Verwanzte Demokratie: Wie die Watergate-Verschwörung die USA erschütterte

Seite 6: Hunt: Von "American Spy" zum Mord an JFK

1974 rechtfertigte Helms sich in der TV-Show seines alten Freundes Bill Buckley. Von seiner Haftstrafe musste er 33 Monate absitzen. Als Hunt seinem einst engen Freund Helms einmal begegnete, hatten sich die Männer nichts mehr zu sagen. Hunt lebte mehrere Jahre in Mexiko und ließ sich dann in Florida nieder. Unter verschiedenen Pseudonymen sowie auch unter seinem echten Namen veröffentlichte er diverse Bücher, darunter auch eine Autobiography "American Spy".

Der neue CIA-Direktor James Schlesinger, den Nixon dem Geheimdienst von außerhalb vor die Nase gesetzt hatte, versuchte, seinen Leuten die von Helms selbst vor seinen Präsidenten verborgenen Geheimnisse der CIA zu entlocken. Hierzu bestellte er einen nach wie vor teilgeschwärzten Bericht, der als die "Familienjuwelen" in die Geschichte einging.

Ein weiterer bereits 1971 erfolgter Einbruch weckte zusätzliches Misstrauen: Anonyme Bürgerrechtler hatten aus einem FBI-Büro Dokumente gestohlen, welche die systematische Inlandsspionage gegen die Friedens- und Schwarzen-Bewegung bewiesen (Vier Jahrzehnte vor Snowden: "The Citizens Commission to Investigate the FBI").

Dies ließ die Attentate auf die Kennedys und Martin Luther King in einem neuen Licht erscheinen. Die hierdurch befeuerten Untersuchungen Mitte der 1970er Jahre über die jahrzehntelangen Machenschaften von CIA und FBI führten im Geheimdienst zu Massenentlassungen und einem ausdrücklichen Verbot, fremde Staatschefs zu liquidieren. Die Aufklärung der Attentate auf die Kennedys wurden jedoch durch Ableben von Zeugen vor ihrer Aussage erschwert, was jedenfalls bei Giancana und Roselli auf unnatürliche Weise erfolgte.

Über Hunts Rolle im Kennedy-Mord wurde häufig spekuliert. Hunt hatte die Tat stets alles andere als bedauert. Nachdem als Verschwörer häufig die inzwischen verstorbenen CIA-Leute William King Harvey, David Morales und Frank Sturgis gehandelt wurden, bediente schließlich auch Hunt diese personellen Vermutungen und ergänzte sie durch den korsischen Auftragskiller Lucien Sarti. Desinformationsspezialist Hunt stellte den ihm verhassten Lyndon B. Johnson, der durch den Mord Präsident wurde, als Auftraggeber hin.

Auf seinem Sterbebett hinterließ Hunt seinen Sohn 2007 posthum jedoch eine ganz andere Story: Hunts Kollege Cord Meyer, mit dessen Ex-Frau Mary Kennedy ein Verhältnis hatte (Das Blumenkind und der Präsident), habe einen französischen Killer beauftragt und den Mord Johnson in die Schuhe schieben wollen.

Beide Geschichten erscheinen von ähnlicher Qualität wie Hunts weitgehend erfolglose Spionageromane. Bei einer solchen Racheaktion der Schweinebuchtveteranen wäre es zudem schwer vorstellbar gewesen, jenen Mann außen vor zu lassen, dem Kennedys angeblicher Verrat zur Obsession wurde: Hunt.

Versprechungen, die gesperrten Untersuchungsakten zum Kennedy-Attentat freizugeben, wurden noch immer nicht vollständig realisiert. Die deutschen Medien lassen das Thema vorzugsweise aus oder halten sich meistens an das CIA-Narrativ vom kommunistischen Einzeltäter, dem mit einem schlechten Gewehr ein unwahrscheinlicher Blattschuss gelungen sei, den nachzustellen bislang niemandem überzeugend gelungen ist (JFK - blown away).

In der deutschsprachigen Wikipedia wacht seit eineinhalb Jahrzehnten der inzwischen pensionierte Hamburger Lateinlehrer Dr. Philip Heyde darüber, dass Warren Report-Skeptiker als "randständig", "revisionistisch" und "Verschwörungstheoretiker" etikettiert werden.

In Oliver Stones Biopic "Nixon" verkörperte Ed Harris den Watergate-Einbrecher, der den Präsidenten erpresste. Hunts fiktiver Agent Peter Ward hingegen schaffte es nie auf die Leinwand. Konkurrent Maheu gilt als die Inspiration für die britische TV-Serie "Mission Impossible", in der freischaffende Geheimagenten Regierungen ihre notfalls abstreitbaren Dienste anbieten.

Als Tom Cruise die Serie für die Leinwand adaptierte und damit endlich dem US-Kino einen James Bond-ebenbürtigen "American Spy" lieferte, nannte man den patriotischen Geheimagenten Ethan Hunt – eine klare Referenz an den umtriebigen Spion.