Ukrainische Offiziere sehen sich mit düsterer Realität konfrontiert

Militärsoldat vor Wand, auf der Flagge der Ukraine gemalt ist. Bild: Shark9208888 / Shutterstock.com

Bei der US-Hilfe hakt es weiter. Das begünstigt die Dynamik auf dem Schlachtfeld für Moskau. Warum eine Verschiebung auf die Nato neue Probleme mit sich bringt.

Während die Außenminister der Nato-Mitgliedstaaten letzte Woche in Brüssel zusammenkamen, um das 75-jährige Bestehen des Bündnisses zu feiern, steht der Krieg in der Ukraine am Scheideweg.

Blaise Malley ist Reporter für Responsible Statecraft.

Einerseits bleibt die jüngste Tranche der Hilfe für Kiew im US-Kongress stecken, obwohl sich in den letzten Wochen allmählich etwas bewegt hat. Und während der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj Washington weiterhin drängt, das Paket zu genehmigen, räumen andererseits ukrainische Militäroffiziere nun ein, dass, selbst wenn die Hilfe jemals eintreffen sollte, sie die Dynamik auf dem Schlachtfeld, die derzeit Russland begünstigt, wahrscheinlich nicht verändern wird.

Nichts kann Ukraine jetzt noch helfen

"Es gibt nichts, was der Ukraine jetzt noch helfen kann, denn es gibt keine ernst zu nehmenden Technologien, die die Ukraine für die große Masse an Truppen entschädigen könnten, die Russland wahrscheinlich auf uns loslassen wird", sagte eine anonyme Militärquelle diese Woche gegenüber Politico.

Wir haben diese Technologien nicht, und der Westen hat sie auch nicht in ausreichender Zahl.

Bislang scheint sich die Nato jedoch von diesen Tatsachen nicht beeindrucken zu lassen. Anstatt ihre Strategie neu auszurichten, setzt das Bündnis auf eine rein militärische Lösung des Krieges.

Anlässlich des Jahrestages verfassten die Außenminister Frankreichs, Deutschlands und Polens gemeinsam einen Leitartikel in Politico, in dem sie die Nato als "das erfolgreichste Verteidigungsbündnis der Geschichte" feierten und erklärten, den Einsatz für den Ukraine-Krieg erhöhen zu wollen.

Russischer Imperialismus muss gestoppt werden

"Wenn Europa in Frieden leben soll, muss der russische Imperialismus gestoppt werden. Wir dürfen keine 'Grauzonen' zulassen, weil Putin sie als Einladung versteht, die territoriale Integrität und Souveränität zu untergraben, imaginäre Linien auf der Landkarte zu ziehen und schließlich militärische Gewalt anzuwenden", schrieben die Außenminister.

Seine umfassende Invasion in die Ukraine hat auch bewiesen, dass eine Politik der Zugeständnisse gegenüber Russland in der Hoffnung, dass sie dem Kontinent Frieden oder Stabilität zurückbringen könnte, naiv ist.

In Anbetracht der Möglichkeit, dass Donald Trump 2025 ins Weiße Haus zurückkehrt – und aufgrund seiner deutlichen Skepsis und die vieler Mitglieder seiner Partei gegenüber einer weiteren Finanzierung der ukrainischen Kriegsbemühungen –, sucht die Nato nach Wegen, um einen möglichen Rückzug Washingtons in dieser Frage zu überwinden.

"Nach einem Vorschlag, der diese Woche im Hauptquartier des Militärbündnisses erörtert wurde, würde die Nato die Ukraine Defense Contact Group beaufsichtigen, eine Gruppe, die derzeit von den Vereinigten Staaten geleitet wird und die Finanzmittel und Lieferungen von Waffen an das Schlachtfeld koordiniert", so die New York Times.

Hilfe für Ukraine "Trump-sicher" machen

Es wird auch über einen Plan von Jens Stoltenberg, dem Nato-Generalsekretär, diskutiert, der vorsieht, dass die 32 Mitgliedstaaten der Allianz über einen Zeitraum von fünf Jahren zusätzliche 100 Milliarden Dollar für die Ukraine bereitstellen.

Der 100-Milliarden-Dollar-Fonds wurde von anderen Medien als eine Möglichkeit beschrieben, die künftige Hilfe für die Ukraine "Trump-sicher" zu machen. Quellen, die dem Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg nahe stehen, sagten der Financial Times, dass er den Vorschlag so formuliert habe, dass man "den Mechanismus gegen die Winde des politischen Wandels abschirmen" wolle.

Sowohl die neue langfristige Finanzierungsstruktur als auch der Plan, die Führung der Verteidigungskontaktgruppe auszuwechseln, befinden sich noch im Anfangsstadium und könnten auf Schwierigkeiten stoßen. Es wird erwartet, dass Ungarn, das sich als einziges Land gegen ein Hilfspaket der Europäischen Union für Kiew sperrte, bevor es schließlich einlenkte, erneut Widerstand gegen Stoltenbergs Vorschlag leisten wird.

USA wollen Kontrolle behalten

Und die USA wollen möglicherweise nicht von ihrer Führungsrolle bei der Koordinierung der militärischen Unterstützung für Kiew abrücken. Während sich die Biden-Regierung weigerte, den Vorschlag direkt zu kommentieren, äußerten US-Beamte laut New York Times "Bedenken".

Sowohl Verteidigungsminister Lloyd Austin als auch der Sprecher des Nationalen Sicherheitsrates, John Kirby, lobten den Erfolg der Gruppe unter der Führung Washingtons.

"Die Kontaktgruppe hat sich als sehr effektiv erwiesen", sagte Kirby. "Wir werden sie auch weiterhin leiten und einberufen. Die Führung der Kontaktgruppe durch uns wird geschätzt, sie ist wichtig."

Wehrpflicht-Ausweitung spaltet Ukraine

Weitere diplomatische Nachrichten im Zusammenhang mit dem Krieg in der Ukraine:

- Selenskyj unterzeichnete diese Woche ein Gesetz zur Senkung des Wehrpflichtalters von 27 auf 25 Jahre und beendete damit einen Streit, der mit der Verabschiedung des Gesetzes im letzten Sommer begann.

"Die Diskussion darüber, wer und wie viele Menschen mobilisiert werden sollen, hat die Gesellschaft gespalten, die ansonsten durch den gemeinsamen russischen Feind geeint gewesen ist", so die Washington Post.

Obwohl die Unterstützung für das Militär unter den Ukrainern extrem hoch ist, wollen nur wenige Menschen, die sich nicht bereits freiwillig zum Kampf gemeldet haben, das machen. Unterdessen haben ukrainische Kommandeure erklärt, sie bräuchten dringend Verstärkung, vor allem in den vordersten Stellungen. Einige Soldaten kämpfen seit mehr als zwei Jahren mit wenigen Unterbrechungen.

Selenskyj entlässt eine Reihe von Mitarbeitern

- Als weiteres Zeichen der Unruhe in Kiew hat Selenskyj am vergangenen Wochenende eine Reihe von Mitarbeitern entlassen. Nach Angaben von Associated Press hat Selenskyj Serhiy Shefir von seinem Posten als erster Assistent abgesetzt, ebenso wie drei Berater und die präsidialen Repräsentanten, die für Freiwilligendienste und die Rechte der Soldaten zuständig sind.

Kommt die US-Hilfe doch noch?

- Der Sprecher des US-Repräsentantenhauses, Mike Johnson, versprach, das Hilfspaket für die Ukraine rasch auf die Tagesordnung zu setzen, sobald der US-Kongress am Montag aus einer zweiwöchigen Pause zurückkehrt.

Es ist nach wie vor unwahrscheinlich, dass das Repräsentantenhaus das im Februar vom Senat verabschiedete Ergänzungspaket zur nationalen Sicherheit aufgreift, das rund 60 Milliarden Dollar für Kiew vorsieht. Der Sprecher sagte stattdessen, er werde Alternativen mit einigen "wichtigen Neuerungen" vorschlagen.

In einem Interview mit Fox News am Sonntag nannte Johnson drei mögliche Neuerungen: Hilfe für Kiew in Form eines "Darlehens" anstelle eines Zuschusses, die Verwendung beschlagnahmter russischer Vermögenswerte zur Finanzierung der Ukraine und die Verknüpfung der Verabschiedung weiterer Hilfen mit einer Gesetzgebung, die den Stopp neuer Flüssiggasausfuhren beendet. Ob eine dieser Optionen im gespaltenen Repräsentantenhaus reüssieren kann, ist unklar.

Macrons Ukraine-Politik

- Russlands Verteidigungsminister warnte seinen französischen Amtskollegen am Mittwoch vor der Entsendung französischer Truppen in die Ukraine und erklärte gleichzeitig, dass Moskau bereit sei, an Verhandlungen teilzunehmen, wie Associated Press berichtet.

Es war das erste Mal seit Oktober 2022, dass die beiden Verteidigungsminister miteinander sprachen. Das geschah als Reaktion auf Äußerungen des französischen Präsidenten Emmanuel Macron im Februar, in denen er die Möglichkeit einer Entsendung von Nato-Truppen in die Ukraine nicht ausschloss.

Das Wall Street Journal veröffentlichte am Mittwoch ein Profil von Macron, das zu erklären versuchte, wie er als einer der führenden Nato-Vertreter seine Position abänderte von Dialog mit Wladimir Putin hin zur Diskussion über die Möglichkeit westlicher Truppen vor Ort.

"In den letzten Wochen hat Macron begonnen, die französische Öffentlichkeit mit düsterer Rhetorik auf die Möglichkeit einer direkteren Konfrontation mit Moskau vorzubereiten, indem er davor warnte, dass im Falle eines Sturzes der Ukraine eine Reihe mittel- und osteuropäischer Länder die nächsten sein würden", so das Journal.

US besorgt um Partnerschaft China-Russland

Nachrichten aus dem US-Außenministerium:

- In zwei Pressekonferenzen letzte Woche beantwortete der Sprecher des Außenministeriums, Matthew Miller, nur wenige Fragen zum Krieg in der Ukraine. Beim Briefing am letzten Montag wurde er zu einem bevorstehenden Treffen zwischen Putin und dem chinesischen Präsidenten Xi Jinping befragt.

"Wir haben deutlich gemacht, dass wir Bedenken gegen die, wie ich glaube, umfassende Partnerschaft zwischen Russland und China haben", sagte Miller. "Wir haben sehr deutlich gemacht, dass wir nicht wollen, dass China irgendetwas tut, um Russlands Aggression in der Ukraine zu unterstützen, und wir werden das auch weiterhin deutlich machen."

Der Artikel erscheint in Kooperation mit dem US-Magazin Responsible Statecraft und findet sich dort im englischen Original. Übersetzung: David Goeßmann.