Wohin treibt der Ölpreis?
Immer mehr Länder bekommen fallende Rohstoffpreise und die China-Konjunkturschwäche deutlich zu spüren
Die seit Monaten abstürzenden Ölpreise haben sich in den letzten Tagen wie die Börsen wieder etwas erholt. Die Ölpreise waren mit den Börsen am "Schwarzen Montag" auf den tiefsten Stand seit mehr als sechseinhalb Jahren gefallen. Und erstmals ging der Preis für die US-Referenzsorte West Texas Intermediate (WTI) wieder unter der Marke von 40 US-Dollar aus dem Handel. Das Fass der Nordseemarke Brent kostete keine 43 Dollar mehr.
In einem Jahr sind die Preise um etwa 60% gefallen. Allgemein wird ein weiterer Preissturz um etwa 10 Dollar erwartet. Dabei wird längst Fracking-Öl nicht mehr kostendeckend produziert, weshalb die Kreditblase platzen wird.
Auch wenn die Ölpreise zuletzt am Donnerstag und Freitag erneut deutlich zulegten, ändert das nichts an der Tatsache, dass die Preise weiter sehr niedrig sind. Die Nachrichtenagentur Bloomberg hatte schon zuvor berechnet, dass der Absturz der Ölpreise in diesem Sommer sogar noch stärker ausgefallen sei als in der Hochzeit der Finanz- und Wirtschaftskrise 2008 und 2009. Trotz der Erholung, die vor allem mit Hoffnungen auf Wachstum in den USA begründet wird, kostet das Barrel WTI-Öl keine 45 Dollar und das Fass Brent keine 50 Dollar.
Die Preise liegen damit weiter deutlich unter der Marke, unter der Fracking-Öl nicht mehr kostendeckend aus dem Boden gepresst werden kann, auch wenn die Methoden verbessert wurden und in einigen Fällen effizienter gefördert wird. Seit vergangenem November befinden sich die Ölpreise nun schon unter einem Niveau, ab dem ein profitables Fracking meist nicht mehr möglich ist. Schon im vergangenen Winter wurde deshalb darüber debattiert, wann die Fracking-Blase platzt. Zwar hatte sich seither der Preis zeitweise wieder etwas erholt, aber der WTI kletterte nur noch selten über die Marke von 60 Dollar und dann auch nur knapp.
Die Lage für viele Firmen ist inzwischen mehr als bedrohlich. Deshalb spricht Chris Helman längst von "Zombies". Der Öl-Experte des amerikanischen Wirtschaftsmagazins Forbes rechnet damit, dass der Branche in den USA harte Zeiten bevorstehen.
Was ich mit Zombie-Ölfirmen meine, sind die Unternehmen, die über ihre Verhältnisse leben. Viele von ihnen haben Ölfelder im Schiefergestein, bei denen es mehr als 75 oder sogar 80 Dollar kostet, ein Barrel zu fördern. Die haben zurzeit überhaupt keine Chance, Geld zu verdienen. Sie verbrennen ihr Geld!
Diese Einschätzung ist nicht ganz richtig, denn sie verbrennen vor allem das Geld ihrer Kreditgeber. Denn die gesamte Fracking-Blase wurde über Kredite aufgeblasen, mit denen der Öl-Boom finanziert wurde. Als der Ölpreis bei 100 US-Dollar lag, war das ein gutes Geschäft, obwohl es auf Pump finanziert wurde. Die Anlagen wurden oft über Hochzinsanleihen ("High Yield"-Anleihen) finanziert. Die boten stets eine relativ hohe Rendite in einer Phase, in der die Leitzinsen praktisch seit Beginn der Finanzkrise bei Null liegen (Geldpolitik an der "zero bound").
USA: Zahl der Bohrtürme mehr als halbiert
Weil das Risiko dieser Anleihen hoch ist, die wegen der schlechten Bonität der Emittenten und ihrer Ausfallgefährdung auch als Junk-Bonds, Ramsch-Anleihen oder Schrottanleihen bezeichnet werden, sind die Risikoaufschläge (Spread) zuletzt explodiert. Der Spread in Bezug auf US-Staatsanleihen hat sich in den letzten 14 Monaten auf mehr als 900 Basispunkte verdreifacht.
Mit einem Aufschlag von gut 9 Prozentpunkten zahlen viele Fracker ruinöse Zinsen in Höhe von mehr als 10%. Die Ausfallquote habe sich nach Angaben der Ratingagentur Standard & Poors inzwischen schon verdoppelt. Bei den derzeitigen Ölpreisen wird sie weiter steigen und den Junkbond-Markt in eine bedrohliche Situation bringen. Dabei geht es um viel Geld. Geschätzt wird ein Umfang von insgesamt 1,7 Billionen Dollar, von denen ein guter Anteil im Energiesektor steckt.
Schon seit Monaten ist zu beobachten, dass die Zahl der Bohrtürme immer weiter abnimmt. Wurde im Winter alarmiert gemeldet, dass die Zahl der aktiven Öl-Bohrlöcher in den USA auf nur noch gut 1.200 zurückgegangen ist - dem niedrigsten Stand seit 2012 - so zählt der Bohrausrüsters Baker Hughes nun gerade noch 885 in den USA. Das sind so wenige wie seit fünf Jahren nicht mehr. Ein Jahr zuvor waren es noch fast 2000 aktive Bohrlöcher.
Ihre Zahl hat sich also mehr als halbiert. Viele Firmen treten auf die Bremse, wenn sie es können, und haben auch neue Erkundungen gestoppt, weil sich die Erschließung nicht mehr lohnt. Andere produzieren weiter mit Verlust in der Hoffnung auf einen steigenden Ölpreis. Die Lage ist beim kanadischen Nachbarn ähnlich. Dort werden nur noch 208 Türme gezählt, 197 weniger als vor einem Jahr.
So ist die Produktion in den USA bisher nicht signifikant gefallen. Sie liegt sogar derzeit noch höher als vor einem Jahr und sie ist bis Juni sogar auf den bisherigen Rekordwert gestiegen. Hatten Experten schon im Frühjahr davon gesprochen, dass es auf dem Weltmarkt eine Überproduktion von etwa eineinhalb Millionen Barrel täglich gäbe, so ist die Überproduktion bis im Juni sogar mindestens auf zwei Millionen gestiegen. Nun ist die Fracking-Produktion zwar leicht gesunken, sie liegt aber mit 9,4 Millionen Barrel nur knapp unter dem bisherigen Rekord im Juni.