Zwei Dollar pro Aktie der fünftgrößten Investmentbank der USA
Mit einer neuen Zinssenkung doktert die Fed weiter an Symptomen der Kreditkrise herum, die weltweite Wellen schlägt
Überraschend hat die US-Notenbank Federal Reserve (FED) am Sonntag den Diskontsatz auf 3,25 Prozent gesenkt. Zusätzlich soll ein Sonderkreditprogramm für Liquidität sorgen. JPMorgan Chase übernahm die schwer angeschlagenen US-Investmentbank Bear Stearns (Fed rettet Bear Sterns). Für zwei Dollar pro Aktie lag der Kaufpreis mit 236 Millionen weit unter dem Börsenwert. Die Fed unterstützte den Deal und es wird erwartet, dass sie nach der Senkung des Diskontsatzes vom Sonntag am Dienstag den Leitzins erneut deutlich senken wird und damit die Inflationstendenz im gesamten "Dollarblock" weiter anheizt. Die Inflation steigt weltweit, China ahmt Indien nach und führt Preiskontrollen auf Lebensmittel ein. Auch im Euroraum erreichte sie ein Rekordniveau und Spanien wird der Zusammenbruch des Immobiliensektors Hunderttausende neue Arbeitslose bescheren.
Hätte es noch einer Bestätigung der massiven Krise bedurft, in der sich die US-Wirtschaft befindet, dann hätte sie die Fed mit ihren hektischen Aktivitäten nun deutlich vor Augen geführt. Eine Notmaßnahme folgt der nächsten und vieles spricht dafür, dass sie die Krise damit nur hinauszögert und sogar verschärfen könnte. Der neue Griff in die Trickkiste bescherte nach einer Sondersitzung am Sonntag eine plötzliche Senkung des Diskontsatzes von 3,5 auf 3,25 Prozent, damit sich die Banken kurzfristig Liquidität verschaffen können. Zudem wurde für die großen Investmentbanken für die Dauer von mindestens sechs Monaten eine neue Kreditmöglichkeit geschaffen.
Die Maßnahmen stehen im Kontext der Krise der fünftgrößten US-Investmentbank Bear Stearns. Es soll verhindert werden, wovor der Notenbankpräsident Ben Bernanke erst kürzlich warnte: "Ein Bankensterben ist unvermeidlich" (Bankensterben unvermeidlich). Die Maßnahmen sollen den Geldmarkt mit Bargeld versorgen, erklärte Bernanke. Den Kreditinstituten werde der Zugang zu liquiden Mitteln erleichtert. "Liquide und gut funktionierende Märkte sind für die Förderung des wirtschaftlichen Wachstums von wesentlicher Bedeutung", versuchte er gute Laune zu schaffen.
Doch die neuen Maßnahmen untergraben das Vertrauen weiter, weshalb die Börsen am Montag erneut auf Talfahrt gingen. Denn nur über eine Ausnahmeklausel aus dem Jahr 1932 wurden nun die Geldschleusen der Fed weit geöffnet. Denn mit der Investmentbank darf die Fed nun über den Deal mit JPMorgan eine sogenannte Nicht-Bank finanziell unterstützen. Kurz bevor die Maßnahmen bekannt gegeben wurden, war die Übernahme von Bear Stearns durch JPMorgan öffentlich gemacht worden. Mit zwei Dollar pro Aktie bezahlt die Bank nur knapp sieben Prozent des Börsenwerts der Investmentbank. Zwar waren die Aktien von Bear Stearns wegen ihrer Liquiditätskrise abgestürzt, trotz allem lag der Endstand am Freitag in New York noch bei einem Kurs von 30,85 Dollar.
Über JPMorgan gewährt die Fed nun auch Bear Stearns den Zugang zu ihren Diskontkrediten, denn die angeschlagene Investmentbank hatte bisher keinen Zugriff auf die Diskont-Refinanzierung. Notenbanker, Vertretern des US-Finanzministeriums, die Börsenaufsicht und Bankenvertretern sind davon überzeugt, dass ein Untergang von Bear Stearns zu unabsehbaren Folgewirkungen geführt hätte.
Die Fed heizt die Inflation an, während die Kreditkrise zu einer Bankenkrise wird
Doch man muss nun fragen, wie vielen Kreditinstituten so unter die Arme gegriffen werden soll? Wie lange will die Fed weiter nur an den Symptomen herumdoktern? Erst vergangene Woche hatte sie angekündigt, Kredite in Höhe von 200 Milliarden Dollar bereitzustellen, die mit einer breiten Palette von Finanzprodukten, inklusive maroder Hypothekenanleihen, abgesichert werden können.
Diese Ankündigung verpuffte sofort an der Krise des Hedge-Fonds Carlyle Capital. Die führte dazu, dass abrupt Finanzmittel bei Bear Stearns abzogen und ihr keine neuen Kredite gewährt wurden. Inzwischen hat die aktiennotierte hochverschuldete Fonds-Tochter von Carlyle Capital Corporation (CCC) die Abwicklung beschlossen. Damit kommen neue Banken in Bedrängnis. Ende 2007 gehörten laut Jahresbericht neben Bear Stearns auch die Deutsche Bank, UBS, Bank of America, BNP Paribas, Citigroup, ING, JPMorgan Chase und Merrill Lynch zu den Geschäftspartnern. Zumeist sind das alte Bekannte milliardenschwerer Abschreibungen in der Subprime Krise (Die Domino-Rezession?). Bei der größten US-Bank Citigroup machten schon Gerüchte die Runde, sie stehe vor der Zahlungsunfähigkeit (Börsen in Panik).
Die nächste Notmaßnahme ist schon in Sicht. Allseits wird erwartet, dass die Fed am Dienstag den Leitzins erneut deutlich senkt. Mindestens 0,5 % werden erwartet und ausgeschlossen wird auch ein Zinsschritt nicht, der höher als 1 % liegt. Senkt die FED "nur" um 0,5 %, werden erneut starke Turbulenzen an den Finanz- und Kreditmärkten erwartet. Kommt sie den Erwartungen der Börsen nach, schürt sie die Teuerung und ein weiterer deutlicher Verfall des Dollarwerts ist absehbar. Denn in seinem Kampf gegen die Windmühlen hat Don Bernanke den Zinssatz schon längst aggressiv gesenkt. Mitte September 2007 lag der Leitzins noch bei 5,25 %, nun liegt schon bei 3 %. Doch wegen der strukturellen Probleme in den USA hat das weder verhindert, dass aus der Hypothekenmarktkrise wie erwartet eine Bankenkrise wurde. Es mehren sich zudem die Anzeichen, dass die USA längst in der befürchteten Rezession stecken, die weltweit Folgen nach sich ziehen wird (Die Domino-Rezession?.
Mit der weiteren Zinssenkung wird die FED die Inflation antreiben. Sie liegt in den USA schon jetzt bei 4 %. Heftige Kritik an der Geldpolitik äußert der angesehene Hedgefonds-Manager Jim Rogers. Er spricht von einem "Sozialismus für Reiche". In einem Interview erklärte er: "Es kann nicht sein, dass wir jetzt die Privilegien junger Investmentbanker sichern, damit sie weiter in ihren Maserati durch die Straßen New Yorks cruisen können. Dafür darben dann 300 Millionen Amerikaner und in der Folge die ganze Welt."
Die FED werfe die Druckmaschinen an, um die Milliardenhilfen zu finanzieren, was die Inflation zudem weiter anheize. Die Kosten für die Lebenshaltung galoppierten davon. So zahlten letztlich Millionen von Menschen über eine gestiegene Teuerung für die Interessen der Investmentbanker. Er rät: "Statt die Zinsen immer weiter zu senken und Milliarden in den Markt zu schießen, sollten die Währungshüter besser die Zügel anziehen und den Selbstreinigungsprozess der Märkte nicht behindern." Denn das sei die Aufgabe von Rezessionen.
Inflation wächst in der EU und in China
Doch genau das Gegenteil von dem, was auch die Standardwerke kapitalistischer Marktwirtschaft empfehlen, macht die Fed. Sie zögert die Krise hinaus und internationalisiert sie. Schließlich haben viele Länder ihre Währungen effektiv an den Dollar gekoppelt, weshalb der gesamte "Dollarblock" unter Druck gerät. Die Geldpolitik der USA gibt so zu einem großen Teil das Inflationstempo in der Weltwirtschaft vor.
So ist die Inflation in China im Februar auf den Höchststand von 8,7 % gestiegen. Im Januar waren es noch 7,1 %. Ministerpräsident Wen Jiabao hat die Inflation als "größte Sorge" der Menschen bezeichnet und angekündigt, sie in diesem Jahr auf 4,8 Prozent stabilisieren zu wollen. Doch das kann er nur durch eine erneute Anhebung der Zinsen und das würde sich negativ auf die Konjunktur auswirken, die zudem unter den Druck der fallenden US-Nachfrage gerät. Chinas Staatsrat hatte schon im Januar die Preise für Energie eingefroren, um den Preisdruck zu begrenzen. Zudem wurde Indien nachgeahmt und Preiskontrollen für Lebensmittel eingeführt.
Auch in der Eurozone steigt die Inflation weiter und hat mit 3,3 % den höchsten Stand seit Einführung des Euro im Jahr 1999 erreicht. Die Teuerung hat sogar stärker als erwartet zugelegt. Das hatte die EU-Statistikbehörde Eurostat am Freitag mitgeteilt. Erwartet hatten die Statistiker in einer Vorabschätzung eine unveränderte Jahresteuerung von 3,2 %.
Doch erst im Jahresvergleich zeigt sich die Entwicklung deutlich. Vor einem Jahr lag die Inflation mit 1,8 % noch unter dem Ziel der Europäischen Zentralbank (EZB) von 2 %. Die höchsten Inflationsraten werden in Lettland (16,5 Prozent), Bulgarien (12,2 Prozent) und Estland (11,5 Prozent) gemessen. In Deutschland lag die Teuerung bei 2,8 % und Bundesbankpräsident Axel Weber meint, es sei keinesfalls sicher, dass die Inflationsrate 2008 zurückgehen wird, wie bisher stets gern behauptet wurde.
Angesichts dieser Situation darf es trotz Konjunkturschwäche keine Zinssenkung der Europäischen Zentralbank (EZB) geben. Tatsächlich denken die Zentralbanker über eine Zinserhöhung nach, um ihrem Auftrag nachzukommen, für Geldwertstabilität zu sorgen (Gibt die Europäische Zentralbank die Preisstabilität auf?). Aber sie stehen unter starkem politischen Druck. Schließlich würde eine Anhebung der Leitzinsen sich weiter negativ auf die Konjunktur auswirken. Die Wachstumsprognosen wurden zum Beispiel für Deutschland von der Bundesbank schon auf 1,6 Prozent gesenkt. Die EZB hat die Wachstumsprognose für die Eurozone von 2,0 auf 1,7 herabgesetzt.
Spanische Regierung bereitet Konjunkturprogramm vor
In Spanien wird den Wählern nach den Wahlen am 9. März nun etwas reinerer Wein eingeschenkt. Bisher hatte die sozialistische Regierung versucht, die sich seit Jahren abzeichnende Immobilienkrise und deren Folgen klein zu reden. Das ist nun vorbei. Der Wirtschaftsminister Pedro Solbes gesteht ein, dass bisherige Prognosen geschönt waren. Hatte er zuvor stets behauptet, die spanische Wirtschaft werde mit 3,1 % wachsen, senkte er die Prognose nach den Wahlen auf 2,4-2,7 % herab, wobei er froh sein dürfte, den unteren Wert zu erreichen.
Die Beschwörungsformel, nach der es bei der Rekordinflation von 4,4 % um ein kurzfristiges Phänomen handelt, wurde ebenfalls beerdigt. So gibt Solbes nun zu, dass es schwierig werde, sie zu senken. Hatten die Sozialisten (PSOE) inoffiziell schon längst an einem Konjunkturprogramm gearbeitet, wird Ministerpräsident José Luis Rodríguez Zapatero in drei Wochen erneut im Amt vereidigt. Dabei wird er ein umfassendes Konjunkturprogramm vorstellen, dass dem der US-Regierung kaum nachsteht. Vorbei ist die Zeit der Behauptungen, dass derlei Programme in der EU unnötig seien (Krise? Welche Krise?).
Die Schätzungen gehen weit auseinander, wie viele Arbeitlose die Krise im spanischen Bausektor schaffen wird. Negative Auguren gehen von mehr als einer Million Stellen aus, die allein in dem Sektor verloren gehen, der bisher der Motor der spanischen Ökonomie war. Schon 2007 war der Verkauf von Wohnungen um 14 % eingebrochen, was sich deutlich in einer steigenden Arbeitslosigkeit bemerkbar machte. Erwartet wird, dass der Wohnungsbau um 70 % einbricht, und treffen die Vorhersagen zu, dann könnte die Arbeitslosigkeit um 50 % steigen. Spanien, das ohnehin in der EU schon den vorletzten Platz einnimmt, könnte schnell die Slowakei bei der Arbeitslosigkeit überholen und auf den letzten Rang zurückfallen. Doch auch hier fordert der Sektor, der in den vergangenen Jahren Rekordgewinne eingestrichen hat, nun die Sozialisierung der Verluste. Gefordert werden staatlich Beihilfen und eine weitgehende Freigabe der Bauflächen. Es sollen auch noch die letzten Flächen zubetoniert werden, die einem ungebremsten unsinnigen Bauboom bisher nicht zum Opfer gefallen sind.