Wirecard-Skandal: Deutschland soll Spionage-Ermittlungen in Wien behindert haben

Illustration zeigt ein Handy mit Wirecard-Schriftzug

Drei Handys, Wirecard – und pikierte Ermittler in Österreich. Bild: Ascannio, Shutterstock.com

Österreichische Ermittler wollen russischen Agentenring zerschlagen. Doch die deutsche Staatsanwaltschaft sabotiert. Das zeigt ein aktueller Fall.

Deutsche Behörden sollen die Ermittlungen in einem mutmaßlichen Spionagefall in Österreich massiv behindert haben. Das berichten österreichische Medien, darunter die Nachrichtenagentur Apa und ein Politmagazin. Sie verweisen auf ein ähnliches Verhalten der deutschen Seite im Wirecard-Skandal.

Daten aus Diensthandys in Moskau?

Im aktuellen Fall geht es um den Verdacht, dass Daten von Diensthandys ehemaliger Mitarbeiter des österreichischen Ex-Innenministers Wolfgang Sobotka von der konservativen ÖVP beim russischen Geheimdienst gelandet sein könnten; darunter auch sensible Informationen, möglicherweise Staatsgeheimnisse.

Laut einem Protokoll der "AG Fama" des Bundeskriminalamts sollen die drei Mobilgeräte bei einem Bootsausflug des Innenministeriums im Juli 2017 ins Wasser gefallen sein. Obwohl eine Datensicherung angeblich nicht gelungen sei, seien Daten von diesen Handys später auf Speichermedien bei einem Ex-Polizisten gefunden worden.

Die Rolle des inhaftierten Egisto Ott

Als Quelle nannte der Mann den ehemaligen Mitarbeiter des österreichischen Verfassungsschutzes, Egisto Ott. Er habe ihm im Jahr 2019 einen USB-Stick mit Daten von mindestens einem Handy übergeben. Die "AG Fama" ermittelt auch gegen den Ex-Wirecard-Manager Jan Marsalek. Ott sitzt in Österreich in Haft.

Auf dem konfiszierten Stick soll sich ein kompletter Extraktionsbericht über die forensische Datensicherung eines Handys befunden haben, das aufgrund der gesicherten Kontakte und Chats einem der drei betroffenen ehemaligen Sobotka-Mitarbeiter zugeordnet werden konnte.

Nutzlose Reiskörner und zu teure Israelis

Die Handys selbst sollen, so vermuten die österreichischen Ermittler, vom ehemaligen Verfassungsschützer Ott an russische Nachrichtendienste weitergegeben worden sein. Zur Vorgeschichte heißt es in der österreichischen Agenturmeldung:

Die Geräte waren bei einer Bootstour des Innenministeriums am 10. Juli 2017 ins Wasser gefallen, als ein Kanu kenterte. Anschließend wurden sie zur Datenrettung ins Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) gebracht, wo ein Kriminaltechniker zunächst eine Trocknung mit Reiskörnern vornahm.

Offenbar wurde in der Folge sogar versucht, einen Spezialisten aus Israel zu engagieren, um die Daten aus den durchnässten Handys auslesen zu können, was an dessen finanziellen Forderungen scheiterte.

Deutsche Behörden wenig interessiert

Trotz wiederholter Bemühungen der österreichischen Justiz hätten die deutschen Behörden nur geringes Interesse an einer Zusammenarbeit gezeigt, heißt es nun in Österreich. Dies zeige sich auch im vorliegenden Fall, in dem Martin Weiss, der ehemalige Vorgesetzte von Ott im Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT), ins Spiel kommt.

Weiss sagte im April 2022 ohne Wissen der österreichischen Behörden bei der Staatsanwaltschaft München aus und erhielt dafür von deutscher Seite freies Geleit. Das berichtet das österreichische Nachrichtenmagazin Profil in seiner aktuellen Ausgabe.

Münchener Staatsanwaltschaft als Fluchthelfer?

Weiss hält sich derzeit außerhalb der Reichweite österreichischer Ermittlungen in Dubai auf. Letztlich, so der Vorwurf aus Wien, schützten die deutschen Ermittlungsbehörden mutmaßliche russische Spionageaktivitäten. Denn "als Drahtzieher der Clique gilt Ex-Wirecard-Chef Jan Marsalek", unter dem auch der inhaftierte Ott und der flüchtige Weiss agiert hätten.

Die deutsche Justiz habe bereits in der Vergangenheit österreichische Ermittlungen in anderen Fällen, insbesondere im Kontext der Wirecard-Causa, blockiert, heißt es in dem Profil-Text weiter.

Scharfe Kritik kommt von Alma Zadić, der österreichischen Justizministerin von den Grünen, sowie von der Staatsanwaltschaft Wien, die gegen den Forensiker ermittelt, der die Handys für unbrauchbar erklärte.

Alle Wege führen zu Wirecard

Ott bestreitet die Vorwürfe und behauptet, die Handys seien ihm anonym in den Briefkasten geworfen worden, was die Ermittler bezweifeln.

Zadić fordert einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss, um sowohl juristische als auch politische Aufklärung zu gewährleisten.

Der Wirecard-Skandal, einer der größten Wirtschaftsskandale in Deutschland, erschütterte nicht nur die Finanzwelt, sondern hatte auch Auswirkungen auf die grenzüberschreitende Zusammenarbeit der Strafverfolgungsbehörden.

Die Wirecard AG, ein einst hochgelobtes deutsches Finanztechnologieunternehmen, meldete 2020 Insolvenz an, nachdem bekannt geworden war, dass Milliarden Euro nicht existierten. Die deutschen Behörden gerieten unter Druck, weil sie es versäumt hatten, rechtzeitig angemessene Maßnahmen zu ergreifen, um den Betrug aufzudecken.