Wahl in Spanien: Pedro Sánchez hofft auf Rechts-Bündnis

Pedro Sánchez. Bild: European Union 2019/ EP/CC BY-SA 4.0

Der Sozialdemokrat wird bei den Wahlen am Sonntag seine Basis verbreitern, strebt aber keine Linksregierung, sondern ein Bündnis mit Ciudadanos an

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Ein Hindernis, um erneut spanischer Regierungschef zu werden, scheint der Sozialdemokrat Pedro Sánchez meistern zu können. Als er den Termin für vorgezogene Neuwahlen auf den 28. April festlegte, wurde befürchtet, dass sich die Nähe zu Ostern besonders negativ auf die Wahlbeteiligung auswirken dürfte, was traditionell der Rechten nützt. Das zeigte sich vergangenen Dezember im bevölkerungsreichsten Andalusien. Erstmals seit vier Jahrzehnten regieren dort deshalb die Sozialdemokraten (PSOE) nicht mehr, weil viele linke Wähler aus Enttäuschung schlicht zu Hause blieben.

Meist gibt Andalusien vor, wer zukünftig im gesamten spanischen Staat regiert. Das wäre dann eine Koalition aus der ultrakonservativen Volkspartei (PP) und der rechts-neoliberalen Ciudadanos (Bürger/Cs), die von der faschistoiden und frauenfeindlichen VOX-Partei gestützt würde. VOX zog in Andalusien erstmals in ein spanisches Parlament. Das heißt aber nicht, dass die Ultras nicht stets vertreten waren. Dass diese Aussage, in vielen Medien oft wiederholt, falsch ist, hatte der Experte Jordi Borràs im Telepolis aufgedröselt.

Die Tatsache, dass sich das ultranationalistische und frauenfeindliche Bündnis auf landesweiter Ebene durchsetzen könnte, hat nun offensichtlich die Wähler aber in Scharen zur Briefwahl getrieben, die am Sonntag nicht in ihr Wahllokal gehen können. Postämter kollabierten und mehrfach musste der Wahlrat die Frist zur Einreichung der Unterlagen verlängern, zuletzt bis Freitagmittag.

Das gereichte dem Regierungschef zum Vorteil, dass viele Menschen schon abgestimmt hatten, bevor Pedro Sánchez am Freitag seine Absichten auch der Öffentlichkeit weitgehend offen dargelegt hat. Wenig unverblümt erklärte er seine Absicht, mit den Cs paktieren zu wollen. Der PP-Chef Pablo Casado stand nicht nach und machte deutlich, dass er die offen faschistisch auftretende VOX sogar in eine Regierung holen will, wenn es die Wahlergebnisse am Sonntag hergeben sollten.

Vermutlich wird die PSOE die Wahlen tatsächlich gewinnen. Sánchez kann seine bisher sehr schwache Basis verbreitern. Dafür hat er zuletzt per Dekret noch etliche zaghafte Sozialmaßnahmen beschlossen, um die sozialdemokratische Seele etwas zu beruhigen. Den Wählern wurde etwas gegeben, damit sie auch Angst haben, dass eine Rechtsregierung ihnen die Brosamen wieder nehmen könnte. Allerdings haben Sánchez und seine PSOE ihre zentralen Versprechen nicht umgesetzt. Die extrem aggressive Arbeitsmarktreform der PP wurde genauso wenig geschleift, wie das Maulkorbgesetz. Die Renten sind noch immer nicht auf einen würdigen Betrag und an die Inflationsrate angepasst, wofür auch weiterhin viele Menschen auf die Straßen gehen.

In der Frage von Flüchtlingen und Einwanderern wurde es unter Sánchez alles anders als "humaner". Das Gegenteil war der Fall, inzwischen beklatschen AfD und Salvini die Sánchez-Politik. Aus seiner ersten großmäuligen Ankündigung im vergangenen Juni, noch im Sommer den Diktator Franco aus seinem Mausoleum in der Pilgerstätte für Ewiggestrige zu holen, wurde wie erwartet bisher auch nichts. Das Gleiche gilt für das versprochene und vom Europaparlament geforderte Verbot der Franco-Stiftung und anderer rechtsradikaler Organisationen.

Nach Umfragen könnte die PSOE stärkste Partei werden

Die Sánchez-PSOE soll am Sonntag nach dem Querschnitt von etlichen Umfragen auf knapp 30% kommen. Zuletzt erhielt sie 2016 nur noch knapp 23%. Damit soll sie von 85 auf über 120 Sitze kommen, womit sie deutlich vor der PP läge. Die soll, wegen der Zersplitterung rechter und ultrarechter Stimmen, von gut 33% auf etwa 20% abstürzen. Die Cs stagnieren und sollen nur noch leichte Zugewinne verbuchen und etwa 15% erhalten. Sie wollten der PP eigentlich längst die Führung in der Rechten abnehmen, doch ihr Aufstieg wird von den VOX-Ultras abgewürgt. Die kamen in Andalusien auf knapp 11% und sollen landesweit ein ähnliches Ergebnis erreichen.

Nach den Umfragen, die in Spanien regelmäßig weit daneben liegen, soll es aber für keine Regierung nach andalusischem Vorbild reichen, was aber von den Stimmen in den ländlichen Regionen abhängt, die überproportional viel zählen. Verlassen kann man sich auf Umfragen in Spanien noch weniger als in vielen anderen Ländern. Das zeigen zum Teil absurde Prognosen vor den Wahlen, wie zuletzt auch in Andalusien oder besonders bei den letzten Parlamentswahlen 2016.

Sánchez erwartet, dass es dieses Mal keine Überraschungen gibt. Ganz besonders hofft er darauf, dass es nun reicht, um allein mit der rechten Cs eine Regierung bilden zu können. Er umwirbt sie seit langem, obwohl deren Chef Albert Rivera ein Bündnis rundweg ablehnt. Der bisherige Mehrheitsbeschaffer Podemos (Wir können es), der einst die PSOE als Teil einer Zweiparteiendiktatur und mit dem Begriff "Kaste" als ein zentrales Problem im Land bezeichnet hatte, wird zunehmend nervös. Denn Sánchez bittet die Neoliberalen "ein ums andere Mal", ihre ablehnende Haltung aufzugeben.

Neu ist sein schielender Blick nach rechts ohnehin nicht. Das Stehaufmännchen, das gerne links blinkt, um dann rechts zu überholen, hatte dieses Bündnis schon nach den Wahlen 2015 versucht, denn in Spanien wird zum dritten Mal in nur vier Jahren gewählt. Auch damals war Podemos bestenfalls zweite Wahl und zunächst hatte Sánchez einen Pakt mit dem Cs-Chef Rivera geschlossen. Allerdings lief er damit gegen die Wand, weil niemand im Parlament diese Minderheitsregierung unterstützen wollte. Am Schluss standen Neuwahlen.

Sehr ernst nimmt Sánchez den "Sperrgürtel" ohnehin nicht, den Rivera verbal um die PSOE gelegt hat, weil die angeblich mit den Katalanen paktiere. Die "Begnadigungen" der Politiker, denen derzeit der Prozess gemacht wird, stehen "schon auf dessen Stirn" geschrieben, erklärte Rivera in den TV-Duellen. Doch Rivera ist bekannt, dass er mit der Wahrheit alles andere als genau nimmt. Er tut oft sogar sehr schnell das Gegenteil von dem, was er kurz zuvor noch versprochen hatte.

Vor den Wahlen 2016 sagte er zum Beispiel, dass er unter keinen Umständen die von Korruption zerfressene PP an die Macht bringen werde. Das Gegenteil war der Fall. Der angebliche Korruptionsbekämpfer versuchte schließlich sogar noch im Juni 2018 Mariano Rajoy zu retten. Die Partei schloss sich dem Misstrauensantrag gegen Rajoy nicht an, nachdem die PP für ihr "effizientes Korruptionssystem" verurteilt worden war. Sánchez wurde schließlich mit den Stimmen der Linkspartei Podemos (Wir können es) und katalanischen und baskischen Parteien an die Macht gebracht.

Podemos ist abgestürzt

PSOE und Cs sind aber längst im Gespräch, wie es die Spatzen von den Dächern Madrids zwitschern. Sánchez appelliert an die Verantwortung von Rivera. Er hält sich beide Türen offen, da ziemlich klar ist, dass es für eine Mehrheit mit Podemos und der Baskisch-Nationalistischen Partei (PNV) am Sonntag nicht reichen wird. Das hat vor allem damit zu tun, dass Podemos in der Wählergunst abgestürzt ist. Die leichte Erholung der PSOE geht auf Kosten der Linkspartei. Viele Wähler wählen lieber das sozialdemokratische Original statt der Kopie, die ohnehin einst ganz andere Vorstellungen vertreten und Hoffnungen geweckt hatte.

Die zerstrittene Partei, die sich auch vom basisdemokratischen Modell weitgehend verabschiedet hat und zu einem Wahlverein für einen "Macho-Alpha" verkommen ist, wie sich Pablo Iglesias selbst bezeichnet, ist längst kein Hoffnungsträger oder ein Vertreter der Empörten-Bewegung mehr. Für viele ist sie nur noch das kleinste Übel. Kam sie 2016 mit der Vereinten Linken (IU) noch auf gut 21%, eigentlich sollte die PSOE überflügelt werden, rückt dieses Ziel nun in weite Ferne. Am Sonntag soll die Koalition "Unidas Podemos" (Gemeinsam können wir es) nur noch 14% erhalten. Allerdings, wer verhindern will, dass Spanien demnächst auch von Leuten wie dem Cs-Chef Rivera regiert wird, hat außerhalb Kataloniens und dem Baskenland meist kaum eine andere Wahl. Nicht zur Wahl zu gehen, bedeutet, die Chance auf eine Regierung zu stärken, in der die faschistoide VOX eine Rolle spielt.

Sánchez will jedenfalls ein neues Bündnis mit Podemos und der PNV vermeiden, wenn er dazu auf die Stimmen katalanischer Unabhängigkeitsparteien angewiesen ist. Das sagte er zum Wahlabschluss am Freitag offen. Allerdings erst, nachdem die Briefwahl abgeschlossen war und viele ihre Wahl angesichts dieser Festlegung nicht mehr ändern konnten. "Stabilität" erwartet er sich von einem Bündnis mit den Ultranationalisten, mit denen er auch schon für die Zwangsverwaltung Kataloniens gestimmt und die Repressionswelle losgetreten hatte. Die Wähler der Sozialdemokraten sollten sich es nun gut überlegen, ob sie ein solches Bündnis mit diesen neoliberalen Ultras wollen. Mit denen gibt es sicher keine "Verständigung" unter den verschiedenen Territorien, wie Sánchez den Wählern vorzugaukeln versucht.

Die rechtsnationalistischen "Liberalen"

Die Partei hat sich in Katalonien mit der PP und VOX als Brandstifter betätigt und sogar gegen jeden "Dialog" mit Katalonien auch mit Faschisten, Nazis und Franquisten demonstriert. Sie hat auch Gewalttäter in ihren Reihen, die sogar auf Journalisten einprügeln.

Die "Bürger" verkaufen sich in Europa gerne als "Liberale", was ihnen zum Teil auch weiter abgenommen wird. Aber geht das zum Beispiel für die FDP durch, wenn ihre Schwesterpartei sich in Andalusien von der faschistoiden VOX stützen lässt, der zudem weit entgegengekommen wurde? Geht es durch, dass Liberale gegen einen Dialog mit Faschisten demonstrieren und sich Rassisten und Falangisten auf ihren Listen finden? Geht es durch, dass die Cs mit PP, VOX und anderen Parteien auch in der sogenannten "Katalanischen Zivilgesellschaft" (SCC) sitzen, die von der identitären Somatemps gegründet wurde und von dem Nazi-Propagandisten Ramon Bosch geführt wird. Der hatte auf Facebook unter falschem Namen Nazi-Propaganda betrieben.

Vielleicht sollten wirkliche Liberale sich auch einmal mit der ehemaligen Cs-Europaparlamentarierin Carolina Punset unterhalten. Die wirft der Partei vor, ihre Mitglieder wie "der KGB auszuspionieren", und hat auch deshalb den Ultras der Cs den Rücken zugekehrt. Und sie ist nicht die einzige, die der Partei Spionage vorwerfen, die gerade in einen weitreichenden Skandal verwickelt ist, weil sie in der einzigen Stadt, die sie regiert, Politiker, Journalisten und Beschäftigte ausspioniert haben soll.

Punset hatte auch das frauenfeindliche Abdriften der "Ultraliberalen" kritisiert, die vor dem "Macho-Terror" die Augen verschließen, um "Stimmen nur noch auf der Rechten oder besser gesagt, bei ganz Rechten" zu werben. In Bezug auf Katalonien stellt sie klar, dass man auch mit den "politischen Gegnern sprechen" und auf "Beleidigungen und Provokationen" verzichten muss, um zu deeskalieren. Die Cs setzten aber aus wahltaktischen Gründen auf "Polarisierung", meint sie.

Punset wurde von ihrer Partei heftig dafür kritisiert, dass sie ihren Job als Politikerin ernst nimmt und auch das Gespräch mit dem katalanischen Exilpräsidenten Puigdemont in seinem belgischen Exil gesucht hat. Und sie steht mit ihrer internen Kritik wahrlich nicht allein. Auch der ehemalige Cs-Stadtrat Jesús Benedicto nennt die Formation inzwischen eine "Sekte", in der kein "freies Denken" erlaubt sei, die den Konflikt in Katalonien nur anheizen wolle.

Um die lästige linke Podemos-Partei loszuwerden und nicht mehr auf die Stimmen von Basken und Katalanen im Parlament angewiesen zu sein, ist der Hasardeur Sánchez seinen gefährlichen Weg über Neuwahlen gegangen, um ab Sonntag ein Bündnis mit den Cs-Ultras schließen zu können. Er könnte bei dem gefährlichen Schachzug aber auch Schiffbruch erleiden. Er könnte die Macht an die drei Parteien verlieren, die alle aus einer PP hervorgegangen sind, die von Franco-Ministern gegründet wurde und sich nie von Putsch und Diktatur distanziert hat.

Hätte Sánchez einen realen Dialog mit den Katalanen versucht, hätten die auch seinem Haushalt zugestimmt und es hätte die vorgezogenen Neuwahlen nicht gegeben. Doch wie die Cs setzt auch er auf Dialogverweigerung, weil auch er keine Vorstellungen hat, wie er mit dem katalanischen Problem umgehen soll. Den Stier bei den Hörnern zu greifen und die Katalanen demokratisch abstimmen zu lassen, wie es auch Quebec in Kanada oder Schottland in Großbritannien erlaubt hat, dafür fehlt ihm das Rückgrat und der Mut. Ohnehin geht es ihm vor allem darum, wieder auf dem Präsidentensessel sitzen zu können.

Auf die Katalanen angewiesen?

Klar ist aber, dass er die Stimmen von Podemos nicht umsonst bekommen wird und dafür in sozialen Fragen weitere Zugeständnisse machen müsste, was ihm mit Blick auf den Ibex 35, Banken und Unternehmerverbände missfällt. Das gilt auch im Fall der Stimmen der Katalanen, deren dauerhafte Unterstützung er nur dann erhält, wenn er endlich in einen realen Dialog zur Konfliktlösung einsteigt.

Das war bisher nicht der Fall und soll wohl auch so bleiben, wie das Wahlmanöver zeigt. Bisher setzt auch Sánchez vor allem auf Repression und hält die Anführer der Katalanen im Gefängnis oder im Exil und lässt ihnen wegen einer erfundenen Rebellion oder Aufruhr den Prozess machen. Hätte sein Ministerium für Staatsanwaltschaft die völlig absurde Rebellionsanklage zurückgezogen, wären die neun politischen Gefangenen aus der Untersuchungshaft gekommen und hätten auch einigermaßen am Wahlkampf teilnehmen können.

So musste erst durch internationalen Druck erzwungen werden, dass sie wenigstens einige "Pressekonferenzen" per Videoschaltung aus dem Gefängnis geben durften. Darin versicherte der inhaftierte Chef der Republikanische Linken (ERC) mit Blick auf eine mögliche von VOX gestützte Rechtsregierung, dass man erneut Sánchez erneut unterstützen würde, denn kein "Demokrat in Europa würde eine rechtsextreme Regierung an die Macht bringen". Man werde Sánchez aber "keinen Blankoscheck ausstellen", erklärt Oriol Junqueras aus dem Knast. Die ERC und die übrigen Unabhängigkeitsparteien halten am Selbstbestimmungsrecht fest. Gefordert wird weiter ein Dialog, in dem auch über ein Unabhängigkeitsreferendum nach schottischem Vorbild gesprochen werden kann, was Sánchez bisher strikt ablehnt.

Über den Prozess und eine Lösung der Katalonienfrage wurde in diesem Wahlkampf kaum gesprochen. Die rechten Parteien lieferten sich nur einen Wettstreit darin, wer härtere Maßnahmen einleiten will. Gesprochen wurde viel über Katalonien, aber nicht mit Katalanen. Vertreter der Unabhängigkeitsbewegung waren in den beiden TV-Runden nicht anwesend. Die vier spanischen Männer blieben unter sich. Es war der ehemalige baskische Regierungschef Juan Jose Ibarretxe, der auf die spanische Demokratie in den Wahldebatten aufmerksam gemacht hat. "Es nehmen die nicht teil, die entscheiden werden, wer regieren wird."

Wahrscheinlich hat Ibarretxe recht. Denn wahrscheinlich wird Sánchez am Montag nur vor der Situation stehen, die er schon hatte, bevor er diese unsinnigen Neuwahlen angesetzt hat (Mehrheit bestenfalls mit Katalanen). Vermutlich kann er nur erneut mit den Stimmen der Katalanen regieren und ist dann zum Dialog gezwungen, weil sonst Spanien auf die vierten Wahlen in vier Jahren zustreben würde. Es könnte aber auch schlimmer kommen, dass gegen alle Prognosen die rechte Dreifaltigkeit doch regieren kann.

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