Terror-Debatte in Russland: Für Moskau führt Spur in die Ukraine

Titel auf der Homepage der staatlichen russischen Nachrichtenagentur Tass, 26. März 2024. Bild: Screenshot Tass

Islamistische Täter plus ukrainische Beteiligung heißt es in Politik und Medien. Putin verweist auch auf tschetschenische Kämpfer in der Ukraine. Was noch diskutiert wird.

Die tadschikischen Täter des Terroranschlags vom vergangenen Freitag in Moskau mit 139 Toten wurden nach offiziellen Angaben dingfest gemacht und in den zuständigen Gerichten vorgeführt. Auch russische Medien gehen inzwischen von einem islamistischen Hintergrund des Geschehens aus.

Während die afghanische Terrororganisation IS-Khorasan als alleiniger Drahtzieher in der westlichen Politik und Presse als Fakt gilt, gibt es jedoch auch in nichtstaatlichen russischen Medien Zweifel daran.

Antirussische Ausrichtung von IS-Khorasan wird nicht bezweifelt

So stellt die Moskauer Zeitung Kommersant fest, dass IS-Khorasan, auch ISIS-K genannt, bisher keine Angriffe außerhalb der Heimatregion im Mittleren Osten durchgeführt habe. Ein Indiz für eine direkte Verbindung sei jedoch die Erstausstrahlung eines von den Terroristen selbst gefilmten Videos durch Quellen, die ISIS-K nahestehen.

Die Motivation des Islamischen Staates zu Terrorattacken gegen Russland zweifelt die Zeitung nicht an. Sie zitiert auch den Direktor des Inlandsgeheimdienstes FSB, der im Oktober 2023 aussagte, dass islamistische Terrororganisationen "ein Potenzial erreichen, das es ihnen ermöglicht, Terroranschläge außerhalb Afghanistans durchzuführen".

Die Zeitung verweist auf den Anschlag von ISIS-K im September 2022 auf die russische Botschaft in Kabul und FSB-Meldungen über die Verhinderung eines Terroranschlags in der russischen Region Kaluga. IS-Khorasan verfüge auch über Mitglieder in den Staaten Zentralasiens wie Tadschikistan, aus denen die Attentäter von Moskau stammen.

Das Vorgehen in Moskau unterscheidet sich jedoch von Selbstmordanschlägen, die der IS früher durchgeführt hat.

Für das offizielle Russland schließt islamistische Tat ukrainische Beteiligung nicht aus

Damit ist eine Beteiligung der Ukraine am Anschlag jedoch für Moskau nicht vom Tisch. Kreml-Chef Putin stellte in einer Stellungnahme fest, dass das Attentat von Islamisten begangen wurde.

Der Terroranschlag könne jedoch nach seinen Worten dennoch mit Anschlägen verbunden sein, die von mit Kiew verbündeten Kräften durchgeführt würden. Es sei vor allem die Frage, warum die Terroristen nach dem Verbrechen in Richtung Ukraine geflohen seien.

Putins FSB-Direktor Alexander Bortnikow wurde gestern noch deutlicher. Er sprach von einer direkten Beteiligung des ukrainischen Geheimdienstes SBU am Anschlag und bezeichnete diesen selbst als "Terrororganisation".

Keine Belege

Er erwarte die Aufdeckung weiterer Komplizen in der Ukraine und sprach von einer Ausbildung von Terroristen durch die Ukrainer im Nahen Osten. Auch der Sekretär des russischen Sicherheitsrates spricht von einer "wahrscheinlichen Beteiligung der Ukraine am Terroranschlag". Belege für ihre Aussagen legten beide Spitzenbeamten nicht vor.

Die Flucht in einem weißen Renault in die Grenzregion ist über Verkehrskameras, die das Fluchtauto bei Geschwindigkeitsübertretungen fotografiert haben, umfassend dokumentiert. Es fragt sich aber gerade deswegen, warum russische Sicherheitskräfte die hastige Abreise der Terroristen erst nach einer Strecke von mehr als 300 Kilometern auf der wichtigen russischen Hauptverbindungsroute, der Autobahn M-3, stoppten.

Versäumnisse sind aktuell vor allem in Bezug auf die mit der Sicherheit im Crocus-Areal betrauten Privatfirma Thema in der russischen Presse. Hierbei muss jedoch erwähnt werden, dass für Journalisten und Medien Kritik an den Sicherheitsbehörden, die durchaus angebracht wäre, nicht ungefährlich ist.

Das gilt auch für die Verbreitung einer anderen Sicht, wenn Putin persönlich noch eine ukrainische Beteiligung für nachgewiesen ansieht und das öffentlich verkündet. Egal, wie glaubwürdig die dann sicher präsentierten "Belege" wären.