Zehn unter zahlreichen - Teil 2

Wer die Union für viele Bürger unwählbar macht

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In der aktuellen INSA-Umfrage liegt die Union, die im letzten Jahr noch von der absoluten Mehrheit träumte, bei 31,5 Prozent. Viele Beobachter erwarten, dass sie unter die 30-Prozent-Marke fallen könnte. Wie bei den in Teil 1 behandelten Sozialdemokraten hat der Trend nach Unten auch bei den Christdemokraten personelle Gründe, von denen hier zehn aufgeführt werden:

Wenn wir nicht wollen, dass sich nach dem Abzug der digitalen Horden und des Schlachtennebels nur noch die ruinenhaften Stümpfe unserer Gesellschaft in die Sonne recken und wir auf die verbrannte Erde unserer Kultur schauen müssen, dann heißt es, jetzt wachsam zu sein. Also, Bürger, auf zur Wacht! Es lohnt sich, unsere bürgerliche Gesellschaft auch im Netz zu verteidigen! […] Also, Bürger, geht auf die Barrikaden und zitiert Goethe, die Bibel oder auch Marx. Am besten aus einem gebundenen Buch!

  1. Angela Merkel

    Angela Merkel galt früher als einer der Gründe, warum Bürger die Union wählen - heute gilt sie als wichtigster Grund dafür, warum das viele nicht mehr machen. In einem Interview mit der Tageszeitung Die Welt offenbarte der ehemalige Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer im März, wenn er seine Ortsvorsitzenden frage, ob sie sich vorstellen können, im nächsten Jahr Merkel-Plakate zu kleben, dann blicke er nur "in lange Gesichter".

    Das liegt unter anderem daran, dass Merkel seit dem letzten Jahr eine Migrationspolitik betreibt, die mit den Unionsprogrammen vor der Wahl wenig zu tun hat und die nach Ansicht von Verfassungsexperten wie Udo di Fabio, Hans-Jürgen Papier und Michael Bertrams mit gewisser Wahrscheinlichkeit auch gegen das Grundgesetz verstößt, weil sie mehr oder weniger informell Kompetenzen auf das Kanzleramt konzentriert hat, die dort der Verfassung nach gar nicht liegen (vgl. Ex-Verfassungsrichter kritisieren Merkel).

    Diese Politik hat Merkel in Europa isoliert - in Osteuropa haben sich Regierungschefs reihenweise gegen sie gestellt und in Großbritannien gilt sie als wichtiges Argument der Befürworter eines EU-Austritts (vgl. UK: Brexit-Befürworter fast so stark wie -Gegner). Inzwischen distanzierte sich auch ihr ehemaliger Ziehvater Helmut Kohl von ihr.

    Dafür begab sie sich mit ihrer Politik in eine Abhängigkeit zum umstrittenen türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdoğan, dem sie nach Meinung vieler Deutscher den Kopf des Fernsehkomikers Jan Böhmermann als erste Unterwerfungsgeste auf einem Silbertablett servieren musste (vgl. Umfragen-Mehrheit gegen Merkels Böhmermann-Entscheidung).

  2. Elmar Brok

    Elmar Brok ist der Ralf Stegner der CDU: Er tritt in vielen Talkshows auf - und es spricht viel dafür, dass er der Partei dabei jedes Mal Stimmen kostet. Zum Beispiel bei Anne Will, wo er letzte Woche versuchte, dem Eindruck von Merkels "Kuschen vor Erdoğan […] zu widersprechen und damit die Peinlichkeit mit vielen Worten nur noch offensichtlicher machte" (vgl. Hallervorden: "Erdogan, zeig mich an!").

    Brok gilt als besonders eifriger Verfechter der EU-Osterweiterungspolitik und der Russlandsanktionen, die sich auf die deutsche Wirtschaft durchaus negativ ausgewirkt haben (vgl. CDU- und SPD-Politiker lehnen Aufhebung der Russlandsanktionen ab). 2008, als Georgien gegen Russland Krieg führte, wollte er europäische Kampftruppen in den Kaukasus schicken.

    In die Kritik geriet der Schnauzbartträger bereits in den Nuller Jahren, als ihm der Verfassungsrechtler Hans Herbert von Arnim "legale Korruption" vorwarf. Seine Beteuerungen, er trenne sein Parlamentsmandat und die Interessen des Bertelsmann-Konzerns "messerscharf", hielten nur so lange, bis der fraktionslose Abgeordnete Hans-Peter Martin auf seiner Website interne Bertelsmann-Papiere veröffentlichte (vgl. Verfassungsfeinde feierten in Berlin).

  3. Ursula von der Leyen

    Die Bilderbergtreffen-Teilnehmerin und Tochter des langjährigen niedersächsischen Ministerpräsidenten Ernst Albrecht kam der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ) zufolge nach einer teilweise abgeschriebenen medizinischen Dissertation (vgl. Von der Leyen hat nur "handwerklich" in der Doktorarbeit geschlampt) über ein "Geflecht an Intrigen" in die Politik. Als Bundesministerin machte sie anfangs vor allem mit ihren Plänen für Netzsperren Furore. In den Begründungen dazu operierte von der Leyen (der der Volksmund damals den Spitznamen "Zensursula" verlieh) wiederholt mit nicht belegbaren Behauptungen über angebliche Fallzahlen und falschen Angaben zur Rechtslage in anderen Ländern.

    Nachdem die CDU bei den Landtagswahlen in Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und Sachsen-Anhalt massive Verluste einfuhr, rechnete die Verteidigungsministerin einfach die Stimmen der SPD und der Grünen zu den Ergebnissen dazu. Das so korrigierte Ergebnis interpretierte sie als überwältigende Zustimmung zu Angela Merkels Politik.

  4. Ansgar Heveling

    Im Januar 2012 veröffentlichte das Handelsblatt einen Kommentar des CDU-Politikers Ansgar Heveling, der sich nur unzureichend beschreiben, dafür aber gut verlinken lässt. Das dürfte dem Eindruck von Thomas Knüwer nach auch das Kalkül der Zeitung gewesen sein, die damit ihre IVW-Statistik ordentlich aufpolieren konnte. Heveling behauptete nämlich, das Web 2.0 werde "bald Geschichte sein" und es stelle sich "nur die Frage, wie viel digitales Blut vergossen wird". Eine Begründung dafür ersetzte der Bundestagsabgeordnete durch eine Aneinanderreihung bizarrer Gewaltmetaphern, die wie eine Art Ernst-Jünger-Cargo-Kult aus der Psychiatrie wirken:



    Auf Twitter gibt es seitdem mehrere für ihn angelegte Hashtags und mehr Heveling-Witze, als man Zeit zum Lesen hat. Sie laufen fast alle nach dem Schema ab, das Frank Rieger anwendet, wenn er schreibt: "Herr Heveling ist definitiv kein Internetausdrucker. Er lässt sich interessierende Webseiten per Hand abschreiben." Solcher Spott fand sich zeitweise sogar auf der Website Hevelings, für deren Administration der Politiker (oder ein von ihm Beauftragter) offenbar seinen Nachnamen als Benutzernamen und seinen Vornamen als Passwort gewählt hatte.

    Bei einer Bundestagsdebatte zum Leistungsschutzrecht für Presseverlage wurde er den seitdem an ihn gestellten Kohärenzerwartungen nicht nur mit einer flammenden Befürwortungsrede des neuen Monopolrechts, sondern auch mit einem für westeuropäische Verhältnisse recht ungewöhnlichen Aufzug gerecht, von dem man auf Twitter mutmaßte, ob er aus einem selbst erlegten wilden Sofa geschneidert wurde.

    Andere Beobachter des Streams fragten sich ob seines recht wirren Hin und Hers zwischen Finanzkrise und Leistungsschutzrecht, ob es vielleicht bloß die parlamentarische Immunität ist, die Heveling bislang vor regelmäßigen Drogenscreenings oder einer psychiatrischen Begutachtung bewahrt hat (vgl. Der schrägste Vogel im Käfig).

  5. Roderich Kiesewetter

    Warum Roderich Kiesewetter ein Grund sein könnte, nicht die CDU zu wählen, hat Herrmann Ploppa im Februar in Telepolis erläutert (vgl. Kennen Sie Roderich Kiesewetter?). Mehr dazu steht hier nicht, weil das die Pressefreiheit in Deutschland nicht hergibt.

  6. Der Strobl-Clan

    Das CDU-Mitglied Christine Strobl ist die Tochter des Bundesfinanzministers Wolfgang Schäuble (CDU) und Ehefrau des baden-württembergischen CDU-Vorsitzenden Thomas Strobl. Sie leitet die ARD-Produktionsgesellschaft Degeto, deren Filmproduktionen sie trotz der massiven öffentlichen Kritik daran "ganz wunderbar" findet. In den meisten Drittweltländern würde man sich für so eine Cousinenwirtschaft wahrscheinlich schämen (vgl. Chance auf Wandel).

  7. Peter Altmaier

    Kanzleramtschef Peter Altmaier gilt als treuster Diener Angela Merkels. Nachdem vor zwei Jahren Informationen über die Weitergabe von Daten des Bundesnachrichtendienstes (BND) an den US-Geheimdienst NSA im Rahmen des Eikonal-Programms in die Medien gelangten, schickte er den Mitgliedern des NSA-Untersuchungsausschusses einen Brief, in dem er für den Fall, dass nicht für die Öffentlichkeit bestimmte Unterlagen ihren Weg dort hin finden würden, Strafanzeigen androhte. Das wertete man nicht nur im Ausschuss als unangemessenen Einschüchterungsversuch.

  8. Martin Patzelt

    Treu zur Kanzlerin steht auch der CDU-Abgeordnete Martin Patzelt: Er wollte im Januar einen Brandbrief von etwa 40 kritischen CDU-Bundestagsabgeordneten mit einem Unterstützerbrief kontern, der zeigen sollte, dass die überwältigende Mehrheit der Mandatsträger hinter Angela Merkel steht. Patzelt meinte, die "populistische Aktivität" seiner Kollegen "verwirre" die Bürger und führte den "Kraftakt gegen die Richtlinienkompetenz unserer Kanzlerin" auf "persönliche Frustrationen" zurück. Als er selbst nur auf etwa 40 "positive Rückmeldungen" kam, gab er sich enttäuscht.

  9. Annette Widmann-Mauz

    Gesundheitsstaatssekretärin Annette Widmann-Mauz machte in der Vergangenheit immer wieder als eifrige Verfechterin von Privatisierungen auf sich aufmerksam. Unter anderem wollte sie die Zahnbehandlung komplett aus dem Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenkassen herausnehmen und legte dazu die Zahl von 20 - 25 € monatlichen auf die Bürger zukommenden zusätzlichen Kosten vor, die ihren Angaben nach von "verschiedenen privaten Versicherungen" errechnet wurden.

    Dass Versicherungskonzerne potentiell wenig Interesse haben, sich ein fettes Geschäft durch die abschreckende Wirkung realistischer Beitragsätze verderben zu lassen, und dass es für Privatversicherte keinen Schutz gegen unbotmäßige Erhöhungen gibt (weshalb sich der Beitrag nach der Einführung sehr schnell auf eine ganz andere Höhe bringen lässt), kam in ihrem Thesenpapier nicht vor. Konkrete Maßnahmen zur Begrenzung von Beiträgen oder Beitragserhöhungen suchte man darin ebenso vergeblich (vgl. Deutschland sucht das Superrezept).

    Außerdem machte die Bundestagsabgeordnete durch die Teilnahme an Reisen auf Steuerzahlerkosten auf sich aufmerksam, die einem Bericht des Spiegel nach vor allem mit Freizeitaktivitäten angefüllt waren und nur deshalb ein Ende fanden, weil sich US-Politiker über den deutschen Konsul in San Francisco darüber beschwerten, dass die deutsche Delegation Gesprächstermine absagte und lieber die Stadt besichtigte.

  10. Günter Krings

    Günter Krings erweckte im Bundestag und in Medien den Eindruck, dass es kaum einen anderen CDU-Abgeordneten geben dürfte, der den Forderungen der Rechteinhaberindustrie so offen gegenübersteht wie er (abgesehen vielleicht vom inzwischen ausgeschiedenen Siegfried Kauder). Seine Argumente für die Bedeutung der Rolle dieser Rechteinhaberindustrie werden allerdings von weniger Bürgern geglaubt, seit er der Neuen Osnabrücker Zeitung (NOZ) kurz vor Theodor von und zu Guttenbergs Rücktritt sagte, die Vorwürfe gegen den damaligen Verteidigungsminister seien "lächerlich" und Teil einer "Schmutzkampagne", weil Guttenbergs Doktorarbeit "in einem höchst renommierten Wissenschaftsverlag erschien, der für seine strengen Maßstäbe bekannt ist".

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