan eine Klage gegen die Verantwortlichen eingereicht: gegen den US-Verteidigungsminister Leon Panetta, gegen den CIA-Direktor David Petraeus und zwei Kommandeure von Sondereinheiten, aber nicht gegen US-Präsident Obama: Präsidenten genießen in ihren Amtshandlungen absolute Immunität, stehen also über dem Recht. Der Vorwurf ist, dass die Tötungen "die fundamentalen Rechte aller US-Bürger verletzt haben, wozu das Recht gehört, nicht ohne einen angemessenen Rechtsprozess des Lebens beraubt zu werden".

Der Vater von al-Awlaki hatte 2010 schon einmal gegen den Tötungsbefehl gegen sein Sohn geklagt und wurde abgewiesen. Das dürfte auch dieses Mal sehr wahrscheinlich sein. Vermutet wird, dass das Justizministerium auf die Zurückweisung der Klage dringen wird, weil damit Staatsgeheimnisse offenbart würde oder weil es in einem bewaffneten Konflikt nicht um juristische, sondern um politische Fragen gehe, wenn jemand getötet werden soll. Erst kürzlich hatte Justizminister Holder noch die gezielten Tötungen auch von US-Bürgern im Ausland verteidigt (Die USA haben "das Recht und die Pflicht", Terrorverdächtige weltweit zu jagen und zu töten).

Offiziell haben die US-Regierung oder Obama zudem nicht die Tötung angeordnet, die New York Times hatte seinerzeit nur auf ein geheimes Memo des Justizministerium verwiesen, nach dem es legal sei, al-Awlaki zu töten, wenn er nicht ergriffen werden kann. Nach der Klage waren beide Drohnenangriffe schon allein deswegen illegal, weil sich die USA nicht im oder mit Jemen im Krieg befanden. Nach internationalem Recht ist außerhalb eines Kriegs der Einsatz tödlicher Macht nicht gestattet, wenn es sich nicht zum Selbstschutz vor einer unmittelbaren Bedrohung handelt. Zudem hätte al-Awlaki nicht ohne ein Gerichtsverfahren auf eine Killliste gesetzt werden dürfen.

Nun ließe sich sagen, dass al-Awlaki und auch Khan, weil sie den Terrorismus propagierten, eine Bedrohung für die USA dargestellt haben, beim 16-jährigen Sohn, von dem keine terroristischen Aktivitäten und keine Verbindung zu al-Qaida bekannt sind, ist selbst diese Begründung für ein Todesurteil hinfällig. Sowohl Khan als auch al-Awlakis Sohn könnten als "Kollateralschaden" gelten, aber auch dies würde die extralegale Exekution aus der Ferne eher problematisch machen - selbst in einem bewaffneten Konflikt, so die Klage.